Leitsatz (amtlich)
1. Der Strukturwandel einer Gärtnerei vom Gewerbebetrieb mit Gewinnermittlung nach § 5 EStG zum landwirtschaftlichen Betrieb mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG (i. d. F. bis zum Inkrafttreten des Zweiten Steueränderungsgesetzes 1971) ist keine Entnahme des dem Betrieb dienenden Grund und Bodens aus dem gewerblichen Betriebsvermögen.
2. Bei einem Strukturwandel der bezeichneten Art sind die im Buchansatz für den Grund und Boden enthaltenen stillen Reserven weder unter dem Gesichtspunkt einer Betriebsaufgabe noch aus einem anderen Grund aufzulösen. Die stillen Reserven sind erst bei einem späteren gewinnrealisierenden Vorgang der Besteuerung zuzuführen.
Normenkette
EStG 1961 § 4 Abs. 1, §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 4, § 16 Abs. 3
Tatbestand
A.
Der IV. Senat legte mit Beschluß vom 21. Februar 1973 IV R 128/71 (BFHE 108, 356, BStBl II 1973, 313) gemäß § 11 Abs. 3 FGO dem Großen Senat des BFH folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vor:
Enthält der Strukturwandel einer Gärtnerei vom Gewerbebetrieb mit Gewinnermittlung nach § 5 EStG zum landwirtschaftlichen Betrieb mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG (in der bis zum Inkrafttreten des 2. StÄndG 1971 geltenden Fassung) eine Entnahme des dem Betrieb dienenden Grund und Bodens aus dem gewerblichen Betriebsvermögen?
Sind bei Verneinung dieser Frage die stillen Reserven aus einem anderen Grunde (z. B. Betriebsaufgabe) aufzulösen?
B.
I. Der beim IV. Senat anhängigen Revision liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) und die Beigeladene betrieben 1961 in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Gesellschaft) eine Gärtnerei, einen Blumenhandel und eine Blumen- und Friedhofsgärtnerei auf der Grundlage selbsterzeugter Pflanzen. Die Gesellschaft war zum 1. Januar 1961 gegründet worden und führte das bisherige Einzelunternehmen des Klägers zu 1. fort. Die dem Betrieb der Gesellschaft dienenden Grundstücke waren Eigentum des Klägers zu 1. sowie der Beigeladenen und der Gesellschaft zur Nutzung überlassen.
Entsprechend der vom Beklagten und Revisionskläger (FA) für die Vorjahre vertretenen Auffassung erklärte die Gesellschaft für 1961 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb. Für 1962 wies die Gesellschaft einen Verlust aus dem Gärtnereibetrieb aus, den sie als Verlust aus Landwirtschaft ansah, weil sich 1962 durch den Ausbau der Blumen- und Friedhofsgärtnerei und durch Einschränkung der Landschaftsgärtnerei ein Strukturwandel vom gewerblichen zum landwirtschaftlichen Betrieb vollzogen habe.
Nach einer Betriebsprüfung kam das FA zu der Auffassung, daß der Betrieb der Gesellschaft ab 1962 insgesamt als landwirtschaftlicher Betrieb zu behandeln und wegen des Übergangs des Grund und Bodens von einem Gewerbebetrieb mit Gewinnermittlung nach § 5 EStG in einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG in der bis zum Inkrafttreten des 2. StÄndG 1971 geltenden Fassung (Einkommensteuergesetz a. F.) die stillen Reserven im Buchansatz für den Grund und Boden zum 31. Dezember 1961 aufzulösen und zu versteuern seien. Dementsprechend erging ein berichtigter Gewinnfeststellungsbescheid für 1961.
Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage statt. Es hielt eine Gewinnrealisierung nicht für gegeben, weil der Strukturwandel vom gewerblichen zum landwirtschaftlichen Betrieb keine Entnahme des Grund und Bodens enthalte. Dieser bleibe Betriebsvermögen und die bis zur Strukturänderung angewachsenen stillen Reserven seien erst bei einer späteren Entnahme oder Veräußerung zu versteuern. Die Klage sei auch deshalb begründet, weil die Strukturänderung noch nicht bis zum Jahresende 1961 abgeschlossen, sondern erst im Laufe des Jahres 1962 eingetreten sei.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung der §§ 4, 5 EStG. Es ist der Auffassung, beim Strukturwandel seien die im Buchansatz für den Grund und Boden enthaltenen stillen Reserven zu realisieren.
