Entscheidungsstichwort (Thema)
Richterablehnung im Wiederaufnahmeverfahren
Leitsatz (NV)
Die (bloße) Mitwirkung eines Richters an der im Wiederaufnahmeverfahren angegriffenen Entscheidung reicht für sich allein nicht aus, um eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1 S. 1, § 128 Abs. 2; ZPO § 42 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wegen Einkommensteuer 1978 bis 1980 durch Urteil vom 27. Januar 1998 XV 193/94 ―rechtskräftig― abgewiesen. Mit Schreiben vom 8. Dezember 1999 haben die Kläger die Wiederaufnahme dieses Verfahrens beantragt. Unmittelbar nach Eröffnung der mündlichen Verhandlung im Wiederaufnahmeverfahren 15 K 974/99 lehnte der Kläger (und Prozessbevollmächtigte der Klägerin) der Richterin am Finanzgericht A und den Richter am Finanzgericht B (als Berichterstatter) als befangen ab, weil beide Richter bereits am Verfahren XV 193/94 mitgewirkt hatten.
Das FG wies den Antrag ―ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter― als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist gemäß § 128 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung in der bis zum 31. Dezember 2000 gültigen Fassung i.V.m. Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757, 1760) zwar statthaft; sie ist jedoch nicht begründet.
1. Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozessordnung kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei objektiver und vernünftiger Betrachtung davon ausgehen kann, der Richter werde nicht unvoreingenommen entscheiden. Unerheblich ist, ob ein solcher Grund wirklich vorliegt (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 24. März 1997 IX B 93/96, BFH/NV 1997, 687, m.w.N.).
Die Tatsache, dass ein Richter in der Vergangenheit an einer für einen Beteiligten ungünstigen Entscheidung mitgewirkt hat, ist für sich allein kein vernünftiger Grund, an der Objektivität dieses Richters zu zweifeln (z.B. BFH-Beschluss vom 1. Dezember 1999 IX S 17/99, BFH/NV 2000, 478). Dies ergibt sich bei Entscheidungen von Kollegialgerichten schon daraus, dass wegen des Beratungsgeheimnisses (vgl. § 43 des Deutschen Richtergesetzes) nicht feststellbar ist, welche Rechtsauffassung die mitwirkenden Richter vertreten haben (BFH-Beschluss vom 24. November 2000 II B 44/00, BFH/NV 2001, 621, m.w.N.). Insbesondere reicht die (bloße) Mitwirkung an der im Wiederaufnahmeverfahren angegriffenen Entscheidung für sich allein als Ablehnungsgrund nicht aus, eine Besorgnis der Befangenheit im Sinne einer Voreingenommenheit zu begründen (BFH-Beschluss vom 12. April 1990 I B 37/89, BFH/NV 1991, 172).
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze hat die Beschwerde keinen Erfolg. Die Kläger machen mit ihr (nach dem tatsächlichen Gehalt des Vorbringens) lediglich geltend, die abgelehnten Richter seien von unzutreffenden rechtlichen Erwägungen ausgegangen. Dies reicht zur Darlegung einer Besorgnis der Befangenheit nicht aus. Durch das Institut der Richterablehnung sollen die Beteiligten vor Unsachlichkeit geschützt werden. Es ist kein geeignetes Mittel, sich gegen unrichtige oder für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren (z.B. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 1996 I B 100/94, BFH/NV 1997, 369, m.w.N.). Etwas anderes gilt nur, wenn Gründe dargetan sind, die dafür sprechen, dass ein (möglicher) Fehler auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (z.B. Beschluss in BFH/NV 1997, 369, m.w.N.). Solche Umstände sind weder von den Klägern hinreichend dargelegt noch sonst ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 605914 |
BFH/NV 2001, 1283 |