Entscheidungsstichwort (Thema)

Revisionsbegründung einer nicht postulationsfähigen Person

 

Leitsatz (NV)

Eine Revision ist dann nicht ordnungsgemäß begründet, wenn der prozeßbevollmächtigte Rechtsanwalt Ausführungen, die von einer nicht nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG postulationsfähigen Person stammen, lediglich abschreibt und den betreffenden Schriftsatz weiterleitet, ohne seinen Inhalt geprüft, gesichtet und rechtlich durchgearbeitet zu haben.

 

Normenkette

BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; FGO § 120

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hatte den Kläger und Revisionskläger (Kläger) im Anschluß an ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren für die Streitjahre 1973 und 1974 zur Einkommensteuer veranlagt. Dabei waren insbesondere auch gewerbliche Einkünfte des Klägers zugrunde gelegt worden.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte teilweise Erfolg.

Der Kläger legte gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) Revision ein. Seine damaligen Prozeßbevollmächtigten, die Rechtsanwälte A und B, stellten noch einen Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist und legten sodann das Mandat nieder. Die anschließend neu beauftragten Rechtsanwälte C und D reichten nochmals weitere vier Fristverlängerungsanträge ein (siehe Schriftsätze vom 1. August 1984, 4. September 1984, ohne Datum - eingegangen am 27. September 1984 - und vom 9. Oktober 1984).

Mit Schriftsatz vom 6. August 1984 beantragten C und D, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Zur ,,Begründung" verwiesen sie ,,vorsorglich" auf das Vorbringen in den Nichtzulassungsbeschwerden (Az. . . .) und jenes vor dem FG. Unter anderem wurde auch gerügt: ,,Nach dem Urteilsausspruch hat das Finanzgericht das Urteil zugunsten der Beklagten abgeändert, was als unsachlich und damit Befangenheit anzusehen ist". Am 31. Oktober 1984 ging eine weitere, dieses Mal ausführliche Revisionsbegründung ein. Mit ihr wurden im wesentlichen - wenn auch umfassender - dieselben Verfahrensfehler geltend gemacht wie schon zuvor in den Rechtsmittelschriften zu den Verfahren (Az. . . .), die noch von A und B eingereicht worden waren.

Am 8. März 1985 zeigten C und D an, daß auch sie das Mandat niedergelegt hätten.

Mit Schriftsatz von 14. März 1985 haben sie noch einen Abdruck eines von ihnen am selben Tag verfaßten Schreibens an den Kläger vorgelegt, in dem unter Bezugnahme auch auf die vorliegende Streitsache (Einkommensteuer 1973 und 1974) u. a. ausgeführt ist: ,,Wir machen Sie nochmals darauf aufmerksam, daß wir in den vorgenannten Angelegenheiten nicht mehr für Sie tätig sein werden. Die Gründe hierfür sind Ihnen bekannt. Sie liegen in den persönlichen Beleidigungen und Verleumdungen Ihres Herrn Bruders, E, sowie auch in der Prozeßführung selbst. Wir sind nicht mehr bereit, ständig Fristverlängerungsanträge zu stellen und dann in letzter Minute vor Ablauf der entsprechenden Fristen, die von Ihrem Herrn Bruder vorbereiteten Schriftsätze abzuschreiben und an das Gericht weiterzuleiten, da wir den Inhalt dieser Schriftsätze und auch die Art der Prozeßführung nicht billigen können".

Der Vorsitzende des erkennenden Senats hat dem Kläger persönlich - im Rahmen eines Ersuchens auf Akteneinsicht - mit Schreiben vom 5. Dezember 1985 eine Kopie des vorgenannten Abdrucks zugesandt. Der Kläger hat dazu nicht mehr Stellung genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Ihre Begründung genügt nicht den Anforderungen des § 120 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG).