II. Der IV. Senat hält die Revision für begründet. Er ist der Ansicht, daß der Strukturwandel vom Gewerbebetrieb mit Gewinnermittlung nach § 5 EStG zum landwirtschaftlichen Betrieb mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG a. F. eine Entnahme des dem Gewerbebetrieb dienenden Grund und Bodens enthalte und deshalb im vorliegenden Falle eine bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb zum 31. Dezember 1961 zu erfassende Gewinnrealisierung angenommen werden müsse.
Der IV. Senat sieht sich an einer Entscheidung in diesem Sinne gehindert, weil der I. Senat im Urteil vom 10. Februar 1972 I R 205/66 (BFHE 105, 15, BStBl II 1972, 455) die gegenteilige Auffassung vertreten und einer Abweichung nicht zugestimmt habe.
Der IV. Senat führt für seine Ansicht an, daß der Entnahmebegriff des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG, wie ihn die Rechtsprechung des BFH bisher verstanden habe, dazu zwinge, auch beim Strukturwandel eines Gewerbebetriebs zum landwirtschaftlichen Betrieb eine Entnahme des Grund und Bodens anzunehmen, der beim Betriebsvermögensvergleich für den landwirtschaftlichen Betrieb nach § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG a. F. außer Ansatz bleibe und für den deshalb eine Versteuerung der im Buchansatz liegenden stillen Reserven nicht mehr gewährleistet sei. Die Entnahmehandlung -- wenn eine solche für erforderlich gehalten werde -- sei in den unternehmerischen Handlungen zu sehen, aus denen der Strukturwandel folge. Daß der Strukturwandel eine Entnahme des Grund und Bodens enthalte, lasse sich angesichts der Vieldeutigkeit der Ausdrücke "Betrieb" und "betriebsfremd" und bei den danach möglichen Betriebsbegriffen auch mit dem möglichen Wortsinn des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG vereinbaren.
Der IV. Senat meint, daß seine Auffassung, die sich auch im umgekehrten Fall des Strukturwandels vom landwirtschaftlichen zum gewerblichen Betrieb für den Steuerpflichtigen günstig auswirke, den rechtssystematischen Grundlagen des Einkommensteuerrechts entspreche. Er ist außerdem der Meinung, daß die im Schrifttum überwiegend für möglich gehaltene restriktive Interpretation des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG a. F. -- nach der derjenige Teil des Grund und Bodens, der bisher gewerbliches Betriebsvermögen gewesen sei, nicht aus dem Betriebsvermögensvergleich ausscheide, mit der Folge, daß die im Rahmen des Gewerbebetriebs entstandenen stillen Reserven bei einer späteren Entnahme oder Veräußerung erfaßt würden -- sich in diese rechtssystematischen Grundlagen noch eher einfügen ließen als die Auffassung im Urteil I R 205/66, nach der die stillen Reserven endgültig der Besteuerung entgingen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die a. a. O. veröffentlichten Gründe des Anrufungsbeschlusses IV R 128/71 Bezug genommen.
