Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Überprüfung von Durchsuchungsanordnungen; zur Berücksichtigung nachträglich eingereichter ,,Steuerberechnungen"
Leitsatz (NV)
1. Durchsuchungsanordnungen der Amtsgerichte dürfen im Steuerfestsetzungsverfahren nicht auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden.
2. Das FG braucht in Schätzungssachen nachgereichte spezifizierte ,,Steuerberechnungen" nebst einer vom Steuerpflichtigen erstellten Gesamtvermögenszuwachsrechnung nicht zu berücksichtigen, wenn zulässigerweise eine verhältnismäßig grobe Schätzungsmethode anzuwenden ist.
Normenkette
AO 1977 § 162; FGO § 115 Abs. 2; StPO § 102
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) erließ gegen den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nach einer Steuerfahndungsprüfung Schätzungsbescheide betr. Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuermeßbetrag für 1973 bis 1978. Die Steuerfahndungsprüfung war mit einer Durchsuchung der Räume des Klägers eingeleitet worden, der der Durchsuchungsbeschluß des Amtsgerichts vom 5. März 1980 zugrunde lag; der Beschluß ist nach der Feststellung des Finanzgerichts (FG) durch den Beschluß des Landgerichts vom 15. September 1980 bestätigt worden. In der Einspruchsentscheidung vom 12. März 1982 wurden die Festsetzungen der Umsatzsteuer 1973 bis 1977 und die Festsetzung der Einkommensteuer und des Gewerbesteuermeßbetrags 1973 und 1976 herabgesetzt. Die Festsetzungen der Umsatzsteuer 1978, der Einkommensteuer und des Gewerbesteuermeßbetrags 1974 und 1975 wurden nach Ankündigung verbösert. Im übrigen blieb der Einspruch erfolglos.
Im finanzgerichtlichen Verfahren forderte das FG den Kläger mit Beschluß vom 25. Mai 1983 auf, die Differenzen zwischen der von ihm und den in der Einspruchsentscheidung angenommenen Besteuerungsgrundlagen betragsmäßig darzustellen und zu belegen. Daraufhin legte der Kläger als Anlagen zu dem Schriftsatz vom 29. Juli 1983 ,,Einkommens-, Umsatz- und Gewerbesteuerberechnungen" nebst einer Gesamtvermögenszuwachsrechnung vor; nach diesen Unterlagen hätten sich weitere Ermäßigungen der Besteuerungsgrundlagen ergeben. Der Kläger wollte die Unterlagen als ,,Grundlage für eine qualifizierte Schätzung" verstanden wissen.
Das FG wies die Klage als unbegründet zurück. Es führte u. a. aus: Die auf Grund des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts erlangten Kenntnisse und Beweismittel unterlägen keinem Verwertungsverbot. Die Rechtmäßigkeit des Beschlusses könne im finanzgerichtlichen Verfahren nicht in Frage gestellt werden. Die nachgereichten Unterlagen beseitigten nicht die Mängel der Buchführung. Sie könnten auch nicht zu einer anderen Schätzung führen.
Der Kläger macht mit der Beschwerde u. a. Grundsätzlichkeit der Rechtssache und Verfahrensmängel geltend: Es fehle bisher eine Äußerung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu der Frage, ob im finanzgerichtlichen Verfahren Durchsuchungsanordnungen auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden könnten und ein Verwertungsverbot ausgelöst werde. Der Durchsuchungsbeschluß des Amtsgerichts sei rechtswidrig. Er sei in kürzester Zeit beantragt, auf Grund eines unrichtigen Anfangsverdachts erlassen und vollzogen worden. Das FG habe seine Amtsermittlungspflicht verletzt, weil es auf die nachgereichten Unterlagen, die die Buchhaltung rekonstruiert hätten, nicht im einzelnen eingegangen sei. Auch habe es sich die bereitgehaltenen Belege nicht zur Einsichtnahme vorlegen lassen. Da es die Unterlagen in dem Beschluß vom 25. Mai 1983 selbst angefordert habe, sei es verpflichtet gewesen, die eingeleitete Sachaufklärung zu Ende zu führen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Frage, ob Durchsuchungsanordnungen der Amtsgerichte nach § 102 der Strafprozeßordnung (StPO) rechtmäßig sind, ist im Steuerfestsetzungsverfahren nicht nachprüfbar und daher im abgabenrechtlichen Revisionsverfahren nicht klärungsfähig; sie hat daher keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Es mag zugunsten des Klägers unterstellt werden, daß der Sachverhalt, der zu den Steuernachforderungen führte, ohne die Durchsuchung nicht aufgedeckt worden wäre. Auch in diesem Falle greift kein Verwertungsverbot ein. Die Steuergerichte sind nicht befugt, im Steuerfestsetzungsverfahren zu prüfen, ob eine Durchsuchungsanordnung mangels hinreichenden Tatverdachts oder aus sonstigen Gründen rechtswidrig ist. Dem steht einmal die unterschiedliche Rechtswegzuständigkeit entgegen. Die Frage kann sich auch nicht als Vorfrage stellen; denn die Steuergerichte haben die von anderen Gerichten getroffenen Entscheidungen zu beachten, gleichviel, ob sie rechtmäßig sind oder nicht. Ob anderes für einen Durchsuchungsbeschluß gilt, der an so schweren Mängeln leidet, daß er als eine Nichtentscheidung anzusehen ist, braucht nicht entschieden zu werden; derartige Mängel sind im Streitfall nicht ersichtlich. Zum zweiten kann ein Verwertungsverbot, das aus der Rechtswidrigkeit einer verfahrensmäßig gesondert zu beurteilenden Ermittlungsmaßnahme hergeleitet werden soll, nur eingreifen, wenn diese Maßnahme in dem für sie vorgesehenen Verfahren für rechtswidrig erklärt wird. Auf die Rechtsprechung zum Verwertungsverbot von Ermittlungen aus einer rechtswidrigen Prüfungsanordnung wird hingewiesen (BFH-Urteil vom 7. Juni 1973 V R 64/72, BFHE 109, 500, BStBl II 1973, 716, und weitere Entscheidungen).
