Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung
Leitsatz (NV)
Der Tatsachenbegriff des § 173 AO ist in der Rechtsprechung jedenfalls in der Weise geklärt, dass der Wert eines Gegenstandes keine Tatsache ist, dass aber die der Wertfindung zugrunde liegenden wertbegründenden Eigenschaften den Tatsachenbegriff ausfüllen. Insoweit ist daher jede nachträglich bekannt werdende - d.h. noch nicht in der Steuererklärung explizit dargelegte bzw. bei der Bearbeitung des Falles anderweitig dem FA bekannte - wertbegründende Eigenschaft eines Gegenstandes dazu geeignet, eine Berichtigung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO auszulösen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; AO § 173 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Beschluss vom 24.06.2008; Aktenzeichen 6 K 594/07) |
Tatbestand
I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Änderung eines Steuerbescheids.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt den An- und Verkauf sowie die Verwaltung von Immobilien und Grundstücken. Sie erwarb im Streitjahr 2000 von ihrem Alleingesellschafter-Geschäftsführer A das bebaute Grundstück X für 2,3 Mio. DM und entrichtete den Kaufpreis. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erhielt im September 2000 eine entsprechende Veräußerungsanzeige des beurkundenden Notars. Darin ist im Abschnitt Grundstücksart angegeben "bebaut", "Wohn- und Bürogebäude", "andere Bebauung", "nebst Garage". Im Anlagenspiegel zur Bilanz des Streitjahres sind Grundstück und Gebäude als Zugang im Anlagevermögen ausgewiesen.
Die Klägerin reichte ihre Körperschaftsteuererklärung des Streitjahres in 2002 ein. Das FA veranlagte die Klägerin erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Mit einem Änderungsbescheid vom 24. November 2003 hob das FA diesen Vorbehalt auf. Im Anschluss an eine im Jahr 2006 durchgeführte Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, der Kaufpreis für das Grundstück sei überhöht (Wertermittlung des Bausachverständigen des FA: Verkehrswert 1 Mio. DM). Die Klägerin legte mit Schreiben vom 31. März 2006 zunächst eine Schätzung des A vor, die den vereinbarten Kaufpreis ergab, später ein Gutachten des B (Verkehrswert von 1,94 Mio. DM), ein Schreiben des B an die Firma Z (empfohlener Verkaufspreis zwischen 1,95 und 2,1 Mio. DM), eine Bestätigung der Firma C (A habe sie 1999/2000 beauftragt, das Grundstück für ca. 2 Mio. DM auf dem Markt anzubieten und dass es im Zuge dieses Auftrags mehrfach zu Besichtigungen gekommen sei), sowie ein Gutachten des Sachverständigen D (Wert 1 070 000 €). Nach einem Vermerk des Außenprüfers vom 12. Oktober 2006 soll die Klägerin die überhöhte Bewertung des Grundstücks eingeräumt, nicht aber den Wert des Bausachverständigen akzeptiert haben. In dem Vermerk heißt es weiter: "Die Stpfl. würde eine Bewertung des Grundstücks mit ca. 1.800.000 DM akzeptieren und hält diesen Wert auch für tatsächlich zutreffend."
Das FA schätzte den Verkehrswert im Zeitpunkt der Veräußerung auf 1,8 Mio. DM, sah die Zahlung der weiteren 500 000 DM zuzüglich anteiliger Nebenkosten als einkommenserhöhende verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) an und erließ unter Hinweis auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) den Änderungsbescheid vom 10. August 2006 über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen zur Körperschaftsteuer 2000. Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) hat die Klage zur Frage der Rechtmäßigkeit der belastenden Änderung durch Zwischenurteil vom 24. Juni 2008 6 K 594/07 abgewiesen.
Die Klägerin macht geltend, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) habe und beantragt, die Revision gegen das angefochtene Urteil zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Klägerin hat den geltend gemachten Revisionszulassungsgrund schon nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt.
1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO setzt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage voraus, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit erforderlich und die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärungsfähig ist (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. September 2005 IV B 67/04, BFH/NV 2006, 234, m.w.N.). Daran fehlt es im Streitfall.
a) Die Klägerin hält zwei Rechtsfragen für grundsätzlich bedeutsam: Zunächst die Frage, "in welchem Umfang der Steuerpflichtige den der Besteuerung zu unterwerfenden Sachverhalt in der Steuererklärung darzulegen hat, damit später bekannt werdende Tatsachen nicht mehr als neu im Sinne des § 173 Abs. 1 Ziff. 1 AO gelten" könnten, alsdann die Frage, "ob, und wenn ja, welche Ermittlungen das Finanzamt in den Fällen anstellen muss, in denen ein Alleingesellschafter-Geschäftsführer mit seiner Gesellschaft in Rechtsbeziehungen getreten ist, die ein erhebliches wirtschaftliches Gewicht haben, was dem Finanzamt in Gänze bekannt ist, will es einen Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO aufheben und dabei nicht die Befugnis verlieren, zu Lasten des Steuerpflichtigen eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Ziff. 1 AO vorzunehmen".
b) Die erste Rechtsfrage ist, wie das FA zu Recht geltend macht, nicht i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO klärungsfähig. Der Tatsachenbegriff des § 173 AO ist in der Rechtsprechung geklärt; zwischen den Beteiligten ist auch nicht streitig, dass der Wert eines Gegenstandes keine Tatsache ist, wohl aber die der Wertfindung zugrunde liegenden wertbegründenden Eigenschaften. Insoweit ist daher jede nachträglich bekannt werdende --d.h. noch nicht in der Steuererklärung explizit dargelegte bzw. bei der Bearbeitung des Falles anderweitig bekannte-- wertbegründende Eigenschaft eines Gegenstandes dazu geeignet, eine Berichtigung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO auszulösen. Ob im konkreten Fall z.B. die Darlegung in der Steuererklärung die wertbegründende Eigenschaft umfasst, ist einer abstrakten --einem Revisionsverfahren vorbehaltenen-- Beantwortung entzogen.
c) Auch die zweite Rechtsfrage lässt sich nicht abstrakt beantworten. Die Frage, ob das FG im Einzelfall eine zutreffende Abmessung der Ermittlungspflicht des FA seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, kann eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht begründen. Soweit die von der Klägerin dargelegte Rechtsfrage auch die Vorfrage berührt, ob das FA einen Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) auch dann aufheben darf, wenn es den Steuerfall nicht abschließend geprüft hat, ist diese Vorfrage bereits geklärt (BFH-Urteil vom 28. Mai 1998 V R 100/96, BFHE 186, 9, BStBl II 1998, 502, m.w.N.); auch hindert die Aufhebung des Vorbehalts eine nachfolgende Änderung des Steuerbescheids nach Maßgabe von § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d, §§ 173 ff. AO nicht (s. zu § 175 AO z.B. BFH-Urteil vom 17. März 1994 V R 123/91, BFH/NV 1995, 274; zu § 173: Rückschluss aus § 173 Abs. 2 AO).
Fundstellen