III. Der BdF, der dem Revisionsverfahren nach § 122 Abs. 2 FGO beigetreten ist, hat sich dahin geäußert, daß es im Falle des Strukturwandels eines gewerblichen Betriebs mit Gewinnermittlung nach § 5 EStG zu einem landwirtschaftlichen Betrieb mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG a. F. vom Sinn und Zweck der Vorschriften über die Entnahme her nicht zwingend geboten sei, im Strukturwandel eine Entnahme des Grund und Bodens zu sehen; denn eine spätere Versteuerung der stillen Reserven, die im Zeitpunkt des Strukturwandels beim Grund und Boden vorhanden sind, sei dadurch sichergestellt, daß bei einer späteren Veräußerung oder Entnahme der Grundstücke die in der Zeit der Zugehörigkeit des Grund und Bodens zum gewerblichen Betriebsvermögen angewachsenen stillen Reserven von dem Ansatzverbot des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG a. F. nicht erfaßt würden. Für diese Ansicht spreche folgendes:
Der Grundgedanke des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG a. F., daß der Grund und Boden beim Land- und Forstwirt nicht als Handelsobjekt zur Gewinnerzielung eingesetzt werde, lasse die Auslegung zu, daß das "Außer-Ansatz-Bleiben" sich nur auf solche Wertschwankungen beziehe, die während der Dauer der Zugehörigkeit zu einem landwirtschaftlichen Betrieb zu verzeichnen seien. Trete diese Zugehörigkeit erst durch einen Strukturwandel ein, dann sei es folgerichtig, Gewinne aus einer späteren Veräußerung oder Entnahme nur soweit außer Ansatz zu lassen, als sie auf erst nach dem Strukturwandel entstandenen Wertsteigerungen beruhen. Den Teil der stillen Reserven, die während des Bestehens eines Betriebs mit gewerblichem Charakter entstanden seien, zu versteuern, verstoße auch nicht gegen das System der steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften, weil der von einem Land- und Forstwirt betrieblich genutzte Grund und Boden zum Betriebsvermögen gehöre und als solches in der Bilanz auszuweisen sei.
Diese Auslegung sei mit dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG a. F. vereinbar. Die Vorschrift treffe den Regelfall, daß der Betrieb während seiner ganzen Dauer den Charakter als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb behalte und besage nichts für den seltenen Fall der Änderung des Charakters bei gleichzeitigem Fortbestand des betrieblichen Organismus.
Bei dieser Interpretation werde die nach der Auffassung des IV. Senats des BFH unvermeidbare Rechtsfolge ausgeschlossen, daß der Steuerpflichtige stille Reserven in einem Zeitpunkt versteuern müsse, in dem Grund und Boden weder veräußert noch in das Privatvermögen überführt werde.Eine spätere Versteuerung könne unter Berücksichtigung der durch das 2. StÄndG 1971 eingetretenen Rechtsänderung dadurch sichergestellt werden, daß der nach § 55 EStG zu ermittelnde Wert, der als Anschaffungs- und Herstellungskosten des Grund und Bodens zum 1. Juli 1970 gilt, um die Höhe der im gewerblichen Bereich entstandenen stillen Reserven gekürzt werde. Vom Zweck dieser Vorschrift her, den zutreffenden Ausgangsbetrag für die Ermittlung späterer Veräußerungsoder Entnahmegewinne festzulegen, sei es unbedenklich, den Ausgangsbetrag um die im gewerblichen Bereich entstandenen stillen Reserven zu verringern. Möglichen Schwierigkeiten in besonderen Fällen -- bei höheren stillen Reserven als den nach § 55 EStG anzusetzenden Ausgangsbetrag oder niedrigerem Teilwert in späteren Jahren -- könne durch einen besonderen Ausweis des Wertes nach § 55 EStG in der Bilanz oder in dem nach § 4 Abs. 3 Satz 5 EStG zu führenden Verzeichnis begegnet werden.Für den Fall, daß dieser Auffassung nicht gefolgt werden könnte, neige er -- der BdF -- dazu, im Strukturwandel eine Entnahme des zum bisherigen gewerblichen Betriebsvermögen gehörenden Grund und Bodens zu sehen.IV. Die Kläger und die Beigeladene sind der Ansicht, daß ein Strukturwandel -- insbesondere beim Fehlen einer bewußten Entnahmehandlung -- nicht als Entnahme des dem gewerblichen Betrieb dienenden Grund und Bodens angesehen werden könne. Bejahe man dennoch eine Entnahme, müsse die Möglichkeit einer späteren Versteuerung der stillen Reserven eröffnet werden. Eine Betriebsaufgabe liege beim Strukturwandel nicht vor.
