Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB -- Verstoß gegen den klaren Akteninhalt, rechtliches Gehör; unterlassene nachträgliche Preissenkung als vGA
Leitsatz (NV)
1. Eine Rüge wegen Verstoßes gegen den klaren Akteninhalt kann zugleich die Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung beinhalten.
2. Die Rüge eines übergangenen Beweisangebots erfordert Ausführungen darüber, inwiefern das Urteil des FG -- ausgehend von dessen materiell-rechtlicher Auffassung -- auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann und wie das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre.
3. Erfolgt ein Beweisantritt erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung und lehnt das FG die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ab, setzt die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs Ausführungen darüber voraus, weshalb die ablehnende Entscheidung des FG unrichtig gewesen ist und weshalb der Beweisantritt nicht rechtzeitig geltend gemacht worden ist oder nicht gemacht werden konnte.
4. Unterläßt es eine GmbH, nachträglich Preissenkungen gegenüber ihrem Lieferanten einzufordern, der zugleich ihr Gesellschafter ist, so kann darin eine verdeckte Gewinnausschüttung liegen.
Normenkette
FGO § 93 Abs. 2 S. 2, § 115 Abs. 3 S. 3; KStG 1977 § 8 Abs. 2 S. 2
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Ein Verfahrensmangel in diesem Sinne ist ein Fehler, den das Finanzgericht (FG) bei der Handhabung seines Verfahrens begeht, sofern durch die formal falsche Behandlung der materielle Inhalt der Entscheidung beeinflußt sein kann.
Der von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gerügte Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten ist kein Verfahrensmangel in diesem Sinne (Bundesfinanzhof -- BFH --, Beschluß vom 13. April 1976 VI B 12/76, BFHE 118, 546, BStBl II 1976, 503). Ein solcher Verstoß liegt vor, wenn der Vorentscheidung ein Sachverhalt zugrunde gelegt worden ist, der dem schriftlichen oder protokollarischen Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht oder wenn die tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung dem klaren Inhalt der Akten widersprechen oder eine nach den Akten klar feststehende Tatsache nicht berücksichtigt worden ist. Eine Rüge wegen Verstoßes gegen den klaren Akteninhalt kann aber insoweit von Bedeutung sein, als hiermit zugleich eine mangelnde Ermittlung des Sachverhalts durch das FG geltend gemacht wird. Eine derartige Verletzung der Ermittlungspflicht liegt im Streitfall jedoch nicht vor und wird von der Klägerin auch nicht behauptet. Im Ergebnis ihres Vorbringens macht die Klägerin lediglich geltend, das FG habe den Sachverhalt -- nämlich den Rahmenvertrag zwischen ihr und der Muttergesellschaft vom 18. Juni 1980 -- unzutreffend gewürdigt und falsch ausgelegt. Dies gilt gleichermaßen für das -- vom FG seinem Inhalt nach festgestellte -- Protokoll über die Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 9. Dezember 1983.
Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang zusätzlich die von ihr angebotene Nichtanhörung ihres Geschäftsführers durch das FG rügt, braucht dem schon deshalb nicht weiter nachgegangen zu werden, weil diese Rüge den Anforderungen, die gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu stellen sind, nicht genügt. Die Klägerin hätte hierzu ausführen müssen, inwiefern das Urteil des FG -- ausgehend von materiell-rechtlicher Auffassung des FG -- auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann und wie das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 120 Rz. 40, m. w. N. zur Rechtsprechung). Überdies hat die Klägerin den entsprechenden Beweis erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem FG angetreten. Das FG hat die Anregung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, in seinem Urteil abgelehnt, weil sich aus dem nachgereichten Schriftsatz der Klägerin vom 25. Juli 1995 keine neuen Gesichtspunkte ergeben hätten. Um die Zulassung der Revision zu rechtfertigen, hätte die Klägerin insoweit ausführen müssen, weshalb diese ablehnende Entscheidung des FG unrichtig gewesen ist und insbesondere weshalb sie den Beweisantritt nicht rechtzeitig vor Schluß der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat oder nicht machen konnte.
2. Die Klägerin rügt weiterhin, das FG sei von dem Urteil des BFH vom 14. August 1974 I R 168/72 (BFHE 114, 41, BStBl II 1975, 123) abgewichen und habe in diesem Zusammenhang den Sachverhalt nicht erschöpfend aufgeklärt. Der BFH habe in der vorgenannten Entscheidung nämlich bezweifelt, "ob es ein Lieferant stets als ein Gebot des eigenen Interesses ansehen darf, schlechte Absatzbedingungen seiner Abnehmer durch eine nachträgliche Herabsetzung seiner Verkaufspreise zu berücksichtigen. Diese Frage kann zu bejahen sein, wenn etwa ohne ein Entgegenkommen des Lieferanten gegenüber dem Abnehmer dieser seine Geschäftsbeziehung zu dem Lieferanten abzubrechen droht und dies für den Lieferanten einen größeren Nachteil bedeute, als nachträgliche Preissenkungen. Aber von solchen Ausnahmen abgesehen, pflegt ein Kaufmann weder als Käufer Nachzahlungen auf vereinbarte Preise zu leisten, selbst wenn diese unter dem Marktpreis liegen ... noch als Verkäufer nachträgliche Preissenkungen vorzunehmen. Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall eine Abweichung von diesem Verhalten im Rahmen des Handelns eines ordentlichen Kaufmanns vorliegt, kann es von Bedeutung sein, wie sich der Gesellschafter unabhängigen Abnehmern gegenüber verhalten hat und welche Gepflogenheiten in dem betreffenden Geschäftszweig herrschen." Demgegenüber sei das FG in der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt, ein ordentlicher Geschäftsleiter hätte auch gegenüber einem fremden Lieferanten bei der im Streitfall aufgrund des Rahmenvertrages vorgegebenen Sachgestaltung eine Anpassung des Rabatts in der Weise durchgesetzt, daß ein ausreichender Spielraum unter Berücksichtigung der Kosten und der eingeräumten Verbrauchspreise bei der Klägerin verblieben wäre. Auf der sich hiernach ergebenden Abweichung beruhe das FG-Urteil.
Gerade die von der Klägerin wiedergegebenen Ausführungen des FG zeigen indes auf, daß keine Abweichung vorliegt. Das FG hat keine generelle Aussage darüber getroffen, ob und unter welchen Umständen ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter als Käufer von seinem Lieferanten nachträgliche Preissenkungen verlangen würde und durchsetzen könnte. Es ist vielmehr nach Würdigung des im konkreten Streitfall bestehenden Vertragswerks zwischen der Klägerin und der ... zu einer Erkenntnis darüber gelangt, wie sich ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter den gegebenen Umständen und der vorgegebenen Sachverhaltsgestaltung verhalten hätte. Dazu aber hat sich der BFH in dem Urteil in BFHE 114, 41, BStBl II 1975, 123 nicht geäußert und auch nicht äußern können. In Anbetracht der Einzelfallbezogenheit seiner Entscheidung bestand für das FG in diesem Zusammenhang auch keine Veranlassung, diesbezüglichen "Gepflogenheiten in dem betreffenden Geschäftszweig" nachzugehen. Aus gleichem Grunde fehlt schließlich die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Frage nach einem typisierten Erfahrungssatz, daß nachträgliche Preissenkungen unüblich seien.
Im übrigen ergeht dieser Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 421618 |
BFH/NV 1997, 67 |