Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde: Darlegung der Zulassungsgründe nach neuem Recht
Leitsatz (NV)
- Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung muss der Beschwerdeführer konkret auf die im Revisionsverfahren zu klärende Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Die bloße Behauptung, die Streitsache sei klärungsbedürftig und von grundsätzlicher Bedeutung, reicht nicht aus. Bei vorhandener einschlägiger Rechtsprechung muss vorgetragen werden, welche Argumente und Gesichtspunkte noch nicht berücksichtigt worden sind.
- Mit dem Vorbringen der unzutreffenden Rechtsanwendung im Einzelfall wird auch nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO n.F. ein Zulassungsgrund jedenfalls dann nicht in der gesetzlich geforderten Art und Weise bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer nicht darlegt, das ein Rechtsanwendungsfehler von einigem Gewicht vorliegt, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen.
- Das Erfordernis einer BFH-Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist mit der Behauptung, die Rechtspraxis sei uneinheitlich, nicht dargelegt. Vielmehr ist diese Aussage mit konkreten Beispielen aus der Rechtsprechung der FG bzw. des BFH unter Bezeichnung des von der Vorinstanz nach Meinung des Beschwerdeführers falsch angewendeten Rechtssatzes zu belegen. Allein die eigene, von der Vorinstanz abweichende Rechtsauffassung darzulegen, reicht nicht aus.
- Eine Entscheidung ist nur dann "nicht mit Gründen versehen" i.S. des § 119 Nr. 6 FGO, wenn jegliche Begründung fehlt oder lediglich inhaltslose oder unverständliche Wendungen niedergeschrieben sind, die nicht erkennen lassen, von welchen Erwägungen das Gericht ausgegangen ist, und die eine Überprüfung des Rechtsstandpunktes nicht ermöglichen, oder wenn ein selbständiger Anspruch bzw. ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen worden ist. Richten sich die Einwendungen des Beschwerdeführers lediglich dagegen, dass das FG nicht auf Einzelheiten des Sachverhaltes eingegangen sei und sich nicht ausreichend mit seinen rechtlichen Argumenten auseinander gesetzt habe, die Urteilsbegründung also nur lückenhaft, unzulänglich oder nicht überzeigend sei, ist ein Verfahrensfehler nicht dargelegt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3, § 119 Nr. 6
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Vorbringen der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach müssen die Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO in der Beschwerdebegründung dargelegt werden. Insoweit hat sich durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) nichts geändert. Die vom Bundesfinanzhof (BFH) zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. entwickelten Grundsätze gelten somit weiterhin (BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2002, 119). Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung muss der Beschwerdeführer daher wie bisher konkret auf die im Revisionsverfahren zu klärende Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Die bloße Behauptung, die Streitsache sei klärungsbedürftig und von grundsätzlicher Bedeutung, reicht nicht aus (BFH-Beschluss in BFHE 196, 30, BStBl II 2002, 837, m.w.N.).
Soweit die Kläger ausführen, mangels groben Verschuldens hätte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) die Schätzungsbescheide ändern müssen, umschreiben sie keine für die Entscheidung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt. Sie wenden sich vielmehr gegen eine ihrer Ansicht nach unzutreffende Rechtsanwendung des FA.
Mit ihrem Vorbringen, die Rechte und Pflichten der FÄ im Rahmen der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen müssten konkretisiert werden, wird eine grundsätzliche Bedeutung ebenfalls nicht ausreichend dargelegt. Schon aus den von den Klägern im Beschwerdeschriftsatz zitierten BFH-Urteilen vom 1. Oktober 1992 IV R 34/90, (BFHE 169, 503, BStBl II 1993, 259) und vom 20. Dezember 2000 I R 50/00 (BFHE 194, 1, BStBl II 2001, 381) ergibt sich, dass die Rechtsprechung hierzu bereits Stellung genommen hat. Bei vorhandener einschlägiger Rechtsprechung muss in der Beschwerdebegründung aber vorgetragen werden, welche Argumente und Gesichtspunkte noch nicht berücksichtigt worden sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 23. November 1994 II B 111/93, BFH/NV 1995, 624, und vom 5. Juni 1997 III B 296/95, BFH/NV 1998, 35). Letztlich rügen die Kläger auch insoweit eine fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall, die allein auch nach neuem Recht eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigt.
Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte zwar durch die Neufassung des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO die Möglichkeit der Revisionszulassung im Fall einer rechtswidrigen Entscheidung des Finanzgerichts (FG) erweitert werden. Sie soll sich auch auf solche Fälle erstrecken, in denen über den Einzelfall hinaus ein allgemeines Interesse an einer korrigierenden Entscheidung des Revisionsgerichts besteht, weil z.B. die Auslegung revisiblen Rechts durch die Vorinstanz fehlerhaft ist und der unterlaufene Fehler von erheblichem Gewicht und geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu schädigen (vgl. z.B. BTDrucks 14/4061, S. 9; Lange, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 2001, 1098, m.w.N.). Es kann im Streitfall unentschieden bleiben, ob die Zulassungsgründe insoweit erweitert worden sind und aus welcher Variante des § 115 Abs. 2 FGO (Nr. 1 "grundsätzliche Bedeutung" oder Nr. 2 Alternative 2 "Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung") der weitere Zulassungsgrund abzuleiten wäre (zu den unterschiedlichen Auffassungen vgl. BFH-Beschluss in BFHE 196, 30, BStBl II 2002, 837, m.w.N.). Denn auch die Voraussetzungen für den weiteren Zulassungsgrund müssten schlüssig dargelegt werden. Ausführungen darüber, inwiefern die gerügte Rechtswidrigkeit von erheblichem Gewicht ist und das Vertrauen in die Rechtsprechung schädigen könnte, enthält die Beschwerdebegründung aber nicht.
2. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO (Erfordernis einer BFH-Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) legen die Kläger ebenfalls nicht ausreichend dar.
Allein die Behauptung, die Zulassung sei erforderlich, weil die Rechtspraxis in Bezug auf den Erlass von Schätzungsbescheiden uneinheitlich sei, genügt nicht. Vielmehr ist diese Aussage mit konkreten Beispielen aus der Rechtsprechung der FG bzw. des BFH unter Bezeichnung des von der Vorinstanz nach Meinung des Beschwerdeführers falsch angewendeten Rechtssatzes zu belegen (BFH-Beschluss in BFHE 196, 30, BStBl II 2002, 837). Allein die eigene, von der Vorinstanz abweichende Rechtsauffassung darzulegen, reicht nicht aus.
3. Auch der von den Klägern geltend gemachte Verfahrensfehler, das FG habe das Urteil nicht ausreichend begründet, rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
Zwar liegt ein Verfahrensfehler vor, wenn "die Entscheidung nicht mit Gründen versehen" ist (§ 119 Nr. 6 FGO). Das ist aber nur dann der Fall, wenn jegliche Begründung fehlt oder lediglich inhaltslose oder unverständliche Wendungen niedergeschrieben sind, die nicht erkennen lassen, von welchen Erwägungen das Gericht ausgegangen ist, und die eine Überprüfung des Rechtsstandpunktes nicht ermöglichen, oder wenn ein selbständiger Anspruch bzw. ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen worden ist (z.B. BFH-Urteile vom 31. Januar 1995 X R 265/93, BFH/NV 1995, 986; vom 20. Juni 2000 VIII R 47/99, BFH/NV 2001, 46, jeweils m.w.N.).
Die Kläger führen jedoch nur aus, das FG habe sich zu den gegen den Einspruchsbescheid vorgebrachten neuen Tatsachen nicht geäußert, sei "kaum" auf das ausführliche Vorbringen zum "Nichtvorliegen groben Verschuldens i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977" eingegangen und habe sich nicht mit ihrem Vortrag auseinandergesetzt, dass die Schätzung willkürlich sei und dass das FA die Schätzungsbescheide unter Vorbehalt der Nachprüfung habe erlassen müssen. Da das FG sowohl die Rechtsprechung des BFH zu Willkürmaßnahmen bei Schätzungen als auch die Voraussetzungen der Vorbehaltsfestsetzung erörtert und sich ―wie die Kläger selbst vortragen― zumindest ansatzweise mit der Prüfung des groben Verschuldens befasst hat, können sich die Einwendungen der Kläger somit lediglich dagegen richten, dass das FG auf Einzelheiten des Sachverhalts nicht eingegangen sei und sich mit ihren rechtlichen Argumenten nicht ausreichend auseinandergesetzt habe. Ist die Begründung des Urteils nur lückenhaft, unzulänglich oder nicht überzeugend, liegt aber kein Verfahrensmangel i.S. des § 119 Nr. 6 FGO vor (BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 986, und in BFH/NV 2001, 46, jeweils m.w.N.).
4. Von der Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen