Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerblichkeit eines Übersetzungsbüros - grundsätzliche Bedeutung
Leitsatz (NV)
Mißt der Beschwerdeführer der Frage grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 1 Nr. 1 FGO bei, ob ein Übersetzungsbüro deshalb als gewerblich anzusehen sei, weil zu etwa 25 v.H. Übersetzungen in Sprachen gefertigt würden, die der Inhaber nicht beherrscht, so muß sich die Beschwerdebegründung mit der in Abschn. 136 Abs. 1 Satz 7 Nr. 1 EStR 1990 geäußerten Rechtsauffassung auseinandersetzen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betreibt seit März 1970 ein Ingenieurbüro für technische und naturwissenschaftliche Übersetzungen. Er hat anorganische Chemie und Metallkunde studiert und letzteres Studium 1968 mit der Promotion abgeschlossen. Da er bereits während seiner Studienzeit nebenher aufgrund seiner Schulkenntnisse der englischen Sprache technische Übersetzungen gemacht hatte, entschloß er sich, in der Folgezeit ein eigenes Büro für derartige Übersetzungen aufzubauen. Nachdem sein Büro als Ein-Mann-Betrieb gut angelaufen war, entschloß er sich, Mitarbeiter zu beschäftigen. Dabei handelte es sich zunächst um Leute, die gerade ihr Sprachstudium hinter sich gebracht hatten und die von ihm in die spezielle Übersetzungstätigkeit eingewiesen werden mußten.
Später entwickelten sich daraus gewisse Abteilungen von Mitarbeitern, z.B. eine englische Gruppe. Für die in der Folge hinzukommenden anderen Sprachen, in die oder aus denen Übersetzungen erbracht wurden, und die der Kläger nicht beherrscht, wurden vorwiegend Diplomübersetzer oder Personen mit vergleichbaren beruflichen Qualifikationen eingesetzt. Diese Personen wurden beim Kläger als Freiberufler beschäftigt. In den Jahren 1975 bis 1980 beliefen sich die Einnahmen des Klägers (Erlöse aus Übersetzungen) auf:
1975 626634 DM
1976 861020 DM
1977 1152403 DM
1978 1595587 DM
1979 2038340 DM
1980 2822871 DM.
In diesem Zeitraum betrugen die Aufwendungen für Personal:
1975 385655 DM
1976 515577 DM
1977 757521 DM
1978 895036 DM
1979 1196924 DM
1980 1645119 DM.
Anläßlich einer im Jahre 1979 durchgeführten Betriebsprüfung für die Jahre 1975 bis 1977 kam der Prüfer zu der Auffassung, daß angesichts der hohen Anzahl an Beschäftigten und dementsprechend hohen Umsätzen der Kläger nicht mehr freiberuflich tätig sei. Um allerdings keine Existenzgefährdung des Klägers herbeizuführen, erklärten die Vertreter der Finanzverwaltung bei der Schlußbesprechung, daß - sofern sich die Umstände nicht änderten - erst ab 1980 eine gewerbliche Tätigkeit angenommen werde.
Im März 1982 reichte der Kläger seine Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1980 ein. Dabei erklärte er Betriebseinnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 2822871 DM und einen hieraus resultierenden Gewinn in Höhe von 567099 DM. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) folgte dem nicht, sondern nahm Einkünfte aus Gewerbebetrieb an.
Hiergegen wandte sich der Kläger nach erfolglosem Einspruch mit der zum Finanzgericht (FG) erhobenen Klage.
Das FG wies die Klage ab.
Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, die auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und einen Verfahrensmangel gestützt wird.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -)
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil die Klärung der Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts betrifft (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605 m.w.N.). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muß in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert dargelegt werden. Dazu genügt die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht. Der Beschwerdeführer muß vielmehr konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (vgl. BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht. So fehlt es bereits an einer eindeutigen Bezeichnung der nach Ansicht des Klägers klärungsbedürftigen Rechtsfrage. Hierzu genügt nicht der Hinweis, daß andere Steuerpflichtige mit vergleichbaren Übersetzungsbüros als Freiberufler behandelt würden (BFH-Beschluß vom 20. August 1992 IX B 46/92, BFH/NV 1993, 371).
Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn man davon ausgeht, der Kläger sehe als klärungsbedürftig die Frage an, ob ein Übersetzungsbüro deshalb als gewerblich anzusehen sei, weil zu etwa 25 v.H. Übersetzungen in Sprachen gefertigt würden, die der Inhaber nicht beherrscht. Allerdings gibt es zu dieser Frage noch keine Rechtsprechung des BFH. Der Hinweis, daß zu einer Frage bislang keine höchstrichterliche Entscheidung vorliege, reicht zur substantiierten Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung indessen nicht aus (BFH-Beschluß vom 23. April 1992 II B 162/91, BFH/NV 1992, 830). Im Streitfall kommt hinzu, daß es in Abschn. 136 Abs. 2 Satz 7 Nr. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien 1990 eine allgemeine Verwaltungsanweisung gibt, derzufolge ein Steuerpflichtiger, der ein Übersetzungsbüro unterhält, ohne daß er selbst über Kenntnis in den Sprachen verfügt, auf die sich die Übersetzungstätigkeit erstreckt, gewerblich tätig ist. Durch diese Verwaltungsanweisung ist zunächst eine einheitliche Handhabung gewährleistet. Der Kläger hätte infolgedessen darlegen müssen, von welcher Seite welche Argumente gegen die Verwaltungsanweisung vorgebracht werden.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß der Kläger die für sein Übersetzungsbüro wichtigste Sprache beherrscht. Es ist vielmehr durch mehrere BFH-Urteile geklärt, daß der individuelle, über die Leitungsfunktion hinausgehende Einsatz des Betriebsinhabers den gesamten Bereich der betrieblichen Tätigkeit umfassen muß, wenn die Voraussetzungen für ein freiberufliches Unternehmen gegeben sein sollen (BFH-Urteile vom 5. Dezember 1968 IV R 125/66, BFHE 94, 344, BStBl II 1969, 165 zum Leiter einer privaten Sprachschule; vom 2. Dezember 1980 VIII R 32/75, BFHE 132, 77, BStBl II 1981, 170 zu einem Filmhersteller; vom 11. September 1968 I R 173/66, BFHE 93, 468, BStBl II 1968, 820 zu einem Ingenieur, der mit fachlich vorgebildeten Arbeitskräften eine Beratungstätigkeit ausübte). Daraus folgt, daß der Betriebsinhaber auch über Kenntnisse verfügen muß, die sich auf den gesamten Bereich der betrieblichen Tätigkeit erstrecken (s. hierzu insbesondere BFH-Urteil in BFHE 94, 344, BStBl II 1969, 165).
Die Ausführungen des Klägers, die sich mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache befassen, betonen im wesentlichen, daß die Frage, ob eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit des Berufsträgers vorliegt, nach den tatsächlichen Verhältnissen zu beantworten ist. Die Richtigkeit dieser These ist jedoch nicht zweifelhaft und wird auch vom FG nicht in Frage gestellt. Vielmehr beruht das finanzgerichtliche Urteil gerade darauf, daß das FG aus den Gesamtumständen des Falles, insbesondere der Anzahl der Aufträge und der Zahl der beschäftigten Mitarbeiter, geschlossen hat, der Kläger habe nicht mehr eigenverantwortlich tätig sein können. Daß diese beiden Kriterien Indizien für eine nicht mehr als eigenverantwortlich zu bezeichnende Tätigkeit sein können, hat der Senat in seinem Urteil vom 1. Februar 1990 IV R 140/88 (BFHE 159, 535, BStBl II 1990, 507) dargelegt.
2. Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO)
Die Verfahrensrüge ist nicht in zulässiger Weise erhoben. Wird ein Verfahrensmangel gerügt, so ist u.a. die verletzte Rechtsnorm anzugeben (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO). Der Kläger hat indessen nicht dargetan, gegen welche Vorschrift das FG verstoßen haben sollte, indem es keine Ermittlungen darüber angestellt hat, ob und ggf. in welcher Weise die einzelnen Leistungen seines Ingenieurbüros getrennt als gewerblich einerseits und freiberuflich andererseits hätten behandelt werden können.
Soweit der Kläger mangelnde Sachaufklärung rügen will (Verstoß gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), wären Angaben dazu erforderlich gewesen, wann der Kläger gegenüber dem FG Beweismittel für die von ihm nötig gehaltene Sachaufklärung angeboten hat (vgl. Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Rdnr. 170). Will der Kläger rügen, das FG habe auch ohne Beweisantritt von Amts wegen aufklären müssen, so wäre für eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge erforderlich gewesen, die Beweismittel genau zu benennen, die das FG nicht erhoben hat, deren Erhebung sich aber auch ohne besonderen Antrag noch hätte aufdrängen müssen (Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 1978 6 B 81.78, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 115, Rechtsspruch 202). Im übrigen ist der behauptete Mangel in der mündlichen Verhandlung, in der der Kläger durch seinen Prozeßbevollmächtigten vertreten war, nicht gerügt worden (vgl. zu diesem Erfordernis Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rdnr. 38). Vielmehr hat der Kläger erstmalig im Revisionsverfahren überhaupt darauf hingewiesen, daß eine Trennung der Entgelte in gewerbliche und freiberufliche aufgrund seiner Gewinnermittlung möglich sei.
Fundstellen
Haufe-Index 419373 |
BFH/NV 1994, 168 |