Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Sachaufklärungspflicht bei Beweisanträgen; fehlerhafte Beweiswürdigung
Leitsatz (NV)
- Eine Beweiswürdigung kann dann verfahrensfehlerhaft sein, wenn das FG seiner Sachaufklärungspflicht nicht genügt oder Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt lässt oder falsche Beweisregeln anwendet.
- Das FG ist nicht verpflichtet, den Beteiligten zu erkennen zu geben, welcher von zwei einander widersprechender Zeugenaussagen es voraussichtlich folgen wird.
- Von den Verfahrensbeteiligten angebotene Beweise muss das FG grundsätzlich erheben, es sei denn es kommt auf das Beweismittel für die Entscheidung nicht an oder das Gericht unterstellt die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsache zugunsten des Beteiligten.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Dem Finanzgericht (FG) sind die gerügten Verfahrensmängel nicht unterlaufen.
1. Mit Einwendungen gegen die Beweiswürdigung des FG kann der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gehört werden, weil derartige Angriffe revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 22. März 1999 X B 142/98, BFH/NV 1999, 1236). Die Nichtberücksichtigung von Umständen, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätten einfließen müssen, kann verfahrensfehlerhaft sein, wenn das FG seiner Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) nicht nachkommt oder Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt lässt, insbesondere wenn es bei seiner Überzeugungsbildung eine nach Aktenlage feststehende Tatsache unberücksichtigt lässt bzw. bei seiner Entscheidung vom Nichtvorliegen einer solchen Tatsache ausgeht (sog. Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten). Kein Verfahrensfehler ist dagegen die fehlerhafte Würdigung des Beteiligtenvorbringens oder eines erhobenen Beweises durch das FG, es sei denn, das FG hätte falsche Beweisregeln angewendet (BFH-Beschluss vom 12. September 1996 X B 76/96, BFH/NV 1997, 246).
Der Kläger hat keine feststehenden Tatsachen benannt, die das FG übergangen hätte. Das FG hat sich ausführlich mit dem Aktenvermerk des Herrn A auseinander gesetzt und ausgeführt, dass sich hieraus nicht zur Überzeugung des Senats ableiten lasse, dass dem Zeugen K von der B-AG Geldbeträge zugeflossen seien, denn diese Gesellschaft werde überhaupt nicht erwähnt. Zudem habe K bekundet, dieser Aktenvermerk sei inhaltlich falsch. Diese unter Berücksichtigung des weiteren Inhalts des Aktenvermerks getroffene Würdigung des FG ist ein mögliches Ergebnis der Würdigung dieses Aktenvermerks und als solches nicht verfahrensfehlerhaft.
2. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass das FG die Aussage des Zeugen T als unglaubhaft beurteilt hat und den gegenteiligen Ausführungen K's gefolgt ist. Das FG hielt dessen Angaben u.a. deshalb für glaubhaft, weil sie durch weitere, im Einzelnen dargelegte Indizien gedeckt seien. Außerdem spreche gegen den Wahrheitsgehalt der Darstellung des Zeugen T, dass K mit seiner Firma C-GmbH und Co. KG nur an fünf von den insgesamt 11 streitigen Objekten beteiligt gewesen sei, gleichwohl aus allen Modellen aber Geldbeträge an die B-AG geflossen seien. Während T im Strafverfahren ursprünglich selbst vorgetragen habe, dass die Geldbeträge in diesen letzten sechs Fällen nicht an K, sondern an andere Personen geflossen seien, die den Zugang aber ebenfalls bestritten hätten, trage er nunmehr vor, an K seien aus allen Projekten Zahlungen geflossen. Auch diese Würdigung lässt nicht erkennen, dass das FG bei seiner Überzeugungsbildung Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens oder eine nach Aktenlage feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hätte. Vielmehr handelt es sich auch insoweit um ein mögliches Ergebnis der Beweiswürdigung. Das Gericht war auch nicht verpflichtet, den Beteiligten zu erkennen zu geben, wie es die Aussage des T würdigen werde. Zum einen ist die Würdigung von Zeugenaussagen der Urteilsberatung vorbehalten, zum andern erübrigt sich ein Hinweis schon deshalb, weil bei einander widersprechenden Zeugenaussagen immer offen ist, welcher Aussage das Gericht folgen wird. Ausweislich des Protokolls ist zudem das Ergebnis der Beweisaufnahme ausführlich erörtert worden.
3. Das Gericht hat auch nicht seine Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO dadurch verletzt, weil es die Zeugen A und D nicht, wie beantragt, vernommen hat. Zwar muss das FG die von den Verfahrensbeteiligten angebotenen Beweise grundsätzlich erheben, wenn es einen Verfahrensmangel vermeiden will. Auf die beantragte Beweiserhebung kann es aber verzichten, wenn es auf das Beweismittel für die Entscheidung nicht ankommt oder das Gericht die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsachen zugunsten der betreffenden Parteien unterstellt (BFH-Urteil vom 13. März 1996 II R 39/94, BFH/NV 1996, 757).
Der Kläger hat die Herren A und D als Zeugen dafür benannt, dass die B-AG K entgegen dessen Bekundungen nicht unbekannt gewesen sei. Das FG hat hierzu ausgeführt, dass es nach seiner Auffassung offen bleiben könne, ob K die Existenz der B-AG bekannt gewesen sei oder nicht. Denn selbst wenn er diese gekannt habe, könne daraus kein sicherer Schluss auf die Hauptbeweisfrage gezogen werden, nämlich ob K tatsächlich einen Anteil aus den auf die Konten der B-AG geleiteten Geldbeträge erhalten habe oder nicht.
Das FG hat demnach die genannten Zeugen deshalb nicht vernommen, weil die Aussage der beiden Zeugen nach seiner Auffassung für die Entscheidung nicht erheblich war. Ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht ist damit nicht gegeben.
4. Unzutreffend ist auch die Rüge, das Gericht habe eine eigene Würdigung des Sachverhalts unterlassen und durch die Würdigung eines anderen sachfremden Gerichts ersetzt sowie Prozesshandlungen aus dem Strafverfahren ohne Würdigung der rechtlichen und tatsächlichen Umstände auf das Steuerverfahren übertragen. Das FG hat vielmehr nach einer Beweisaufnahme in einer ausführlichen, sich über 11 Seiten erstreckenden Begründung im Einzelnen dargelegt, auf welche Erwägungen es seine Überzeugung gründet. Es hat sich auch nicht auf das Geständnis des T im Strafverfahren gestützt, sondern hat diesen vielmehr selbst als Zeugen vernommen. Dass es dessen Aussage als unglaubhaft beurteilt hat, u.a. deshalb, weil er im Steuerverfahren vorgetragen habe, K seien aus sämtlichen Projekten Zahlungen über die in der Schweiz domizilierte B-AG zugeflossen, während er im Strafverfahren noch andere Zahlungsempfänger benannt habe, zeigt gerade die eigenständige Würdigung des Sachverhalts durch das FG.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Angabe weiterer Gründe.
Fundstellen
Haufe-Index 648939 |
BFH/NV 2002, 45 |