Entscheidungsgründe
C.Entscheidung des Großen SenatsI. Zulässigkeit des auf § 11 Abs. 3 FGO gestützten Anrufungsbeschlusses.1. Der Große Senat sieht in der vom IV. Senat beabsichtigten Entscheidung der vorgelegten Rechtsfragen eine Abweichung von der Entscheidung des I. Senats I R 205/66.a) Im Urteil I R 205/66, das den Strukturwandel eines Weinbau- und Weinhandelsbetriebs vom gewerblichen zum landwirtschaftlichen Betrieb bei gleichzeitigem Übergang von der Gewinnermittlung nach § 5 EStG zu der nach § 4 Abs. 1 EStG a. F. betraf, wurde entschieden, daß dieser Vorgang nicht zu einer Realisierung der im Buchansatz für den Grund und Boden enthaltenen stillen Reserven führe. Dazu wurde ausgeführt, daß in einem solchen Falle weder eine Betriebsaufgabe noch eine Entnahme des Grund und Bodens vorliege und die Vorschriften darüber auch nicht entsprechend angewendet werden könnten. Verneint wurden ferner die Möglichkeiten, unter Annahme einer Art Entnahme die Aufdekkung der stillen Reserven auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben oder die im gewerblichen Bereich entstandenen stillen Reserven bei einer späteren Gewinnverwirklichung im landwirtschaftlichen Bereich zu versteuern.b) Wenn der IV. Senat in dem von ihm zu entscheidenden Fall der Auffassung ist, der Strukturwandel mit den Folgen des Wechsels der Einkunftsart sowie der Gewinnermittlungsart zwinge dazu, die stillen Reserven im Buchansatz für den Grund und Boden in dem Jahr, für das letztmalig Einkünfte aus Gewerbebetrieb anfallen, zu realisieren, dann besteht eine Divergenz zu der Entscheidung I R 205/66 nicht nur insoweit, als dort eine Realisierung zum Zeitpunkt des Strukturwandels verneint wurde, sondern auch insofern als die Möglichkeit einer späteren steuerlichen Erfassung abgelehnt wurde. Die Frage nach der Realisierung von stillen Reserven im Zeitpunkt des Strukturwandels kann aber nicht unter Außerachtlassen der Möglichkeit einer Realisierung zu einem späteren Zeitpunkt beurteilt werden. Zwischen den Ansichten des I. und des IV. Senats besteht deshalb ein grundsätzlicher Unterschied.2. Die vorgelegten Rechtsfragen sind für den IV. Senat auch von sachentscheidender Bedeutung.a) Der IV. Senat geht in dem von ihm zu entscheidenden Fall davon aus, daß der Strukturwandel sich mit der Jahreswende 1961/62 vollzogen habe. Wird ein solcher Sachverhalt zugrunde gelegt, dann kommt es darauf an, ob die stillen Reserven zum Ablauf des Jahres 1961, für das die streitige Gewinnfeststellung vorgenommen wurde, zu realisieren sind. Ob der vorlegende Senat den Strukturwandel zeitlich richtig eingeordnet hat, ist vom Großen Senat nicht zu prüfen. Es ist allein Sache des erkennenden Senats, darüber zu befinden, ob der der Rechtsfrage zugrunde liegende Sachverhalt von der Vorinstanz richtig gewürdigt worden ist.b) Die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfragen wird nicht davon berührt, daß § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG a. F., nach dem bei der Gewinnermittlung der Wert des zum Anlagevermögen gehörenden Grund und Bodens außer Ansatz bleibt, inzwischen durch das 2. StÄndG 1971 gestrichen worden ist. Dem IV. Senat -- ebenso dem I. Senat in der Entscheidung I R 205/66 -- ist darin zuzustimmen, daß die Frage nach der Realisierung der im Buchansatz für den Grund und Boden enthaltenen stillen Reserven eines gewerblichen Betriebs bei dessen Wandlung zum landwirtschaftlichen Betrieb weiterhin bedeutsam geblieben ist, weil § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG a. F. für vor dem 1. Juli 1970 endende Wirtschaftsjahre weiter anzuwenden ist (§ 52 