Entscheidungsstichwort (Thema)
Angebliche GbR als Beteiligte eines FG-Prozesses; Anforderungen an die Revisionsbegründung
Leitsatz (NV)
1. Richtet das FA den Gewerbesteuermeßbescheid gegen eine GbR als Schuldnerin der Gewerbesteuer, so ist sie (und nicht die mitunternehmerischen Gesellschafter) am finanzgerichtlichen Verfahren beteiligt, und zwar unabhängig davon, ob die GbR tatsächlich besteht oder nicht.
2. Den sachlich-rechtlichen Revisionsrügen muß eine sorgfältige, über ihren Umfang und Zweck keine Zweifel lassende Begründung zuteil werden. Nur wenn ein FG ausdrücklich von der bisherigen Rechtsprechung des BFH abweicht und wenn der Revisionskläger mit der Revision nur diese Abweichung rügen will, reicht es als Revisionsbegründung aus, die Abweichung darzustellen und zu erklären, der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung folgen zu wollen.
Normenkette
FGO §§ 57, 120 Abs. 2 S. 2, § 122; GewStG § 5 Abs. 1 S. 3
Tatbestand
Der verstorbene Ehemann (W) der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde bis 1975 als Angestellter einer Steuer beraterpraxis geführt, die bis 1949 von dem Vater der Klägerin und seitdem von verschiedenen Steuerberatern in einem ihr gehörenden Gebäude betrieben worden war. W war kein Steuerberater; 1975 war ihm die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen untersagt worden. Er unterhielt in den Geschäftsräumen des Gebäudes der Klägerin außerdem ein EDV-Büro.
Ende 1975 wurde die Steuerberaterpraxis von dem Steuerberater, der diese zuletzt betrieben hatte, auf den Schwiegersohn der Klägerin und des W, dem Kläger und nunmehrigen Beteiligten (Beteiligten), der ebenfalls Steuerberater war und der zusammen mit seinem Vater eine Praxis betrieb, unentgeltlich übertragen. W wurde weiterhin als Angestellter der Praxis geführt. Er war zudem Mieter der Geschäftsräume, in denen die Praxis und das EDV-Büro unterhalten wurden, und Vermieter der Einrichtungsgegenstände. Sein EDV-Büro führte für die Steuerberaterpraxis die Buchungs arbeiten durch. Vom 22. Februar 1978 bis Ende Oktober 1980 wurde die Praxis unter der Firma X-Steuerberatungs-GmbH i. G. betrieben; die Gründung dieser Gesellschaft, an der der Beteiligte und dessen Ehefrau, die Tochter der Klägerin und des W, beteiligt sein sollten, schlug indes fehl. Aufgrund von Differenzen erlangte der Beteiligte gegen W 1980 eine -- später rechtskräftig aufgehobene -- einstweilige Verfügung auf Herausgabe der Schlüssel zu den Praxisräumen, der Geschäftspapiere und Buchführungsunterlagen sowie auf Unterlassung, die Geschäftsräume zu betreten und sich mit den Praxisangelegenheiten zu befassen.
Für die Streitjahre 1976 und 1977 erklärte der Beteiligte Einkünfte aus der Praxis aus selbständiger Arbeit, die ihm zunächst allein zugerechnet wurden. Für das Streitjahr 1978 wurde der erklärte Gewinn einheitlich und gesondert auf den Beteiligten und dessen Ehefrau aufgeteilt. Für die Streitjahre 1979 und 1980 wurden keine Gewinnfeststellungserklärungen eingereicht.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) nahm nach erneuter Prüfung des Sachverhalts an, zwischen W und dem Beteiligten habe in den Streitjahren eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bestanden, und erließ gegen diese Gewerbesteuermeßbescheide. Die Bescheide wurden der Stadt übermittelt und von dieser am 28. Februar 1984 sowohl W als auch dem Beteiligten in jeweils gesonderten Ausfertigungen unter der Firma "W-O-GbR" an die Anschrift der Steuerberaterpraxis übersandt.
