Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbständigkeit eines GmbH-Geschäftsführers
Leitsatz (NV)
Die Tätigkeit des Geschäftsführers einer GmbH kann als selbständig zu beurteilen sein.
Normenkette
UStG 1993 § 2 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 69 Abs. 2-3
Verfahrensgang
FG Berlin (Beschluss vom 13.01.2005; Aktenzeichen 5 B 5498/04) |
Tatbestand
I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Mit 98 v.H. an ihrem Stammkapital beteiligt und ihr alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist der Steuerberater S. Dieser stellte der Antragstellerin in den Jahren 1996 und 1997 (Streitjahre) ihr gegenüber erbrachte Leistungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis in Rechnung.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) versagte der Antragstellerin den Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen, weil S ihr gegenüber nicht selbständig tätig geworden sei.
Gegen die Bescheide hat die Antragstellerin nach erfolglosem Einspruch Klage erhoben, die noch beim Finanzgericht (FG) anhängig ist.
Der Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre hatte im Streitpunkt Erfolg. Das FG führte insoweit zur Begründung aus, es sei ernstlich zweifelhaft, ob S für die Antragstellerin nicht selbständig tätig geworden sei. Es sei möglich, dass der Bundesfinanzhof (BFH) mit seinem Urteil vom 6. Juni 2002 V R 43/01 (BFHE 199, 49, BStBl II 2003, 36) seine Rechtsprechung zur grundsätzlichen Unselbständigkeit von GmbH-Geschäftsführern aufgegeben habe.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde macht das FA geltend, die bisherigen Grundsätze für die Tätigkeit einer natürlichen Person als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, wonach sich die Weisungsabhängigkeit bereits aus § 37 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) ergebe, würden fortgelten.
Das FA beantragt, den Beschluss des FG aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Das FG hat mit Recht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre bejaht.
1. Das FA verneint die Annahme einer selbständigen Tätigkeit des S, weil dieser als Geschäftsführer Organ der Antragstellerin ist und aufgrund der Organstellung den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegt (vgl. § 37 Abs. 1 GmbHG). Das FA stützt sich insoweit auf die bisherige umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Tätigkeit eines GmbH-Geschäftsführers (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Dezember 2000 V B 15/00, BFH/NV 2001, 819, m.w.N.).
2. Diese Auffassung entspricht nicht dem aktuellen Stand der Rechtsprechung.
Der BFH hat bereits im Urteil in BFHE 199, 49, BStBl II 2003, 36 --zur Geschäftsführung für Personengesellschaften-- an den früheren Grundsätzen nicht mehr festgehalten. Er hat diese Grundsätze durch das --nach Einlegung der Beschwerde ergangene-- Urteil vom 10. März 2005 V R 29/03 (BFHE 209, 162, Deutsches Steuerrecht 2005, 919) ausdrücklich aufgegeben.
Nach dieser neueren Rechtsprechung können Geschäftsführungsleistungen eines GmbH-Geschäftsführers als selbständig i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes zu beurteilen sein; die Organstellung des GmbH-Geschäftsführers gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG steht dem nicht entgegen.
Fundstellen
BFH/NV 2006, 622 |
StuB 2006, 438 |