Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßkosten bei vermögensrechtlicher Auseinandersetzung nach ehelicher Gütertrennung
Leitsatz (NV)
1. Bei den Kosten eines Zivilprozesses spricht eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit, weil das die Zahlungsverpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen im allgemeinen nicht zwangsläufig ist (st. Rechtspr.).
2. Die Kosten eines Prozesses, der als Folge des Scheidungsentschlusses mit dem früheren Ehepartner geführt wird, sind nur dann zwangsläufig, wenn sie unmittelbar und unvermeidbar durch die Ehescheidung entstehen, etwa weil notwendige vermögensrechtliche Regelungen nicht ohne Zivilprozeß getroffen werden könnten (st. Rechtspr.).
3. Die Kosten eines Zivilprozesses um die vermögensrechtliche Auseinandersetzung im Zusammenhang mit der Scheidung einer Ehe nach Gütertrennung sind grundsätzlich nicht zwangsläufig.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1; ZPO § 623
Tatbestand
Der Kläger ist geschieden. Er hatte mit seiner Ehefrau Gütertrennung vereinbart. 1974 hatten die Eheleute ein Grundstück erworben und aus Mitteln des Klägers mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaut. Nach Scheidung der Ehe beanspruchte die frühere Ehefrau des Klägers einen Teil der Erlöse aus der Vermietung des Objekts. Sie verlangte von dem Kläger im Wege der Stufenklage Rechnungslegung über alle Einnahmen und Ausgaben für die Jahre ... Hingegen begehrte der Kläger von ihr im Wege der Widerklage die Auflassung ihres Miteigentumsanteils an dem Grundstück, hilfsweise Zahlung von ... DM. Die Klage der Ehefrau hatte im ersten Rechtszug Erfolg; dagegen wurde die Widerklage im ersten und zweiten Rechtsgang abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der Bundesgerichtshof (BGH) den Rechtsstreit hinsichtlich des Hilfsantrages an das Oberlandesgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang schloß der Kläger mit seiner früheren Ehefrau einen Vergleich, in den weitere zwischen ihnen bestehende Streitpunkte einbezogen wurden. Hinsichtlich des genannten Grundstücks, dessen der Ehefrau gehörender Miteigentumsanteil inzwischen zum Zwecke der Teilung zwangsversteigert worden war, einigte sich der Kläger mit ihr dahin, daß sie neben dem bereits an sie ausgekehrten Teil des Versteigerungserlöses auch dessen Rest zuzüglich inzwischen angefallener Zinsen erhalten solle.
Die Kosten dieses Rechtsstreits machte der Kläger in den Streitjahren als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das FA erkannte sie zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung an. In den verfahrensgegenständlichen Änderungsbescheiden berücksichtigte es sie jedoch nicht mehr.
Einspruch und Klage hiergegen blieben ohne Erfolg. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Finanzgerichts (FG) richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der grundsätzliche Bedeutung geltend gemacht wird. Die Rechtsfrage, ob Prozeßkosten für die vermögensrechtliche Auseinandersetzung mit dem geschiedenen Ehepartner, mit dem Gütertrennung vereinbart war, als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind, sei klärungsbedürftig. Die Frage, welche Prozeßkosten noch als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind, werde nicht einheitlich beantwortet. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien zwar die Kosten eines Zivilprozesses in aller Regel nicht zwangsläufig. Kosten von Scheidungsprozessen würden jedoch als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Zu diesen Kosten würden auch die Kosten von Scheidungsfolgesachen im Verbundverfahren i. S. des § 623 der Zivilprozeßordnung (ZPO) gezählt. Es sei jedoch fraglich, ob die Anerkennung darauf zu beschränken sei.
Der Kläger beantragt, die Revision gegen das Urteil des FG zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam angesehene Frage, ob Prozeßkosten für die vermögensrechtliche Auseinandersetzung mit einem geschiedenen Ehepartner, mit dem Gütertrennung vereinbart war, außergewöhnliche Belastungen sind, ist nicht klärungsbedürftig, weil sie aufgrund der Rechtsprechung des BFH ohne weiteres zu verneinen ist.
1. Nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird auf Antrag die Einkommensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstandes erwachsen. Zwangsläufigkeit im Sinne dieser Vorschrift ist nur gegeben, wenn auf die Entschließung des Steuerpflichtigen in der Weise Gründe von außen einwirken, daß er ihnen nicht ausweichen kann (BFH-Urteile vom 27. Oktober 1989 III R 205/82, BFHE 158, 431, BStBl II 1990, 294, und vom 21. Februar 1992 III R 88/90, BFHE 168, 39, BStBl II 1992, 795). Bei den Kosten eines Zivilprozesses spricht nach der ständigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (ständige Rechtsprechung, vgl. u. a. BFH-Urteile vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419, und vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745). Zwar kann sich der Steuerpflichtige in solchen Fällen -- unabhängig davon, ob er als Kläger oder als Beklagter an dem Zivilprozeß beteiligt ist (Senatsurteil in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745) -- der eigentlichen Zahlungsverpflichtung aus rechtlichen Gründen nicht entziehen. Darauf kommt es jedoch nicht alleine an; vielmehr muß auch das die Zahlungsverpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig sein (BFH-Urteile vom 3. Juni 1982 VI R 41/79, BFHE 136, 370, BStBl II 1982, 749, und vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116 sowie Senatsurteile in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745, und vom 19. Dezember 1995 III R 177/94, BFHE 179, 383, BStBl II 1996, 197; vgl. auch Arndt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 33 Rdnr. B 42). Daran fehlt es im allgemeinen bei einem Zivilprozeß.
Das Beschwerdevorbringen gibt dem Senat keinen Anlaß zu einer erneuten Überprüfung dieser Rechtsprechung, der das Schrifttum überwiegend folgt (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 33 Rdnr. 35 "Prozeßkosten"; Borggreve in Littmann/Bitz/Hellwig, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 33 Rdnr. 56; Blümich/ Oepen, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 33 Rdnr. 150 "Prozeßkosten"; einschränkend Fitsch in Lademann/Söffing, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 33 EStG Rdnr. 78 "Prozeßkosten"; a. A. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 21. Aufl., § 33 EStG Rdnr. 117 und Arndt, a. a. O., Rdnr. C 57).
2. Die Rechtsprechung des BFH hat allerdings unter besonderen Voraussetzungen die Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung angesehen. Ins besondere hat der BFH die Kosten einer Ehescheidung als zwangsläufige Aufwendungen anerkannt (vgl. z. B. BFH-Urteil in BFHE 168, 39, BStBl II 1992, 795). Er hat dazu in dem Urteil in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116 ausgeführt, solche Kosten seien nicht nur im Hinblick auf die unmittelbare Ursache der Zahlungsverpflichtung zwangsläufig, weil eine Ehe zu Lebzeiten nur durch eine gerichtliche Entscheidung gelöst werden könne; sie seien vielmehr auch insofern zwangsläufig, als im Regelfall davon ausgegangen werden könne und mangels Möglichkeit einer zumutbaren Aufklärung davon ausgegangen werden müsse, daß sich Ehepartner nur scheiden lassen, wenn die Ehe so zerrüttet ist, daß ihnen ein Festhalten an ihr nicht mehr möglich ist, sie sich also dem Scheidungsbegehren aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen können.
