Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Außenprüfung
Leitsatz (NV)
- Die Verfassungsmäßigkeit der Außenprüfung ist nicht erneut klärungsbedürftig geworden.
- Aus den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der EU folgt kein unmittelbar für die Mitgliedstaaten geltendes Gebot, die für das Gebiet der Außenprüfung noch unterschiedlichen Regeln anzugleichen.
- Die Bundesrepublik Deutschland ist nach Gründung der Europäischen Wirtschaftgemeinschaft und ihrer Veränderung zur Europäischen Union ein souveräner Staat geblieben. Ihre Rechtsvorschriften bleiben daher bis zu einem anders lautenden Rechtsanwendungsbefehl erhalten.
- Eine Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil im Stil einer Revisionsbegründung genügt zur Darlegung der Zulassungsgründe i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht.
- Zu den Anforderungen an eine zulässige Rüge, das angefochtene Urteil beruhe auf einem Verfahrensfehler.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3; AO 1977 § 193; EGVtr Art. 5 (jetzt Art. 10 EG), Art. 96
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat keinen der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dargelegt.
1. Das gilt zunächst für die von ihm als grundsätzlich zu klärend angesehene Rechtsfrage, ob das Rechtsinstitut der Außenprüfung (§§ 193 ff. der Abgabenordnung ―AO 1977―) verfassungsgemäß sei.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts betrifft. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605; weitere Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 23).
Zur ordnungsgemäßen Darlegung dieser Voraussetzungen ist erforderlich, dass der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und die Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 25 f.). Eine Rechtsfrage ist u.a. dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 5. April 1995 I B 126/94, BFHE 177, 231, BStBl II 1995, 496) oder sie offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat (z.B. BFH-Beschluss vom 15. Dezember 1989 VI B 78/88, BFHE 159, 196, BStBl II 1990, 344). Ferner fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit, wenn auf den betreffenden Sachverhalt durch die Rechtsprechung geklärte Rechtsgrundsätze anzuwenden (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 29. Januar 1987 V B 33/85, BFHE 148, 560, BStBl II 1987, 316) und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute höchstrichterliche Prüfung und Entscheidung dieser Frage geboten erscheinen lassen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 9. März 1998 III B 209/96, BFH/NV 1998, 1261).
Liegen zu einer streitigen Rechtsfrage bereits Entscheidungen des BFH vor, muss der Beschwerdeführer danach darlegen, weshalb gleichwohl eine erneute Entscheidung zu der Frage im Interesse der Allgemeinheit oder der Rechtsfortbildung für erforderlich gehalten wird. Diesem Erfordernis ist nur Rechnung getragen, wenn die Beschwerdebegründung eine eingehende Auseinandersetzung mit dem betreffenden Rechtsproblem enthält und ausführt, worin der Beschwerdeführer die ―nach wie vor― ungeklärte Frage sieht (BFH-Beschluss vom 23. Januar 2002 X B 94/01, BFH/NV 2002, 622; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 26, m.w.N.).
Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung des Klägers nicht. Der Kläger hat nicht ―wie nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlich― dargelegt, dass die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Außenprüfung erneut klärungsbedürftig geworden ist. Denn durch die Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass durch die unterschiedliche Ausgestaltung der Außenprüfung das aus dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ―hinsichtlich der steuerlichen Lastengleichheit― sich ergebende Übermaß-, Willkür- und Schikaneverbot grundsätzlich nicht verletzt ist (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 7. Februar 2002 IV R 9/01, BFHE 198, 16, BStBl II 2002, 269, sowie BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 622; s. weiter BFH-Urteile vom 11. März 1992 II R 129/88, BFHE 167, 266, BStBl II 1992, 707; vom 2. Oktober 1991 X R 89/89, BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220, unter 2. e, sowie vom 2. September 1988 III R 280/84, BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4, unter II. 1. b cc). Mit dieser Rechtsprechung hat sich der Kläger nicht auseinander gesetzt. Insbesondere geht er auch nicht ausreichend darauf ein, dass nach der Rechtsprechung des BFH (Senatsurteil vom 29. Oktober 1992 IV R 47/91, BFH/NV 1993, 149) zur Begründung der Prüfung eines ―wie hier― als Mittelbetrieb eingestuften Betriebes die Berufung auf § 193 Abs. 1 AO 1977 ausreicht und sogar eine erneute Prüfung nach einem prüfungsfreien Zeitraum von nur drei Jahren trotz der mit einer solchen Prüfung verbundenen Belastung nicht zu beanstanden ist. Ebenso befasst sich der Kläger nicht mit der Rechtsprechung des BFH, wonach eine nach § 193 Abs. 1 AO 1977 angeordnete Betriebsprüfung sich auch auf außerbetriebliche Sachverhalte erstrecken kann und diese Erstreckung nicht ein besonderes Prüfungsbedürfnis i.S. von § 193 Abs. 2 AO 1977 voraussetzt (BFH-Urteil vom 28. November 1985 IV R 323/84, BFHE 145, 311, BStBl II 1986, 437).
An der unzureichenden Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ändert nichts, dass der Kläger aus "europäischer Sicht", insbesondere unter Bezugnahme auf die aus Art. 96 (früher Art. 101) des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) i.d.F. vom 2. Oktober 1997 (BGBl II 1998, 387, und BGBl II 1999, 416) sich ergebende Verpflichtung, wettbewerbsverzerrende Rechts- und Verwaltungsvorschriften einzelner Mitgliedstaaten zu beseitigen, Bedenken gegen das in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) besonders ausgeprägte (Betriebs-)Prüfungswesen vorbringt. Zu Recht macht bereits das angefochtene Urteil darauf aufmerksam, dass es derzeit noch kein unmittelbar geltendes Gebot zur Angleichung der auf diesem Rechtsgebiet noch unterschiedlichen Regeln der einzelnen Mitgliedstaaten gibt. Nach der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihrer Veränderung hin zur Europäischen Union ist die Bundesrepublik Deutschland trotz ihrer Mitgliedschaft in diesem Staatenverbund ein souveräner Staat geblieben und sind wegen des geltenden Subsidiaritätsprinzips (Art. 5, früher Art. 3 b, EGV) die möglichen Befugnisse der EU deutlich begrenzt. Danach wird die nationale Identität gewahrt und bleiben die Rechtsvorschriften der Staaten grundsätzlich bis zu einem anders lautenden Rechtsanwendungsbefehl durch sie erhalten (Urteil des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 12. Oktober 1993 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1993, 3047, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 1994, 35). Der vom Kläger angeführte Beschluss des BVerfG (BVerfG 1. Senat, 2. Kammer - Beschluss vom 9. Januar 2001 1 BvR 1036/99, NJW 2001, 1267) zur Gleichbehandlung der Geschlechter steht dem nicht entgegen. Denn dort ging es um die Anwendung unmittelbar geltenden EG-Rechts.
2. Der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung erfordert nach der Rechtsprechung des BFH ein konkretes Eingehen auf eine Rechtsfrage, deren Klärungsbedürftigkeit und deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (Senatsbeschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837). Ähnlich gebietet der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zumindest eine Darlegung von Gründen, die eine Divergenzrüge nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. eröffnet hätten (vgl. dazu etwa BFH-Beschluss vom 5. Juli 2002 XI B 136/01, BFH/NV 2002, 1479).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung des Klägers gleichfalls nicht. Sie begnügt sich insoweit im Stil einer Revisionsbegründung mit der Erörterung der Frage, warum das angefochtene Urteil aus der Sicht des Klägers unrichtig sei.
3. Der Kläger hat auch Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht schlüssig dargelegt.
a) Soweit es um das Recht auf Akteneinsicht als solches geht, hat der Kläger selbst ausgeführt, dass das FG die fehlenden Steuerakten vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) angefordert und sie ihm vor dem auf den 28. September 2001 anberaumten Termin zur Einsicht vorgelegt habe.
Was die im selben Zusammenhang erhobene Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör angeht, so hat der Kläger nicht dargelegt, warum er in der anschließenden mündlichen Verhandlung nicht gerügt hat, dass die für die Akteneinsicht gewährte Zeit zu kurz gewesen sei (vgl. zur Rügepflicht z.B. BFH-Beschluss vom 17. März 2000 VII B 271/99, BFH/NV 2000, 1126).
b) Zur angeblichen Verletzung des Steuergeheimnisses fehlen Ausführungen, weshalb das angefochtene Urteil darauf beruhen könnte. Ein Verfahrensfehler des FA wäre im Übrigen für die Zulassung der Revision irrelevant (Senatsbeschluss vom 24. September 2001 IV B 132/00, BFH/NV 2002, 159).
c) Letzteres gilt auch für die vom Kläger angeführten Umstände bei der Auswahl seines Betriebs für eine Betriebsprüfung (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2002, 159).
4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung, insbesondere auch von der Wiedergabe des Tatbestandes, sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen
Haufe-Index 985344 |
BFH/NV 2003, 1394 |