Die hiergegen jeweils im eigenen Namen eingelegten Einsprüche des W sowie des Beteiligten blieben bis auf eine teilweise betragsmäßige Herabsetzung ohne Erfolg, ebenso die anschließenden Klagen. Das Finanzgericht (FG) verband diese und entschied, eine aus W und dem Beteiligten bestehende GbR sei in den Streitjahren Schuldnerin der Gewerbesteuer. Daß es sich hierbei um eine bloße Innengesellschaft gehandelt habe, sei entgegen einer vom Bundesfinanzhof (BFH) in dem Urteil vom 9. Oktober 1986 IV R 235/84 (BFHE 148, 42, BStBl II 1987, 124) gemachten, dort nicht entscheidungserheblichen Äußerung ohne Bedeutung, weil eine GbR in der Lage sei, Gesamthandsvermögen zu bilden und damit Vollstreckungsschuldner der festgesetzten Steuer zu sein.
Ihre -- vom FG wegen der vorerwähnten Divergenz zugelassene -- Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts. Innerhalb der Revisionsbegründungsfrist hat sie gerügt, das FG-Urteil weiche von dem BFH-Urteil in BFHE 148, 42, BStBl II 1987, 124 ab und stehe überdies in Widerspruch zu den BFH-Urteilen vom 23. Oktober 1985 VII R 187/82 (BFHE 145, 13, BStBl II 1986, 156), vom 12. November 1985 VII R 364/83 (BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311) sowie vom 23. Oktober 1985 VII R 187/82 (BStBl II 1986, 157).
Nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hat sie weiter ausgeführt:
1. Die Revision sei innerhalb der Begründungsfrist in hinreichender Weise begründet worden. Durch den Umstand, daß das FG die Revision ausdrücklich wegen Divergenz zu dem BFH-Urteil in BFHE 148, 42, BStBl II 1987, 124 zugelassen habe, und durch die Geltendmachung der Divergenzrüge in der Revisionsbegründung sei konkludent verdeutlicht, daß sie sich der Rechtsprechung des BFH in dem genannten Urteil anschließe und Verletzung von § 5 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (Gew StG) rüge.
2. Bereits wegen dieser Divergenz sei die Revision auch begründet. Unabhängig davon könne von einer (verdeckten) Mitunternehmerschaft zwischen W und dem Beteiligten nicht ausgegangen werden. Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko dürften nicht, wie im Streitfall, lediglich auf einzelne Schuldverhältnisse als gegenseitige Austauschverhältnisse zurückzuführen sein. Das FG habe auch den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob W den Mandantenstamm der Praxis auf den Beteiligten übertragen habe.
Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil und die angefochtenen Steuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
1. Allerdings war die Klägerin befugt, die Revision einzulegen. Zwar waren die angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheide des FA nicht gegen diese bzw. W gerichtet, sondern gegen die -- angebliche -- GbR als Schuldnerin der Gewerbesteuer (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG; vgl. aber auch -- im Hinblick auf das Streitjahr 1976 -- § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG in der bis zur Änderung durch das Einführungsgesetz zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976, BGBl I 1976, 3341, geltenden Fassung). Das FA war auch davon ausgegangen, daß die Einsprüche von W und dem Beteiligten in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der GbR eingelegt worden waren. Die GbR (und nicht die Gesellschafter) hätte sonach auch am finanzgerichtlichen Verfahren als Klägerin beteiligt sein müssen (vgl. Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 3. Aufl., § 5 Anm. 13; Blümich/Gosch, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 14. Aufl., § 5 GewStG Rz. 93 f.). Tatsächlich klagten aber im Streitfall, wie sich aus dem Rubrum des vorinstanzlichen Urteils ergibt, W bzw. -- nach dessen Tod -- die Klägerin und der Beteiligte, jeweils im eigenen Namen. Die Revision konnte deshalb von der Klägerin erhoben werden (vgl. § 122 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
2. Die Revision ist jedoch nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form begründet worden. Innerhalb der verlängerten Begründungsfrist des § 120 Abs. 1 FGO ist beim BFH keine der Vorschrift des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO genügende Begründung eingegangen.
Nach dieser Bestimmung muß die Revisionsbegründung, soweit sie auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt wird, die verletzte Rechtsnorm angeben. Die erhobene Rechtsrüge muß zwar nicht unbedingt durch die Angabe eines bestimmten Paragraphen gekennzeichnet werden. In jedem Fall muß aber eindeutig erkennbar sein, welche Norm der Kläger für verletzt hält (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1970 III R 32/70, BFHE 101, 349, BStBl II 1971, 329). Zweck des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO ist es, das Revisionsgericht zu entlasten und den Inhalt des Revisionsangriffs von vornherein klar herauszustellen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 16. Oktober 1984 IX R 177/83, BFHE 143, 196, BStBl II 1985, 470). Dies erfordert, daß auch sachlich- rechtlichen Revisionsrügen eine sorgfältige, über ihren Umfang und Zweck keine Zweifel lassende Begründung zuteil wird (BFH-Beschluß vom 4. Juli 1986 VII R 113/82, BFH/NV 1986, 748).
Die Angabe der verletzten Rechtsnorm ist im Streitfall unterblieben. Allenfalls im Zusammenhang mit dem FG-Urteil erschließt sich, daß die Klägerin § 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG gemeint haben könnte. Aus der Revisionsbegründung selbst, wie erforderlich, ergibt sich dies hingegen nicht, auch nicht aus dem darin bezeichneten BFH-Urteil in BFHE 148, 42, BStBl II 1987, 124. Dieses Urteil betrifft die Frage, unter welchen Umständen zwischen einem Steuerberater und einer dritten Person eine GbR bestehen kann. Es berührt mithin in erster Linie die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes 1975, nicht des § 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG. Diese Vorschrift wird in dem Urteil nicht erwähnt und ist dort auch nicht entscheidungserheblich.
Unabhängig davon reicht die Abgabe der verletzten Rechtsnorm regelmäßig aber allein ohnehin nicht aus, um die ordnungsgemäße Begründung der Revision sicherzustellen. Die Begründungspflicht dient der Zusammenfassung und Beschleunigung des Rechtsstreits in der Revisionsinstanz. Deshalb muß der Revisionskläger neben der verletzten Norm die Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Art angeben, die nach seiner Auffassung das erstinstanzliche Urteil als unrichtig erscheinen lassen. Der erforderliche Umfang der Revisionsbegründung bestimmt sich dabei immer nach den besonderen Umständen des Einzelfalles. Ergibt sich bereits aus den Entscheidungsgründen des FG-Urteils, daß das Gericht von einer bestimmten höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist und will der Revisionskläger nur diese Abweichung rügen, so reicht es als Revisionsbegründung aus, wenn die Abweichung dargestellt und im übrigen darauf hingewiesen wird, daß der Revisionskläger sich der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung anschließt (BFH-Urteil vom 8. Mai 1985 I R 108/81, BFHE 144, 40, BStBl II 1985, 523, 525).
Die von der Klägerin innerhalb der Begründungsfrist gegebene Revisionsbegründung genügt den Anforderungen des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO hiernach auch insoweit nicht. Sie hat lediglich vier BFH-Urteile bezeichnet, von denen das FG bei seiner Entscheidung abgewichen sein soll. Unter diesen Urteilen befindet sich zwar auch das Urteil in BFHE 148, 42, BStBl II 1987, 124, dessentwegen das FG die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ausdrücklich zugelassen hat. Aus der Begründung als solcher wird aber -- jedenfalls isoliert und ohne nähere Lektüre des FG-Urteils -- nicht deutlich, worin die Abweichung bestehen soll, zumal auch das FG in den Gründen seiner Entscheidung die Revisionszulassung nur mit dem Hinweis auf die Abweichung von dem genannten BFH-Urteil belegt hat und insoweit keine weiteren Ausführungen hierzu gemacht hat. Überdies hat sich der BFH in dem Urteil in BFHE 148, 42, BStBl II 1987, 124 zu der Eigenschaft einer GbR, als Innengesellschaft Schuldner der Gewerbesteuer sein zu können, lediglich in einem obiter dictum geäußert; eine Abweichung der Vorentscheidung von diesem Urteil i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO lag somit nicht vor (vgl. -- m. w. N. -- Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Anm. 23). Die Klägerin hat schließlich nicht darauf hingewiesen, daß sie sich der bisherigen Rechtsprechung des BFH anschließt.
Fundstellen
Haufe-Index 420615 |
BFH/NV 1995, 815 |