Die Kosten eines Prozesses, der lediglich als Folge des Scheidungsentschlusses mit dem früheren Ehepartner geführt wird, sind hingegen nach der Rechtsprechung des BFH nur dann als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wenn sie unmittelbar und unvermeidbar durch die Ehescheidung entstehen (BFH-Urteil in BFHE 168, 39, BStBl II 1992, 795). Das hat der BFH bei einem Verfahren über das Sorgerecht für die ehelichen Kinder bejaht, weil der Sorgerechtsprozeß die unmittelbare und unvermeidbare Folge der Scheidung ist; denn das Sorgerecht konnte nach § 1671 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) a. F. nur durch eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts einem Elternteil zugeordnet werden (BFH-Urteil in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Bei einem Streit um die Erfüllung einer freiwillig begründeten Zahlungsverpflichtung im Zusammenhang mit einer einvernehmlichen Scheidung hat der BFH hingegen -- trotz des Zusammenhangs mit der Scheidung -- eine außergewöhnliche Belastung ebenso verneint (BFH-Urteil in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745), wie er die Kosten einer außer gerichtlichen vermögensrechtlichen Auseinandersetzung nach der Scheidung bereits in dem Urteil vom 10. Februar 1977 IV R 87/74 (BFHE 121, 440, BStBl II 1977, 462) nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt hatte, weil die notwendigen vermögensrechtlichen Regelungen ohne Zivilprozeß getroffen werden könnten. Daran hat sich bei Scheidungsfolgesachen, die nicht nach § 623 ZPO n. F. zusammen mit der Scheidungssache zu verhandeln und zu entscheiden sind, auch durch das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (BGBl I 1976, 1421) nichts geändert.
3. Die von der Beschwerde aufgeworfene, vermeintliche Grundsatzfrage ist nach dieser Rechtsprechung dahin zu beantworten, daß die Kosten eines Zivilprozesses um vermögensrechtliche Ansprüche, auch wenn sie im Zusammenhang mit der Scheidung einer Ehe nach Gütertrennung stehen, grundsätzlich keine außergewöhnliche Belastungen darstellen. Denn es fehlt schon an der Zwangsläufigkeit der unmittelbaren Ursache solcher Kosten. Anders als bei einem Scheidungsprozeß und bei einem Sachverhalt, wie er in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116 zugrunde liegt, besteht bei der Durchführung einer vermögensrechtlichen Auseinandersetzung nicht die prozessuale Notwendigkeit eines gerichtlichen Titels; diese ist jedoch nach der Rechtsprechung des BFH entscheidender Grund für die Berücksichtigung der Kosten jener Verfahren als außergewöhnliche Belastungen.
4. Eine im Streitfall klärungsfähige Rechtsfrage ergibt sich auch nicht aus dem Urteil in BFHE 168, 39, BStBl II 1992, 795. Der Senat konnte in diesem Urteil offen lassen, ob Kosten eines -- nicht aus prozessualen Gründen unausweichlichen -- Klageverfahrens betreffend den Unterhalt in der Zeit des Getrenntlebens vor der Ehescheidung (§ 1361 BGB) steuerlich zu berücksichtigen sind. Er hat jedoch hervorgehoben, daß jedenfalls nur die unmittelbaren und unvermeidbaren Kosten als zwangsläufig angesehen und deshalb als außergewöhnliche Belastung i. S. des § 33 Abs. 1 EStG anerkannt werden könnten. Zumindest an der Unvermeidbarkeit einer gerichtlichen Auseinandersetzung und folglich der durch sie verursachten Kosten fehlt es jedoch im Streitfall offensichtlich.
Denn da die Berechtigung der gegen den Kläger von seiner früheren Ehefrau erhobene Ansprüche ebenso wie derjenigen, die mit der Widerklage geltend gemacht worden sind, zumindest ungewiß war, mußte der Kläger -- wie jeder, der trotz unklarer Rechtslage den Klageweg beschreitet -- mit der Belastung durch Prozeßkosten im Falle seines Unterliegens rechnen und konnte sie vermeiden, indem er von einer Klage Abstand nahm bzw. die gegen ihn erhobenen Ansprüche rechtzeitig anerkannte. Beharrt ein Steuerpflichtiger statt dessen auf seinem vermeintlichen Recht und läßt es auf eine Auseinandersetzung vor Gericht ankommen, beruhen ihm daraus entstehende Kosten auf dieser Entscheidung, das Prozeßkostenrisiko um der bei einem Obsiegen erlangten Vorteile willen bewußt auf sich zu nehmen (BFH-Urteile in BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419, und in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745); sie entstehen also im allgemeinen nicht aufgrund einer Zwangslage, in die der Steuerpflichtige unvermeidlich geraten ist und aus der er sich ohne die Aufwendungen nicht befreien konnte.
Fundstellen
Haufe-Index 65898 |
BFH/NV 1996, 882 |