Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur zulassungsfreien Revision
Leitsatz (NV)
Ein Fall fehlender Vertretung i.S.d. § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO liegt nicht vor, wenn das FG den Antrag des ordnungsgemäß geladenen Beteiligten auf Terminverlegung ablehnt, selbst dann, wenn der Beteiligte aus tatsächlichen Gründen den Termin nicht wahrnehmen kann, und ohne Rücksicht darauf, ob die Verhinderung verschuldet war oder nicht.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war selbständiger Steuerbevollmächtigter. Er hatte sich an verschiedenen Abschreibungsgesellschaften beteiligt. Die von den zuständigen Betriebsfinanzämtern zunächst festgestellten Verluste aus diesen Beteiligungen wurden in den endgültigen Feststellungsbescheiden nicht mehr anerkannt. Hierauf beruhen die rückständigen Steuern und steuerlichen Nebenleistungen, deren Erlaß der Kläger zum überwiegenden Teil ohne Erfolg begehrte.
Gegen die ablehnenden Verwaltungsentscheidungen erhob der Kläger Klage und beantragte gleichzeitig, ihm Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren.
Der Vorsitzende des Finanzgerichts (FG) ordnete am 22. November 1990 mündliche Verhandlung auf den 27. Februar 1991 an. Die Ladung wurde dem Kläger am 28. November 1990 zugestellt. Mit Schreiben vom 31. Januar 1991 beantragte der Kläger, den Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben. Er wies darauf hin, über seinen Antrag auf PKH sei noch nicht entschieden, obwohl er alle Voraussetzungen dafür erfüllt habe. Er wolle, weil er zu 70 v.H. erwerbsunfähig sei, einen Kollegen mit seiner Vertretung beauftragen. Der Vorsitzende des FG lehnte die Terminsaufhebung mit der Begründung ab, die Entscheidung über den Antrag könne mit der Entscheidung über die Hauptsache verbunden werden. Im finanzgerichtlichen Verfahren bestehe kein Vertretungszwang und der Kläger habe nicht die Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten beantragt.
Auf dieses Schreiben teilte der Kläger dem FG mit, sein Kollege, der jetzige Prozeßbevollmächtigte, sei bereit, sich beiordnen zu lassen, könne den Termin allerdings nicht wahrnehmen, weil er sich nicht mehr einarbeiten könne. Er selbst könne wegen seines Gesundheitszustandes am Verhandlungstermin nicht teilnehmen; anläßlich einer amtsärztlichen Untersuchung in seiner Sozialhilfesache seien ... festgestellt worden.
Die Klage wurde aufgrund der mündlichen Verhandlung am 27. Februar 1991, zu der weder der Kläger noch für ihn ein Prozeßbevollmächtigter erschienen war, abgewiesen. Das FG hat die Revision nicht zugelassen.
Mit der vorliegenden Revision rügt der Kläger Verletzung formellen Rechts.
Das FG habe den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt und deshalb zu Unrecht seine Erlaßwürdigkeit verneint. Ihm sei kein rechtliches Gehör gewährt worden, weil das FG seinem Antrag auf Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung nicht stattgegeben habe. Er habe mit seinem Antrag auf PKH und dem Hinweis, er könne sich wegen seines schlechten Gesundheitszustandes nicht selbst vertreten, deutlich gemacht, daß er einen Prozeßbevollmächtigten benötige. Der vom Kläger benannte Prozeßbevollmächtigte habe sich in der kurzen Zeit nicht auf den Termin vorbereiten können. Er habe sich nicht rechtzeitig selbst um einen Prozeßbevollmächtigten bemühen können, weil über seinen Antrag auf PKH erst in der mündlichen Verhandlung entschieden worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist gemäß §§ 124, 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluß zu verwerfen, weil sie unzulässig ist.
Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) findet abweichend von § 115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Das FG hat die Revision nicht zugelassen; Nichtzulassungsbeschwerde hat der Kläger nicht eingelegt.
