Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wiedereinsetzung bei fehlendem Fristenkontrollbuch
Leitsatz (NV)
Trägt ein Prozeßbevollmächtigter lediglich Wiedervorlagefristen für die Bearbeitung einer Sache in einen dafür bestimmten Kalender ein, kann - im Fall der Fristversäumnis - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Regelfall nicht gewährt werden.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) begehrte mit ihrer Klage die Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide der Streitjahre 1979 und 1980 und die Durchführung einer getrennten Veranlagung. Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Beschluß, mit dem der erkennende Senat die Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) zuließ, ist dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin laut Postzustellungsurkunde am 3. Juli 1991 zugestellt worden.
Mit Schreiben vom 8. August 1991 (beim FG eingegangen am 9. August 1991) legte die Klägerin Revision ein und begründete diese im wesentlichen unter Hinweis auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, welche zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht werde. Gleichzeitig beantragte sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil sie ohne Verschulden verhindert gewesen sei, die Revisionsfrist einzuhalten. Ihr Prozeßbevollmächtigter trägt dazu vor, die in seiner Kanzlei für die Fristenkontrolle zuständige Mitarbeiterin habe den Beschluß über die Zulassung der Revision in das Fristenbuch eingetragen und das Datum des 23. Juli 1991 als Ablauf der Kontrollfrist vermerkt. Zu diesem Zeitpunkt (23. Juli 1991) sei die Akte auch dem für die Bearbeitung zuständigen Rechtsanwalt vorgelegt worden. Dieser habe der für die Fristenkontrolle zuständigen Mitarbeiterin daraufhin erklärt, er werde die Sache umgehend bearbeiten; die Mitarbeiterin sei gebeten worden, eine neue Frist auf den 29. Juli 1991 einzutragen, was diese versehentlich unterlassen habe.
Aufgrund dieser Äußerung sei die Vormerkung im Fristenkalender gelöscht worden. Im Zimmer des Bearbeiters sei die Akte jedoch aus nicht mehr aufklärbaren Gründen zwischen andere Akten geraten und erst nach Ablauf der Revisionsfrist wieder aufgefunden worden.
Die für die Fristenkontrolle zuständige Mitarbeiterin hat diese Angaben in einer dem Senat vorgelegten eidesstattlichen Versicherung bestätigt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Nach § 120 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung schriftlich einzulegen. Diese Frist endete im Streitfall am Montag, dem 5. August 1991. Die am 9. August 1991 beim FG eingegangene Revisionsschrift war daher verspätet.
Der Antrag der Klägerin, ihr wegen Versäumung der Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, ist nicht begründet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO kann auf Antrag gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Das Verschulden eines Prozeßbevollmächtigten muß sich ein Steuerpflichtiger dabei wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. August 1977 II R 89/77, BFHE 133, 14, BStBl II 1977, 769).
Im Streitfall wurde die Revisionsfrist durch schuldhaftes Verhalten des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin versäumt. Ein Prozeßbevollmächtigter handelt nach der Rechtsprechung des BFH schuldhaft, wenn er nicht durch die Organisation seines Bürobetriebes sicherstellt, daß Fristversäumnisse ausgeschlossen werden. Unerläßliche Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Büroorganisation ist dabei ein Fristenkontrollbuch oder eine vergleichbare Einrichtung (vgl. BFH-Entscheidungen vom 18. Januar 1984 I R 196/83, BFHE 140, 146, BStBl II 1984, 441 und vom 17. August 1988 III B 174/86, BFH/NV 1989, 240 m. w. N.). In diesem Buch muß der Ablauf der Fristen aller einzelnen Sachen vermerkt werden und eine Frist darf erst nach Vornahme der zu ihrer Einhaltung erforderlichen Handlung gestrichen werden. Es genügt nicht, wenn ein Prozeßbevollmächtigter lediglich Wiedervorlagefristen für die Bearbeitung einer Sache in einen dafür bestimmten Fristenkalender einträgt (BFH-Entscheidungen vom 12. September 1979 I B 60/79, BFHE 128, 483, BStBl II 1979, 743 und vom 11. November 1972 VIII R 8/67, BFHE 107, 486, BStBl II 1973, 169). Bei einer solchen Verfahrensweise ist eine korrekte Kontrolle, wann die Frist abläuft und ob die Rechtsmittelschrift rechtzeitig abgesandt wurde, nämlich nicht möglich.
Das vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin praktizierte Verfahren entspricht nicht den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Fristenkontrolle. Nach seinen eigenen Angaben werden in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten lediglich Wiedervorlagefristen für die Bearbeitung einer Sache notiert. Eine weitere dahingehende systematische Kontrolle, daß eine gesetzliche Frist auch tatsächlich gewahrt wird, findet nicht statt. Die Revisionsfrist ist somit wegen eines vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zu vertretenden Organisationsmangels versäumt worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann daher nicht gewährt werden.
Fundstellen