Abs. 5 Satz 1 EStG i. d. F. des Art. 1 Nr. 11 2. StÄndG 1971) und weil nach § 55 EStG i. d. F. des 2. StÄndG 1971 Ausgangsbetrag für den ab 1. Juli 1970 auch bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben in den Betriebsvermögensvergleich einzubeziehenden Grund und Boden der nach Maßgabe dieser Vorschrift zu ermittelnde Teilwert ist.II. Entscheidung der vorgelegten Rechtsfragen1. Der Strukturwandel einer Gärtnerei vom Gewerbebetrieb mit Gewinnermittlung nach § 5 EStG zum landwirtschaftlichen Betrieb mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG a. F. enthält keine Entnahme des dem Betrieb dienenden Grund- und Bodens aus dem gewerblichen Betriebsvermögen.a) Eine Entnahme i. S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG ist nach der Rechtsprechung des BFH gegeben, wenn ein Wirtschaftsgut aus dem betrieblichen Bereich in den privaten Bereich übergeht oder wenn es innerhalb des betrieblichen Bereichs von einem Betrieb oder Betriebsteil in einen anderen übergeht und dabei eine spätere steuerliche Erfassung der im Buchansatz für dieses Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven nicht gewährleistet ist (vgl. z. B. Urteile vom 12. Dezember 1951 I 115/51 U, BFHE 56, 197, BStBl III 1952, 79; vom 30. September 1960 VI 137/59 U, BFHE 71, 643, BStBl III 1960, 489; vom 7. Februar 1964 VI 19/63 U, BFHE 79, 264, BStBl III 1964, 328; vom 16. März 1967 IV 72/65, BFHE 88, 129, BStBl III 1967, 318; vom 14. April 1967 VI 9/65, BFHE 88, 331, BStBl III 1967, 391; vom 22. Mai 1969 IV 31/65, BFHE 96, 176, BStBl II 1969, 584; vom 22. Mai 1969 IV 27/65, BFHE 96, 180, BStBl II 1969, 586; vom 16. Juli 1969 I 266/65, BFHE 97, 342, BStBl II 1970, 175; vom 30. Mai 1972 VIII R 111/69, BFHE 106, 198, BStBl II 1972, 760; vom 17. August 1972 IV R 26/69, BFHE 107, 27, BStBl II 1972, 903).b) Nach dieser der Auffassung aller Ertragsteuersenate des BFH entsprechenden Auslegung der Entnahmevorschrift ist eine Entnahme zu verneinen, wenn ein Wirtschaftsgut den Betrieb zwar verläßt, die steuerliche Erfassung von stillen Reserven jedoch sichergestellt ist. Diese Auslegung wird auch vom Großen Senat für zutreffend erachtet; sie ist mit dem möglichen Wortsinn der Vorschrift vereinbar und entspricht deren Zweck.Der Wortsinn des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG läßt es -- worauf bereits in dem Urteil IV 72/65 und in dem Vorlagebeschluß IV R 128/71 hingewiesen wurde -- angesichts der Mehrdeutigkeit des in der Vorschrift verwendeten Ausdrucks "Betrieb" zu, unter "Betrieb" je nach dem Zusammenhang das gesamte betriebliche Vermögen oder nur die jeweilige wirtschaftliche Einheit eines betrieblichen Organismus zu sehen. Bei der entsprechenden Mehrdeutigkeit des Ausdrucks "für betriebsfremde Zwecke" ist es demzufolge ebenso gerechtfertigt, das Wort "betriebsfremd" auf das gesamte betriebliche Vermögen oder nur auf die jeweilige wirtschaftliche Einheit zu beziehen.Zweck der Entnahmevorschrift ist es vor allem, die steuerliche Erfassung der stillen Reserven zu gewährleisten. Das ergibt sich aus ihrer systematischen Stellung, der bei der Erforschung des Gesetzeszwecks um so größere Bedeutung zukommt, wenn sie nicht nur dem Ordnungsbedürfnis und dem Zwang zur Einhaltung einer gewissen Stoffgliederung dient, sondern zugleich Ausdruck einer sachlichen Entscheidung des Gesetzgebers oder eines durch die Sache gegebenen Sinnzusammenhangs ist (vgl. BFH-Urteil vom 14. Mai 1974 VIII R 95/72, BFHE 112, 546 [553], BStBl II 1974, 572 [576] mit Nachweisen). Das System des Einkommensteuergesetzes, wie es sich aus dem Sinnzusammenhang der Vorschriften