Entgegen der Auffassung des Klägers liegen die Voraussetzungen für eine zulassungsfreie Revision gemäß § 116 FGO nicht vor.
Die Rüge, das FG habe seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhaltes (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt, gehört nicht zu den in § 116 FGO aufgeführten Verfahrensfehlern und kann deshalb die zulassungsfreie Revision nicht begründen.
Ein Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO, der nicht ausdrücklich gerügt sein muß (BFH-Urteil vom 25. August 1982 I R 120/82, BFHE 136, 518, BStBl II 1983, 46), liegt im Streitfall nicht vor. § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO geht davon aus, daß der Beteiligte in gesetzwidriger Weise im Verfahren nicht vertreten war, weil das Gericht bei der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung den Vorschriften des Gesetzes nicht genügt und dadurch dem Beteiligten die Teilnahme unmöglich gemacht hat (z.B. BFH-Urteil vom 10. August 1988 III R 220/84, BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948 m.w.N.). Ein Fall fehlender Vertretung läge insbesondere dann vor, wenn der Kläger nicht ordnungsgemäß geladen worden wäre (BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948; BFH-Beschluß vom 11. April 1978 VIII R 215/77, BFHE 125, 28, BStBl II 1978, 401) oder das FG entgegen der Zusage einer Terminsänderung die mündliche Verhandlung gleichwohl durchgeführt hätte (BFH-Urteil vom 28. November 1990 I R 71/90, BFH/NV 1991, 756). Beide Voraussetzungen liegen nicht vor.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann die Ablehnung eines Antrages auf Terminsaufhebung - selbst dann, wenn der Beteiligte aus tatsächlichen Gründen den Termin nicht wahrnehmen kann und ohne Rücksicht darauf, ob die Verhinderung verschuldet war oder nicht - nicht mit der zulassungsfreien Revision gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO gerügt werden (z.B. Beschlüsse in BFHE 125, 28, BStBl II 1978, 401; zuletzt z.B. vom 22. Mai 1990 VII S 28/89, BFH/NV 1991, 336; vom 16. September 1991 IX R 43/91, BFH/NV 1992, 187; vom 19. September 1991 XI R 48/89, BFH/NV 1992, 187; vom 11. Februar 1992 VII R 112/91, BFH/NV 1992, 678; vom 17. März 1992 IV R 51/91, BFH/NV 1992, 617; vom 9. Dezember 1992 IV R 111/92, nicht veröffentlicht - NV -; vom 4. Januar 1993 VII R 111/92, NV, jeweils m.w.N.).
Die Rüge, das FG habe zu Unrecht eine Terminsverlegung abgelehnt, kann allenfalls als Rüge der Versagung des rechtlichen Gehörs gemäß § 119 Nr. 3 FGO verstanden werden. Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör begründet jedoch keine zulassungsfreie Revision nach § 116 Abs. 1 FGO. Der Senat kann im Rahmen der zulassungsfreien Revision deshalb nicht prüfen, ob das FG den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör deshalb verletzt hat, weil es erst nach der Entscheidung über die Hauptsache den Antrag des Klägers auf PKH beschieden und deshalb auf die Gründe dieser Entscheidung Bezug genommen hat (vgl. hierzu Schneider in Zöller, Zivilprozeßordnung, Kommentar, 17. Aufl. 1991, § 119 Rz. 19 m.w.N.). Er kann auch nicht der Frage nachgehen, ob die vom Kläger ausdrücklich geltend gemachte Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ordnungsgemäß erhoben worden ist (vgl. dazu z.B. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rz. 230f.; Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 118 Rz. 11ff., insbes.13). Eine Nichtzulassungsbeschwerde, mit der ein Verfahrensmangel i.S. des § 119 Nr. 3 FGO hätte gerügt werden können (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), hat der Kläger nicht erhoben.
Fundstellen
Haufe-Index 419316 |
BFH/NV 1994, 717 |