Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verwendungsfiktion gem. § 41 Abs. 2 KStG bei Einziehung eigener Anteile einer Kapitalgesellschaft unter Herabsetzung des Nennkapitals
Leitsatz (amtlich)
Zieht eine Kapitalgesellschaft eigene Anteile unter Herabsetzung ihres Nennkapitals ein und enthält das Nennkapital einen nach § 29 Abs. 3 KStG verwendbaren Teil, ist die Verwendungsfiktion des § 41 Abs. 2 KStG nicht anwendbar, weil eine Auszahlung an den Gesellschafter unterbleibt (Bestätigung von Abschn. 95 Abs. 2 Satz 1 KStR 1985/Abschn. 95 Abs. 3 Satz 1 KStR 1995).
Normenkette
KStG § 29 Abs. 3, § 30 Abs. 2 Nr. 4, § 41 Abs. 2, § 47 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Berlin (EFG 1999, 399; LEXinform-Nr. 0550887) |
Tatbestand
I. Das Stammkapital der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, betrug seit dem 15. September 1981 5 Mio. DM, nachdem es aufgrund eines Beschlusses vom 17. Juli 1981 aus Gesellschaftsmitteln um 2 Mio. DM erhöht worden war. Dieser Vorgang führte im Rahmen des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) dazu, dass die dort vorhandenen Bestände an EK 03 und EK 04 ausgebucht und hinsichtlich des Restbetrages (634 486 DM) ein für Ausschüttungen verwendbarer Teil des Nennkapitals gemäß § 29 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) festgestellt wurde.
Am 25. Juli 1986 erwarb die Klägerin von ihren Gesellschaftern eigene Anteile mit einem Nennwert von 2 075 000 DM zum Kaufpreis von 3 172 438 DM. In der Gesellschafterversammlung vom 9. Dezember 1986 beschloss sie u.a. die Zulässigkeit der Einziehung eigener Anteile, die Erhöhung ihres Stammkapitals von bisher 5 Mio. DM auf 5 075 000 DM, die Einziehung ihres eigenen Geschäftsanteils in Höhe von 2 075 000 DM sowie die Herabsetzung des erhöhten Stammkapitals um 2 075 000 DM auf 3 Mio. DM (ohne Kapitalrückgewähr). Der Beschluss wurde damit begründet, dass die Herabsetzung des Stammkapitals der Anpassung an den aufgrund der Einziehung des eigenen Geschäftsanteils verringerten Gesamtnennbetrag der Geschäftsanteile diene. Soweit der Beschluss der Gesellschafterversammlung die Zulässigkeit der Einziehung eigener Anteile betraf, wurde die dahingehende Satzungsänderung am 25. Februar 1987 in das Handelsregister eingetragen. Die Eintragung der Kapitalherabsetzung erfolgte am 5. September 1988.
Die Klägerin erfasste die bilanziellen Folgerungen aus dem Gesellschafterbeschluss vom 9. Dezember 1986 in ihrem Jahresabschluss zum 31. Dezember 1986. Davon ausgehend wies sie zum 31. Dezember 1986 nur noch ein Stammkapital von 3 Mio. DM aus, löste eine offene Rücklage von 1 Mio. DM auf und buchte die eigenen Anteile im Wesentlichen erfolgsneutral gegen das herabgesetzte Stammkapital und die Rücklage aus.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) vertrat die Auffassung, soweit die Anschaffungskosten der eigenen Anteile den Nennbetrag überstiegen, seien die Anschaffungskosten nach Einziehung der eigenen Anteile vom EK 04 abzuziehen. Da das EK 04 zuvor 0 DM betrug, ergab sich hiernach ein EK 04 zum 31. Dezember 1986 in Höhe von ./. 1 097 438 DM. Der Betrag nach § 29 Abs. 3 KStG blieb unberührt. Dementsprechend wurde das vEK zum 31. Dezember 1986 durch Bescheid vom 14. Juli 1992 festgestellt. Eine gesonderte Feststellung gemäß § 29 Abs. 3 KStG war in diesem Bescheid zunächst nicht enthalten. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 1. März 1993 zurück und stellte wieder ein für Ausschüttungen verwendbares Nennkapital in Höhe von 634 486 DM gemäß § 29 Abs. 3 KStG fest. Mit der dagegen erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, es sei keine Feststellung i.S. des § 29 Abs. 3 KStG mehr vorzunehmen. Vielmehr vermindere dieser Betrag das EK 04 weiter, so dass sich ein EK 04 in Höhe von ./. 1 731 924 DM ergebe. Nach Hinweis des Finanzgerichts (FG), dass die Kapitalherabsetzung zivilrechtlich erst im Jahre 1988 wirksam geworden sei, nahm die Klägerin die Klage zurück.
Der Bescheid über die Feststellung des vEK auf den 31. Dezember 1987 geht von dem Vorjahresbescheid aus und ist bestandskräftig geworden.
