Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Tritt jemand für eine Partei als Bevollmächtigter auf und legt er Revision ein, ohne innerhalb der hierfür gesetzten Frist die Vollmacht nachzureichen, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Die Entscheidung ergeht gegen den Stpfl., für den der vollmachtlose Vertreter aufgetreten ist.
Die Kosten sind demjenigen aufzuerlegen, der die Veranlassung zur erfolglosen Prozeßführung gegeben hat. Dies ist der vollmachtlose Vertreter dann, wenn er lediglich auf Grund einer zur Vertretung vor dem FG berechtigenden Vollmacht Revision eingelegt hat.
Normenkette
FGO §§ 62, 135, 155
Tatbestand
Gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 10. Dezember 1965 legte der Steuerberater Dr. X, der den Steuerpflichtigen (Stpfl.) im Verfahren vor dem FG vertreten hatte, Revision "als Bevollmächtigter des Rechtsmittelführers" ein. Auf die Schreiben der Geschäftsstelle vom 2. März und 22. April 1966, eine Prozeßvollmacht für das Verfahren vor dem BFH zu übersenden, teilte der Bevollmächtigte mit Schreiben vom 28. April 1966 mit, daß der Stpfl., der sich während des Laufs der Rechtsmittelfrist auf einer Reise in Afrika befunden habe, die Einlegung der Revision nicht gebilligt und die Erteilung der Vollmacht verweigert habe. Dadurch sei die Rechtsmitteleinlegung gegenstandslos geworden.
Nach dem Inhalt der Akten war dem Bevollmächtigten am 19. November 1960 durch den Stpfl. Vollmacht erteilt worden, ihn "beim Finanzgericht zu vertreten".
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig. Nach § 62 Abs. 1 FGO können sich die Beteiligten durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Die Vollmacht ist jedoch schriftlich zu erteilen. Sie kann nachgereicht werden, wofür das Gericht eine Frist bestimmen kann (§ 62 Abs. 3 FGO). Die von dem Bevollmächtigten zunächst ohne Vollmacht vorgenommenen Prozeßhandlungen sind wirksam, wenn die Vollmacht nachträglich eingereicht wird oder die Prozeßhandlungen vom Vertretenen genehmigt werden.
Der Bevollmächtigte hat innerhalb der ihm gesetzten Frist eine Vollmacht nicht beibringen können. Unter diesen Umständen fehlt es an einer Prozeßvoraussetzung (vgl. Baumbach-Lauterbach, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 28. Aufl., § 88 2 Bb; Koehler, Verwaltungsgerichtsordnung, § 67 III 7; Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, vor § 63 Tz. 8).
Die Vollmacht vom 19. November 1960 war dem Bevollmächtigten im ersten Rechtsgang erteilt worden. Da sie aber den Bevollmächtigten ganz allgemein zur Vertretung des Stpfl. beim FG ermächtigte, ist das Auftreten des Bevollmächtigten auch im zweiten Rechtsgang beim FG durch die Vollmacht gedeckt. Das finanzgerichtliche Verfahren und das Urteil des zweiten Rechtsgangs sind daher insoweit fehlerfrei, so daß es einer Aufhebung des Urteils nicht bedarf (vgl. Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 9. Aufl., § 51 II, 2).
Die Entscheidung mußte gegen die Steuerpflichtigen als Partei ergehen, für die der Bevollmächtigte zu handeln vorgegeben hat. Denn der in fremdem Namen Handelnde wird nicht dadurch Partei, daß ihm die Vertretungsmacht fehlt. Die Partei kann auch das Handeln des vollmachtlosen Vertreters genehmigen. Stein-Jonas-Pohle, Zivilprozeßordnung, 18. Aufl., § 88 III 2 b; Wieczorek, Zivilprozeßordnung, § 88 C II b 1, und die Kommentare zur Verwaltungsgerichtsordnung; Klinger, § 67 D 5 (S. 351), Koehler § 67 III 11, Redeker - von Oertzen, § 67 Anm. 26.
Unzutreffend ist die Auffassung des Bevollmächtigten, die Rechtsmitteleinlegung sei wegen der Verweigerung des Stpfl., eine Vollmacht zu erteilen, "gegenstandslos" geworden. Denn eine eingelegte Revision wird nicht dadurch gegenstandslos, daß es an einer Zulässigkeitsvoraussetzung, hier am Nachweis der Vollmacht, fehlt.
Die Kosten waren jedoch dem vollmachtlosen Vertreter aufzuerlegen. Hierfür war maßgebend, daß der Grund für die Prozeßkostenpflicht in der Veranlassung der erfolglosen Prozeßführung liegt (vgl. Rosenberg, a. a. O., § 51 II, 2). Auch kann der Vertreter die Partei ohne Vollmacht nicht verpflichten (vgl. Baumbach-Lauterbach, a. a. O., mit weiteren Nachweisen; Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 66 S. 39; Oberlandesgericht Hamburg, Beschluß vom 29. November 1955, Neue Juristische Wochenschrift 1956 S. 1403; anderer Ansicht Stein- Jonas-Pohle, Zivilprozeßordnung, 18. Aufl., § 88 III 2 c). Der Senat folgt der Auffassung von Rosenberg. Der vollmachtlose Vertreter hat die erfolglose Prozeßführung (Revision) dadurch veranlaßt, daß er, obwohl ihm Vollmacht zur Vertretung des Stpfl. nur beim FG erteilt war, Revision zum BFH eingelegt hat. Er kann sich insoweit auch nicht auf ein Mißverständnis berufen. Nach seiner eigenen Darstellung hat eine Unterredung zwischen ihm und dem Stpfl. über die Einlegung der Revision nicht stattgefunden.
Fundstellen
BStBl III 1967, 5 |
BFHE 1967, 1 |
BFHE 87, 1 |
StRK, FGO:62 R 1 |
NJW 1967, 904 |