über die Gewinnermittlung einschließlich der Bestimmungen über den Ansatz und die Bewertung von Wirtschaftsgütern und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung (§§ 4 bis 7e EStG) darstellt, gestattet oder erzwingt auf der einen Seite die Bildung von stillen Reserven im Betriebsvermögen. Dieser Grundsatz findet auf der anderen Seite seine Ergänzung in Regelungen, die die spätere Aufdeckung und Erfassung der stillen Reserven gewährleisten, so z. B. für die Entnahme in § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Beide Grundsätze müssen in dem Sinne als Teile einer einheitlichen Regelung angesehen werden, daß der eine nicht ohne die Ergänzung durch den anderen systematisch vertretbar erscheint.c) Voraussetzung einer Entnahme ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH, daß eine Entnahmehandlung vorliegt; dazu reicht ein schlüssiges Verhalten des Steuerpflichtigen aus, durch das die Verknüpfung des Wirtschaftsguts mit dem Betriebsvermögen gelöst wird (vgl. z. B. die Urteile vom 7. Oktober 1965 IV 346/61 U, BFHE 83, 462, BStBl III 1965, 666; vom 21. November 1973 I R 252/71, BFHE 111, 83, BStBl II 1974, 314; vom 11. Dezember 1973 VIII R 15/70, BFHE 111, 404, BStBl II 1974, 315; vom 12. November 1964 IV 99/63 S, BFHE 81, 128, BStBl III 1965, 46). In besonders gelagerten Fällen kann auch ein Rechtsvorgang genügen, der das Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen ausscheiden läßt, wie etwa in dem Fall, daß ein bislang zum Betriebsvermögen gehörendes Wirtschaftsgut durch einen Todes (Erb-) fall notwendiges Privatvermögen wird (vgl. auch den ähnlich gelagerten Fall des BFH-Urteils vom 13. Juli 1967 IV R 174/66, BFHE 89, 566, BStBl III 1967, 751).d) Diese Grundsätze rechtfertigen es nicht, im Falle des Strukturwandels eine Entnahme des Grund und Bodens zu bejahen.Beim Strukturwandel ist ein auf die Herauslösung des Grund und Bodens aus dem Betriebsvermögen gerichtetes Handeln des Steuerpflichtigen nicht erkennbar. Das gilt auch hinsichtlich der unternehmerischen Handlungen, die die Strukturveränderung nach sich ziehen. Denn das auf die Strukturveränderung gerichtete Handeln stellt sich als ein Bündel von Einzelmaßnahmen dar, deren erste vor und deren letzte nach der Wandlung des Betriebs liegen können und bei dem weder die Gesamtheit der Maßnahmen noch eine mit Sicherheit festzustellende Einzelmaßnahme auf eine Herausnahme des Grund und Bodens aus dem Betrieb gerichtet ist.Ebensowenig ist der Strukturwandel ein Rechtsvorgang, der den Grund und Boden aus dem Betriebsvermögen ausscheiden läßt. Es handelt sich um ein tatsächliches Geschehen, bei dem der Grund und Boden nach wie vor notwendiges Betriebsvermögen bleibt.2. Der Strukturwandel einer Gärtnerei vom Gewerbebetrieb mit Gewinnermittlung nach § 5 EStG zum landwirtschaftlichen Betrieb mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG a. F. führt auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Betriebsaufgabe zur Realisierung der im Buchansatz für den Grund und Boden enthaltenen stillen Reserven.a) Die Rechtsprechung des BFH hat unter dem im Gesetz nicht näher bestimmten Begriff der Betriebsaufgabe i. S. des § 16 Abs. 3 EStG zunächst ein Ereignis verstanden, bei dem nach dem Entschluß des Steuerpflichtigen, den Betrieb aufzugeben, in einem einheitlichen Vorgang innerhalb kurzer Zeit die wesentlichen Grundlagen des Betriebs an verschiedene Arbeitnehmer veräußert oder ganz oder teilweise in das Privatvermögen überführt werden (vgl. Urteile vom 16. September 1966 VI 118, 119/65, BFHE 87, 134, BStBl III 1967, 70; vom 25. Juni 1970 IV 350/64, BFHE 