Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung nur bei "klärbarer Rechtsfrage"
Leitsatz (NV)
In einem Revisionsverfahren über die Rechtmäßigkeit einer Kapitalertragsteueranmeldung ist eine Rechtsfrage zur Steuerpflicht der vom Kapitalertragsteuerabzug betroffenen Einnahme nicht (abschließend) klärbar.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 44 Abs. 5
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Urteil vom 12.03.2008; Aktenzeichen 7 K 1102/06 KE) |
Tatbestand
I. Streitig ist die Einbehaltung und Abführung von Kapitalertragsteuer für ein Wertpapiergeschäft.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erwarb am 9. August 2004 ein Wertpapier (Aktienanleihe …, nominal 5 000 €; Festverzinsung 14 % p.a.; Andienungsrecht für zwei verschiedene Aktien bestimmter Menge am Fälligkeitstag anstelle des Nominalbetrags ["Reverse Convertible"]) zu einem Kurs von 77,4 % (= 3 870 €) als Zweiterwerber (bisherige Laufzeit 211 Tage [Stückzinsen: 403,80 €], Restlaufzeit 528 Tage). Die Verwahrung erfolgte im Wertpapierdepot des Klägers bei der Beigeladenen, einer Bank. Der Emittent des Wertpapiers nutzte die vertragliche Option, die Rückzahlung am Fälligkeitstag (24. Juni 2005) durch 50 Aktien der Allianz AG auszugleichen (Kurs: 95,30 €/Stück [= 4 765 €]). Die Beigeladene hielt --unabhängig von der nicht streitbefangenen Besteuerung der angefallenen Zinsen-- von der Differenz zwischen Anschaffungspreis und Auszahlungsbetrag (895 €) 30 % Zinsabschlagsteuer (268,50 €) und den darauf entfallenden Solidaritätszuschlag (14,76 €) ein. Am 7. Juli 2005 reichte sie eine entsprechende Kapitalertragsteueranmeldung für Juni 2005 beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) ein. Die Klage blieb erfolglos (Finanzgericht --FG-- Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2008 7 K 1102/06 KE).
Der Kläger macht mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei. Die Veranlagung des Klägers zur Einkommensteuer 2005 sei zwar schon erfolgt; infolge eines Änderungsantrages sei aber noch keine Bestandkraft eingetreten, so dass die Entscheidung in einem Revisionsverfahren zur Steueranmeldung noch bei der Steuerfestsetzung des Klägers berücksichtigt werden könnte. Hilfsweise wird beantragt, zur Fortsetzungsfeststellungsklage überzugehen.
Das FA hat auf eine Stellungnahme verzichtet, ebenso die Beigeladene.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde wird als unzulässig verworfen. Die Darlegungsvoraussetzungen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) für die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht erfüllt.
1. Soweit der Kläger geltend macht, die Zulassungsvoraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO seien mit Blick auf die fehlende Einbeziehung der bei der Beigeladenen vom Kläger zu zahlenden Anschaffungsnebenkosten (28,75 €) zur Ermittlung der sogenannten Marktrendite erfüllt, fehlt es schon an einer Klärungsfähigkeit in einem Revisionsverfahren. Denn das FG hat den Umstand, dass Anschaffungsnebenkosten angefallen seien, nicht festgestellt. Die Berücksichtigung eines neuen Sachvortrags im Revisionsverfahren ist aber ausgeschlossen (s. auch § 118 Abs. 2 FGO).
2. Soweit der Kläger geltend macht, eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Ermittlung der Kapitaleinkünfte bei einer Aktienanleihe sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO), fehlt es an der Darlegung entscheidungserheblicher divergierender Rechtssätze anderer Gerichtsentscheidungen.