2. Das FG handelte nicht verfahrensfehlerhaft (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), als es im Rahmen seiner Schätzungsbefugnis (§ 96 Abs. 1 FGO i. V. m. § 162 der Abgabenordnung - AO 1977 -) den Darlegungen der Steuerfahndung und des FA (in der Einspruchsentscheidung) folgte und die nachgereichten Steuerberechnungen nebst Gesamtvermögensvergleich des Klägers nicht berücksichtigte. Das FG hat die Buchführung zutreffend als formell nicht ordnungsmäßig angesehen (§ 158 AO 1977). Die Behauptung des Klägers in der Beschwerdeschrift, er habe im Zusammenhang mit der Erstellung der nachgereichten Unterlagen ,,die Buchhaltung rekonstruiert", wird durch seinen Vortrag im Klageverfahren nicht belegt. Selbst wenn diese Behauptung zuträfe, wäre die 1983 rekonstruierte Buchhaltung - weil nicht zeitgerecht in den Streitjahren erstellt - formell nicht ordnungsmäßig. Es bestand sonach Anlaß zur Schätzung.
Das FA hat in den Anlagen 1 und 4 zur Einspruchsentscheidung den Gang seiner vom FG übernommenen Schätzung dargestellt. Danach wurden außer den Bareinnahmen grundsätzlich die Eingangsbuchungen auf den Bankkonten des Klägers als Betriebseinnahmen behandelt. Von den Eingangsbuchungen wurden gewisse Beträge abgesetzt. Damit sollte den Einwendungen des Klägers Rechnung getragen werden, einigen Eingangsbuchungen stünden Abhebungen auf anderen Konten gegenüber. Weitere Absetzungen bezogen sich auf nachgewiesene bzw. glaubhaft gemachte nicht betriebliche Zahlungen.
Dem Kläger ist zuzugeben, daß er in den nachgereichten Unterlagen spezifiziert auf die einzelnen Eingangsbuchungen und Bareinnahmen eingegangen ist und die vom FA angenommenen Betriebseinnahmen teilweise unter Angabe von Gründen in Frage gestellt, gelegentlich sogar nach oben korrigiert hat. Die Gründe, mit denen er Betriebseinnahmenansätze bezweifelte, waren insobesondere: Mieten, Doppelerfassungen, erfolgsneutrale Einzahlungen oder Einlagen, durchlaufende Posten und Darlehensrückzahlungen. Das FG hat die Vermietung der gewerblichen Tätigkeit des Klägers zugeordnet. Im übrigen hat das FG darauf abgestellt, daß das FA die anderen Gründe -wenn auch in beschränktem Umfang- bereits in der Einspruchsentscheidung berücksichtigt hat. Diese Einstellung des FG ist nicht zu beanstanden. Die Schätzung war dem Grunde nach gerechtfertigt, wie auch der Kläger einräumt. Der Umfang der Schätzung konnte mangels besseren Anhalts an den Geldzugängen ausgerichtet werden, weil diese einen Hinweis auf das Ausmaß der Geschäftstätigkeit des Klägers gaben. Bei dieser verhältnismäßig groben, hier aber statthaften Schätzungsmethode sind zwar deutlich erkennbare bloße Geldverschiebungen auszusondern. Das FA bzw. das FG ist jedoch nicht gehalten, jeden Geldeingang auf seinen Charakter zu überprüfen. Das FG durfte sich daher mit den Korrekturen des FA begnügen. Die Gesamtvermögenszuwachsrechnung des Klägers brauchte es nicht zu beachten, weil diese - insbesondere im Hinblick auf die Auslandserfahrung des Klägers - keine Gewähr für die vollständige Erfassung aller Vermögenswerte bot.
Es kann dahingestellt bleiben, ob ausgehend von der im Urteil geäußerten Auffassung des FG dessen Beschluß vom 25. Mai 1983 entbehrlich war. Der Beschluß legte jedenfalls das FG in seiner rechtlichen Beurteilung nicht fest.
Fundstellen
Haufe-Index 418335 |
BFH/NV 1992, 367 |