99, 479, BStBl II 1970, 719, beide mit Nachweisen). Dabei ging der BFH von der Vorstellung aus, daß bei der Betriebsaufgabe -- im Gegensatz zur Betriebsveräußerung, bei der die wesentlichen Grundlagen eines Betriebs an einen einzigen Erwerber veräußert werden, und anders als bei der Betriebsverlegung, bei der der Betrieb mit seinen wesentlichen Grundlagen an anderer Stelle fortgeführt wird -- der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört (vgl. Urteil vom 23. Februar 1961 IV 351/59, StRK, Einkommensteuergesetz, § 16, Rechtsspruch 21, unter Bezugnahme auf das Urteil des RFH vom 20. März 1930 VI A 69/30, RStBl 1930, 481).In der neueren Rechtsprechung des BFH ist diese Begriffsbestimmung ausgeweitet worden. In den BFH-Urteilen IV 72/65 und VI 9/65 ist die Ausgliederung eines landwirtschaftlichen Teilbetriebs aus dem gewerblichen Betrieb einer Personengesellschaft auf Grund gesellschaftlicher Gestaltung oder einer Schenkung, in dem Urteil vom 28. April 1971 I R 55/66 (BFHE 102, 374, BStBl II 1971, 630) ist die Verlegung eines Gewerbebetriebs aus dem Inland in ein Land, dem nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung das Besteuerungsrecht für den verlegten Betrieb zusteht, als Betriebsaufgabe i. S. von § 16 Abs. 3 EStG angesehen worden. Eine Betriebsaufgabe ist hiernach auch dann gegeben, wenn der Betrieb als wirtschaftlicher Organismus zwar bestehenbleibt, aber durch eine Handlung bzw. einen Rechtsvorgang in seiner ertragsteuerlichen Einordnung so verändert wird, daß die Erfassung der stillen Reserven nicht gewährleistet ist. Es kann demnach eine Betriebsaufgabe auch dann gegeben sein, wenn der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens -- wenngleich nicht mehr in der bisherigen Form -- bestehenbleibt.b) Auch bei dieser Auslegung des § 16 Abs. 3 EStG, die den Zweck der Vorschrift -- ebenso wie bei § 16 Abs. 1 EStG -- nicht nur darin sieht, eine Grenze zwischen dem laufenden Gewinn und dem Aufgabe- oder Veräußerungsgewinn zu ziehen und die Tarifbegünstigung des § 34 EStG zu ermöglichen (vgl. BFH-Urteile VI 118, 119/65; IV 350/64; vom 19. Mai 1971 I R 46/70, BFHE 102, 380, BStBl II 1971, 688, alle mit Nachweisen), sondern auch die Versteuerung der stillen Reserven sicherzustellen (vgl. BFH-Urteile I R 55/66 und I R 205/66), ist für die Annahme einer Betriebsaufgabe notwendig, daß die Wirtschaftsgüter, die die wesentliche Betriebsgrundlage darstellen, aus dem Betrieb ausscheiden. Da die Betriebsaufgabe somit einen Entnahmevorgang eigener Art darstellt (Totalentnahme) müssen hinsichtlich des Ausscheidens der Wirtschaftsgüter aus dem Betrieb die gleichen Voraussetzungen gegeben sein wie bei einer Entnahme. Danach ist für den hier zu beurteilenden Sachverhalt des Strukturwandels eines gewerblichen Betriebs zu einem landwirtschaftlichen Betrieb bei gleichzeitigem Wechsel der Gewinnermittlungsart eine Betriebsaufgabe zu verneinen, weil durch den Strukturwandel die Verknüpfung von Wirtschaftsgütern -- insbesondere die Verbindung des dem Betrieb dienenden Grund und Bodens -- mit dem Betrieb nicht gelöst wird. Das folgt aus denselben Überlegungen, die zur Ablehnung einer Entnahme geführt haben (vgl. oben zu B. II. Nr. 1 d).3. Beim Strukturwandel einer Gärtnerei vom Gewerbebetrieb mit Gewinnermittlung nach § 5 EStG zum landwirtschaftlichen Betrieb mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG a. F. sind die im Buchansatz für den Grund und Boden enthaltenen stillen Reserven auch nicht aus einem anderen Grund aufzulösen.a) Der Große Senat tritt der vom BdF in dessen Stellungnahme dargelegten und von diesem in