Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung bei Fristversäumnis wegen Erkrankung
Leitsatz (NV)
Im Falle einer Erkrankung gilt die Fristversäumnis als entschuldigt, wenn es dem Erkrankten unmöglich oder unzumutbar war, die in einer Fristsache notwendigen Überlegungen anzustellen bzw. eine sachgemäße Beratung durch Dritte in Anspruch zu nehmen und die fristwahrende Handlung selbst oder durch Dritte vorzunehmen. Dies ist nur der Fall, wenn die Krankheit plötzlich eingetreten und/oder so schwer war, daß der Erkrankte zur Fristwahrung außerstande war.
Normenkette
FGO § 56
Verfahrensgang
Tatbestand
Für seinen Rechtsstreit wegen des Erlasses von Umsatzsteuer, Verspätungszuschlag und Säumniszuschlägen beantragte der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) die Bewilligung von Prozeßkostenhife (PKH). Das Finanzgericht (FG) lehnte mit Beschluß vom 15. August 1988 den Antrag ab. Der Beschluß wurde am 2. September 1988 zugestellt. Am 4. Oktober 1988 ging die Beschwerde des Klägers beim FG ein. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Mit der Beschwerde beantragt der Kläger, ihm unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des FG PKH zu bewilligen. Wegen der Versäumung der Beschwerdefrist begehrt der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung dieses Antrags trägt er vor: Er habe beabsichtigt, die für den PKH-Antrag noch fehlenden Unterlagen im Büro seiner Bevollmächtigten zu ergänzen. Aufgrund äußerst schmerzhafter Komplikationen seines verletzten Beines sei es ihm nicht möglich gewesen, die Wohnung zu verlassen. Im übrigen habe er sich um seine durch einen Gichtanfall praktisch bewegungsunfähige Ehefrau kümmern müssen, die nach einer Geburt bettlägerig gewesen sei. Sobald er die Wohnung wieder habe verlassen können, habe er seinen Bevollmächtigten die dem FG übermittelten Unterlagen zur Verfügung gestellt. Der Kläger hat eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, in der er die Richtigkeit dieser in einem Schriftsatz seiner Bevollmächtigten enthaltenen Angaben versichert.
Die Prozeßbevollmächtigten des Klägers haben mit Schreiben vom 18. Oktober 1988 auf eine Aufforderung des FG hin angekündigt, sie würden die Wiedereinsetzungsgründe noch genauer darlegen. Ein entsprechender Schriftsatz ist jedoch nicht eingegangen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Die Beschwerde ist nicht innerhalb der mit Bekanntgabe der Entscheidung beginnenden Beschwerdefrist von zwei Wochen beim FG eingegangen (§ 129 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist liegen nicht vor. Gemäß § 56 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Gemäß § 56 Abs. 2 FGO ist der Antrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind nach ständiger Rechtsprechung innerhalb der Zweiwochenfrist substantiiert vorzutragen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. März 1985 II R 118/83, BFHE 144, 1, BStBl II 1985, 586 m. w. N.). Das Wiedereinsetzungsgesuch muß grundsätzlich eine genaue Darstellung und Glaubhaftmachung aller innerhalb der versäumten Frist liegenden Umstände enthalten, die für die Frage von Bedeutung sind, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Versäumung der Frist gekommen ist. Kann sich das zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag berufene Gericht kein glaubhaftes Bild über den Hergang machen, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden.
Für den Fall einer Erkrankung gilt die Fristversäumung als entschuldigt, wenn es dem Erkrankten unmöglich oder unzumutbar war, die in einer Fristsache notwendigen Überlegungen anzustellen bzw. eine sachgemäße Beratung durch Dritte in Anspruch zu nehmen und die fristwahrende Handlung selbst oder durch Dritte vorzunehmen. Dies ist nur der Fall, wenn die Krankheit plötzlich eingetreten und/oder so schwer war, daß der Erkrankte zur Fristwahrung außerstande war (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1985 I R 380/83, BFH/NV 1986, 742 m. w. N.). Entsprechendes gilt für die Fristversäumnis infolge Erkrankung eines nahen Angehörigen.
Im vorliegenden Fall fehlt es an einer substantiierten Darlegung der für die Fristversäumung maßgeblichen Umstände. Es wäre erforderlich gewesen darzulegen, in welchem Zeitraum der Kläger durch Krankheit behindert war; ferner hätte der Kläger darlegen müssen, wieso die Krankheit ihn gehindert hat, seinen Bevollmächtigten den Auftrag zur Einlegung der Beschwerde, die keiner Begründung bedarf, zu geben und wieso er - falls er dies für erforderlich hielt - die Auskunft über den Bezug von Krankengeld sowie den der Beschwerdeschrift beigefügten Kontoauszug seinen Bevollmächtigten nicht rechtzeitig hat übermitteln können. Entsprechendes gilt für die Behauptung des Klägers, die Krankheit seiner Ehefrau habe ihn an der Einhaltung der Frist gehindert.
Außerdem hätte der Kläger die seine Krankheit und die Krankheit seiner Ehefrau betreffenden Umstände durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung glaubhaft machen müssen. Eine eidesstattliche Versicherung des Klägers reicht in diesem Fall nicht.
Unter diesen Umständen braucht der Senat nicht auf Bedenken einzugehen, die gegenüber einer eidesstattlichen Versicherung bestehen, die keine eigene Sachdarstellung enthält, sondern sich auf einen anwaltlichen Schriftsatz bezieht, der neben Tatsachenbehauptungen auch rechtliche Würdigungen umfaßt (vgl. hierzu Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 13. Januar 1988 IV a ZB 13/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1989, 448).
Fundstellen