1. Nach dieser Vorschrift muß sich vor dem Bundesfinanzhof (BFH) jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt, durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen. Sinn und Zweck des durch diese Vorschrift angeordneten Vertretungszwangs ist es, den BFH dadurch zu entlasten, daß Rechtsbehelfe nur noch von solchen Personen eingelegt werden dürfen, die durch ihre fachliche Vorbildung in der Lage sind, die Erfolgsaussichten der Rechtsbehelfe zu beurteilen und das Verfahren vor dem BFH sachgerecht zu führen. Die von einem postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnete Revisionsbegründung muß deshalb erkennen lassen, daß er den Prozeßstoff überprüft hat und die volle Verantwortung für den Inhalt der Revisionsbegründung übernimmt. Diesen Anforderungen genügt nicht die Vorlage eines zwar von einem Rechtsanwalt unterzeichneten, aber von der Partei selbst verfaßten Schriftsatzes, wenn nicht der Rechtsanwalt selbst den Streitstoff geprüft, gesichtet und rechtlich durchgearbeitet hat (BFH-Beschluß vom 14. Mai 1982 VI R 197/81, BFHE 136, 52, BStBl II 1982, 607, mit weiteren Nachweisen; Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 6. September 1965 VI C 57.63, BVerwGE 22, 38). Nicht anders ist zu entscheiden, wenn ein Rechtsanwalt unter sonst gleichen Bedingungen (ohne Prüfung usw.) Schriftsätze, die von einer nicht nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG postulationsfähigen Person stammen, (lediglich) abschreibt und weiterleitet.

a) Im Streitfall haben die Rechtsanwälte C und D die von ihnen eingereichten Revisionsbegründungen ihrer eigenen Bekundung nach nicht geprüft und rechtlich durchdrungen. Sie haben im Schreiben an den Kläger vom 14. März 1985 deutlich zu erkennen gegeben, daß die betreffenden Schriftsätze lediglich Ausführungen des Bruders des Klägers wiedergeben, die sie nicht teilen könnten. Sie haben das Schreiben vom 14. März 1985 mit Schriftsatz vom selben Tag auch in das gegenwärtige Revisionsverfahren eingeführt.

b) Der Senat hat keine Bedenken, dieser Einlassung der früheren Prozeßbevollmächtigten des Klägers Glauben zu schenken. Einmal werden die im Schreiben vom 14. März 1985 zu den Fristverlängerungsanträgen und zum Zeitpunkt der Einreichung der Schriftsätze gemachten Ausführungen durch den tatsächlichen Prozeßverlauf bestätigt. So hatten C und D vier Anträge auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist gestellt und auch die beiden Begründungsschreiben jeweils erst am letzten Tag der ihnen bekannten Fristen eingereicht.

Weiter enthält insbesondere der Schriftsatz vom 6. August 1984 Ausführungen, die unverständlich sind und (andererseits) deutlich machen, daß ihrem Urheber die Besonderheiten des Revisionsverfahrens nicht geläufig sind. Vor allem ist nicht erkennbar, was der Kläger mit seiner Rüge, das FG habe das Urteil zugunsten des FA abgeändert, bezweckt. Eine eventuelle Befangenheit von Richtern, die an der Findung des angefochtenen Urteils mitgewirkt haben, wäre in einem selbständigen Zwischenverfahren bereits vor dem FG geltend zu machen gewesen.

Schließlich hat der Kläger - trotz ausreichender Gelegenheit - die Richtigkeit der Ausführungen in dem Schreiben an ihn vom 14. März 1985 nicht bestritten.

2. Die Niederlegung des Mandats auch durch die derzeitigen Prozeßbevollmächtigten des Klägers hat keine Unterbrechung des Verfahrens (§ 244 der Zivilprozeßordnung - ZPO - in Verbindung mit § 155 FGO) zur Folge. Die Bevollmächtigung ist im Außenverhältnis bestehengeblieben, da kein anderer Prozeßbevollmächtigter bestellt worden ist (§ 87 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 155 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 414554

BFH/NV 1986, 628

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