Wiederum davon ausgehend erließ das FA am 12. Mai 1993 einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid über die Feststellung des vEK zum 31. Dezember 1988, wonach sich für das EK 04 und den Betrag nach § 29 Abs. 3 KStG keine Änderungen ergaben. In einer Anlage zu diesem Bescheid wies das FA eine Abstimmungsdifferenz von ./. 477 705 DM aus, so dass nach Herausrechnen des Betrags gemäß § 29 Abs. 3 KStG das vEK 7 705 DM niedriger als das vEK laut Steuerbilanz war.
Dagegen erhob die Klägerin Klage, mit der sie erfolglos begehrte, das EK 04 auf ./. 1 731 924 DM festzustellen und die Feststellung gemäß § 29 Abs. 3 KStG vollständig aufzuheben. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 399 abgedruckt.
Ihre hiergegen gerichtete Revision stützt die Klägerin auf Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und unter Änderung des angefochtenen Bescheides über die Feststellung des vEK auf den 31. Dezember 1988 vom 12. Mai 1993 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 1998 den für Ausschüttungen verwendbaren Teil des Nennkapitals auf 0 DM und das EK 04 auf ./. 1 731 924 DM festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
1. Das FG ist davon ausgegangen, dass die von der Klägerin eingezogenen eigenen Anteile im Zeitpunkt ihres Erwerbs angesichts des zum 31. Dezember 1985 aufgelaufenen Bilanzverlustes, der sich 1986 noch erhöht hatte, wertlos gewesen seien, weshalb bereits zu diesem Zeitpunkt ―am 25. Juli 1986―, spätestens aber bei Fassung des Einziehungsbeschlusses, eine Teilwertabschreibung (vgl. § 8 Abs. 1 KStG, § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 i.V.m. Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―) habe vorgenommen werden müssen. Dementsprechend seien die eigenen Anteile in den Steuerbilanzen von der Klägerin auch mit 0 DM angesetzt worden. Die Zahlung des ―hiernach überhöhten― Kaufpreises habe eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG und eine andere Ausschüttung i.S. von § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG dargestellt. Diese Vorgehensweise steht in Einklang mit den Rechtsgrundsätzen, die der erkennende Senat im Urteil vom 6. Dezember 1995 I R 51/95 (BFHE 179, 326) entwickelt hat und der die Finanzverwaltung im Grundsatz gefolgt ist (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ―BMF― vom 2. Dezember 1998, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1998, 2011 Tz. 26).
Die Einschätzung über die Werthaltigkeit der Anteile im Zeitpunkt ihrer Einziehung durch die Klägerin ist eine tatrichterliche, die den erkennenden Senat bindet (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Sie könnte von ihm nur dann überprüft und in Frage gestellt werden, wenn sie gegen die Denkgesetze oder die Gesetze der Logik verstieße oder wenn die Revision hiergegen eine begründete Verfahrensrüge gerichtet hätte. Beides ist nicht der Fall. Verstöße gegen die Denkgesetze und die Gesetze der Logik sind nicht ersichtlich und werden letztlich auch nicht geltend gemacht. Ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht ist von der Klägerin nicht in hinreichend substantiierter Weise dargetan worden. Der bloße Hinweis auf die hohen Anschaffungskosten und den Umstand, dass auch das FA zunächst keine Einwände gegen die Werthaltigkeit der Anteile erhoben habe, ist nicht ausreichend.
Behält die Betrachtungsweise des FG damit aber Bestand, konnten die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen nach den Auswirkungen der Einziehung der Anteile und der Kapitalherabsetzung auf die Feststellung des vEK gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 KStG für den streitgegenständlichen Stichtag (vgl. dazu Abschn. 83 Abs. 4 Sätze 2 bis 5 der Körperschaftsteuer-Richtlinien ―KStR 1985―, Abschn. 83 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 KStR 1995), wie sie selbst einräumt, dahinstehen und bedurften keiner Beantwortung.
2. Der Klägerin ist auch nicht darin zu folgen, die Herabsetzung des Stammkapitals ziehe die Auflösung jener gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 29 Abs. 3 KStG gesondert festgestellten Beträge nach sich, die dem Nennkapital durch Umwandlung von Rücklagen zugeführt wurden und die deshalb zum vEK gehören.
Zwar gilt derartiges ausnahmsweise zum vEK gehörendes Nennkapital im Falle seiner Rückzahlung zuerst als verwendet (§ 41 Abs. 2 KStG). Ein solcher Rückzahlungssachverhalt ist vorliegend jedoch nicht gegeben; das Kapital der Klägerin ist herabgesetzt und ihre eigenen Anteile sind eingezogen (vgl. § 34 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) worden, ohne dass gleichzeitig eine Rückzahlung erfolgt wäre. Folglich bleibt die Fiktion des § 41 Abs. 2 KStG von ihrem Wortlaut her unanwendbar (vgl. Abschn. 95 Abs. 2 Satz 1 KStR 1985, Abschn. 95 Abs. 3 Satz 1 KStR 1995).
Für eine lückenfüllende entsprechende ―zwingende oder, so die Klägerin, wahlweise― Anwendung dieser Vorschrift besteht keine Veranlassung. Zwar fehlt insoweit eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, die den hier in Rede stehenden Sachverhalt erfassen würde. Es trifft auch zu, dass Nennkapital gemeinhin nicht für Ausschüttungen zur Verfügung steht und dass es deshalb zu einem gewissen "Systembruch" führt, wenn es dennoch weiterhin ―trotz Kapitalherabsetzung― kraft besonderer Regelung in § 29 Abs. 3 KStG und in dem hiernach bestimmten Umfang zum vEK gehört (so Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, § 41 Rz. 36). Dennoch rechtfertigt dies keine ausdehnende Anwendung von § 41 Abs. 2 KStG. Vielmehr gilt in Fällen der Kapitalherabsetzung ohne Nennkapitalrückzahlung oder durch Einziehung von Anteilen vorrangig das nicht zum vEK rechnende übrige ("echte") Nennkapital als verwendet; die Einziehung der eigenen Anteile führt in Höhe ihres Nennbetrages zu dessen Verminderung. Denn anders als die Rückzahlung von Nennkapital ziehen der Erwerb und die Einziehung eigener Anteile beim Anteilseigner keine steuerpflichtigen Kapitalerträge nach sich (§ 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG). Nur für den ―hier nicht vorliegenden― Fall, dass das verbleibende Nennkapital nicht genügt, um die Kapitalherabsetzung abzudecken, verringert sich folglich das vEK auch hinsichtlich des für Ausschüttungen verwendbaren Teils des Nennkapitals gemäß § 29 Abs. 3 KStG (vgl. Abschn. 95 Abs. 2 Satz 2 KStR 1985, Abschn. 95 Abs. 3 Satz 2 KStR 1995), und zwar ―entsprechend dem wirtschaftlichen Gehalt der Vorgänge im Falle einer zuvorigen Ausschüttung von Nennkapital― über den Teilbetrag des § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG, also das EK 04 (Abschn. 83 Abs. 4 Satz 1 KStR 1985/1995), welches auch negativ werden kann. Ansonsten aber ―und sonach auch im Streitfall― bleibt das körperschaftsteuerliche Anrechnungsguthaben, das auf den in früheren Wirtschaftsjahren umgewandelten Rücklagen lastet (EK 56/50/45 bis EK 02) unberührt; die Ausschüttungsbelastung ist nicht herzustellen (einhellige Meinung, z.B. Posdziech in Streck, Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl., § 41 Anm. 5; Wied in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 16. Aufl., § 41 KStG Rz. 55; Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 41 KStG Rz. 43; Antweiler in Arthur Andersen, Körperschaftsteuergesetz, § 41 Rz. 114; Wilke in Mössner/Seeger, Körperschaftsteuergesetz, § 41 Rz. 43; Kempermann in Schöberle/ Hofmeister, Körperschaftsteuergesetz, § 41 Rz. 15 f.; Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 41 KStG Rz. 75; Schmid/ Wiese, DStR 1998, 993, 995; Kußmaul/Junker, Der Betrieb 1998, 2083, 2086). Allein diese Vorgehensweise entspricht dem Sinn und Zweck der Regelungszusammenhänge, wie sie auch in § 41 Abs. 2 KStG angelegt sind. Denn diese sollen, worauf die Vorinstanz zutreffend hinweist, eine definitive Belastung mit tariflicher Körperschaftsteuer nach Möglichkeit vermeiden. Dieses Ziel würde aber unterlaufen, wenn die gemäß § 29 Abs. 3 KStG festgestellte Position aufgelöst würde, bevor Nennkapital an die Anteilseigner zurückgezahlt wird; eine spätere Rückzahlung kann dann nicht mehr zur Körperschaftsteuerminderung (§§ 27 ff. KStG) führen.
3. Die vorstehende Betrachtungsweise unter 1. und 2. hätte für den streitgegenständlichen Stichtag infolge der Kapitalherabsetzung zur Konsequenz, dass das EK 04 richtigerweise auf 2 075 000 DM bzw. ―bei Zugrundelegung der vom FA getroffenen Feststellung zum 31. Dezember 1987― auf 910 062 DM zu erhöhen wäre. Der Vorinstanz ist jedoch darin zu folgen, dass beides wegen des im Finanzprozess geltenden Verböserungsverbots nicht in Betracht kommen kann. Gleiches gilt im Ergebnis hinsichtlich der vom FA dargestellten Abstimmungsdifferenz, die im EK 02 vorzunehmen wäre (vgl. Senatsurteile vom 23. Oktober 1991 I R 97/89, BFHE 165, 537, BStBl II 1992, 154; vom 22. Oktober 1998 I R 122/97, BFHE 187, 273, DStR 1999, 155).
4. Die Entscheidung ergeht im Übrigen gemäß Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs. Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Fundstellen
Haufe-Index 508948 |
BFH/NV 2001, 124 |
BStBl II 2001, 258 |
BFHE 192, 524 |
BFHE 2001, 524 |
BB 2000, 2350 |
DB 2000, 2302 |
DStRE 2000, 1258 |
HFR 2001, 150 |
StE 2000, 701 |