der mündlichen Verhandlung erläuterten Rechtsauffassung bei, nach der § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG a. F. dahin auszulegen ist, daß die Vorschrift sich nicht auf den Teil der stillen Reserven bezieht, der beim Grund und Boden während seiner Zugehörigkeit zu einem Betrieb mit Gewinnermittlung nach § 5 EStG entstanden ist. Der Wortsinn des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG a. F. gestattet, der Zweck der Vorschrift gebietet diese Auslegung.Zweck des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG a. F. war es, im Bereich der Land- und Forstwirtschaft, in dem nach überkommener Anschauung der Grund und Boden nicht als Handelsobjekt zur Gewinnerzielung eingesetzt wurde, Wertschwankungen des Grundbesitzes bei der Gewinnermittlung auszuschalten (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 3. August 1967 IV 47/65, BFHE 89, 264, BStBl III 1967, 601). Diesem Grundgedanken der Vorschrift entspricht es, Wertschwankungen nur insoweit unberücksichtigt zu lassen, als sie während der Dauer der Zugehörigkeit des Grund und Bodens zu einem landwirtschaftlichen Betrieb eingetreten sind. Es ist deshalb folgerichtig, in den Fällen, in denen der Grund und Boden zunächst in einem Bereich mit einer die Wertveränderungen erfassenden Gewinnermittlungsart und danach in einem Bereich mit einer die Wertschwankungen des Grund und Bodens außer Ansatz lassenden Gewinnermittlungsart eingesetzt wird, der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG a. F. erst vom Zeitpunkt des Übergangs des Grund und Bodens von dem einen in den anderen Bereich an Geltung zu verschaffen.b) Die Folge dieser Rechtsauffassung über die Tragweite des § 4 Abs. 5 EStG a. F. ist, daß beim Strukturwandel eines gewerblichen Betriebs mit Gewinnermittlung nach § 5 EStG zum landwirtschaftlichen Betrieb mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG a. F. die im Buchansatz für den Grund und Boden enthaltenen, im Gewerbebetrieb entstandenen stillen Reserven nicht schon im Zeitpunkt des mit dem Wechsel der Gewinnermittlungsart verbundenen Strukturwandels, sondern erst bei einem späteren gewinnrealisierenden Vorgang wie Veräußerung, Entnahme oder Betriebsaufgabe der Besteuerung zuzuführen sind.Bedenken gegen diese Lösung unter dem Gesichtspunkt, daß dabei möglicherweise stille Reserven aus der gewerblichen Betriebszeit der Besteuerung entgehen könnten, hält der Große Senat angesichts der dazu vom BdF in dessen Stellungnahme gemachten Ausführungen für nicht durchgreifend. Durch Maßnahmen, die sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für die Finanzverwaltung zumutbar sind, ist es möglich, in rechtlich unbedenklicher Weise die bis zum Strukturwandel und zum Wechsel der Gewinnermittlungsart eingetretene Wertänderung beim Grund und Boden auf diesen Zeitpunkt festzulegen und bis zu einem späteren, einen Gewinnrealisierungstatbestand erfüllenden Vorgang festzuhalten.III. Nach alldem entscheidet der Große Senat die vorgelegten Rechtsfragen wie folgt:1. Der Strukturwandel einer Gärtnerei vom Gewerbebetrieb mit Gewinnermittlung nach § 5 EStG zum landwirtschaftlichen Betrieb mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG a. F. ist keine Entnahme des dem Betrieb dienenden Grund und Bodens aus dem gewerblichen Betriebsvermögen.2. Bei einem Strukturwandel der bezeichneten Art sind die im Buchansatz für den Grund und Boden enthaltenen stillen Reserven weder unter dem Gesichtspunkt einer Betriebsaufgabe noch aus einem anderen Grunde aufzulösen.
Fundstellen
Haufe-Index 71074 |
BStBl II 1975, 168 |
BFHE 114, 189 |
BFHE 1975, 189 |