3. Der Kläger macht geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, da zu klären sei, "ob Aktienanleihen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4c EStG erfüllen, d.h. ob vor dem Hintergrund der Ausführungen des BFH zu anderen modernen Finanzierungsformen und der aufgrund dieser Rechtsprechungen des BFH geänderten Auffassung der Finanzverwaltung auch bei Aktienanleihen eine Trennung zwischen der Kapitalnutzungsebene und der Kapitalvermögensebene möglich ist, eine Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4c EStG aufgrund fehlender Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen folglich nicht in Betracht kommt und die Entscheidung des FG somit aufzuheben ist"; insoweit diene eine Entscheidung des BFH auch der Fortbildung des Rechts. Dieser Punkt wäre in einem nachfolgenden Revisionsverfahren über die Rechtmäßigkeit der Kapitalertragsteueranmeldung nicht klärungsfähig. Denn in diesem Verfahren wird keine abschließende Entscheidung zur Steuerpflicht der vom Kapitalertragsteuerabzug betroffenen Einnahmen des Klägers getroffen; diese erfolgt erst im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Klägers. Es besteht damit --wie der Senat für die insoweit vergleichbare Rechtslage zur Steueranmeldung des § 73e der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in der damaligen Fassung zum Steuerabzug gemäß § 50a des Einkommensteuergesetzes (EStG) entschieden hat (Senatsbeschluss vom 7. November 2007 I R 19/04, BFHE 219, 300, BStBl II 2008, 228, m.w.N.)-- nur die Möglichkeit, die Berechtigung des Zahlungsschuldners zum Einbehalt der Kapitalertragsteuer zur Überprüfung zu stellen. Eine solche Berechtigung besteht allerdings, um eine Haftungsinanspruchnahme des Zahlungsschuldners zu vermeiden, auch dann, wenn die Rechtslage nicht eindeutig geklärt ist (s. parallel auch § 73e Satz 5 EStDV; der Senat verweist insoweit auf das --auch vom Kläger erörterte-- rechtskräftige Urteil des Niedersächsischen FG vom 17. Januar 2008 10 K 391/02, Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1041, m.w.N.).
Dazu hat der Kläger nichts vorgetragen. Vielmehr bestand im Zeitpunkt der Fälligkeit der Aktienanleihe auch mit Blick auf die vom Kläger beschriebene Anweisungslage der Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 2. März 2001, BStBl I 2001, 206) für die Beigeladene die Möglichkeit, die Aktienanleihe von einem gewöhnlichen festverzinslichen Wertpapier zu unterscheiden (davon abweichende Renditestruktur einer sogenannten Hochzinsanleihe) und eine Steuerpflicht auf der Grundlage des § 20 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. c EStG anzunehmen; eine davon eventuell abweichende Anweisung der Oberfinanzdirektion Rheinland vom 21. Januar 2008 (ohne Aktenzeichen, in dem vom Kläger vorgelegten Ausdruck bezeichnet als HaufeIndex 1949809) kann die Frage der Einbehaltung einer Abzugssteuer bei einer Fälligkeit in 2005 nicht beeinflussen. In dieser Situation war die Beigeladene dann aber auch gehalten, eine Kapitalertragsteuer einzubehalten (s. zum Vorwurf schuldhaften Verhaltens i.S. von § 44 Abs. 5 Satz 1 letzter Halbsatz EStG, wenn der grundsätzlich abführungsverpflichtete Schuldner wegen bestehender Ungewissheiten über die Rechtslage auf Anteilseignerebene von der ordnungsgemäßen Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer absieht: Senatsurteil vom 20. August 2008 I R 29/07, BFHE 222, 500).
4. Bei dieser Sachlage muss nicht darüber entschieden werden, ob für das Anfechtungsbegehren des Klägers durch seine Veranlagung zur Einkommensteuer eine Erledigung der Hauptsache eingetreten und ob im weiteren Verlauf eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens (nach dem Ablauf der Begründungsfrist - s. dazu BFH-Beschluss vom 9. August 2001 VII B 34/01, BFH/NV 2001, 1604) ein Übergang zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag überhaupt möglich ist.
Fundstellen