Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung nach beiderseitiger Erledigungserklärung
Leitsatz (NV)
1. § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO ist nicht anwendbar, wenn die Behörde einen Verwaltungsakt aus Gründen aufhebt oder ändert, die mit der Anfechtungsklage nicht oder jedenfalls noch nicht geltend gemacht worden sind.
2. Zur Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO.
3. Erklären beide Beteiligten vor dem BFH die Hauptsache für erledigt, so ist das FG-Urteil wirkungslos (§ 155 FGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO - entsprechend -).
Normenkette
FGO §§ 138, 155; ZPO § 269 Abs. 3 S. 1 Hs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten haben darüber gestritten, ob der Erwerb eines Grundstücks von ca. . . . ha gegen einen Kaufpreis von . . . Mio DM insoweit von der GrESt befreit war, als die Klin. vorträgt, sie habe das Grundstück zur Errichtung einer Betriebstätte in einem strukturschwachen Gebiet erworben (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStStrukturG Nds.).
Eine Bescheinigung der zuständigen Behörde gemäß § 2 Abs. 2 GrEStStrukturG Nds. hat die Klin. bisher nicht vorgelegt. Der Veräußerin war allerdings seinerzeit eine entsprechende Bescheinigung erteilt worden.
Die Klin. hat hierzu im Klageverfahren vorgetragen: Sie sei beim Erwerb davon ausgegangen, daß die Bescheinigung auch für sie erteilt werde, da sie die Bauabsichten von der Veräußerin übernommen habe. Im Rahmen der Beantwortung bzw. Umschreibung der Bescheinigung sei jedoch bekannt geworden, daß die Bezirksregierung inzwischen festgestellt habe, ihre seinerzeitige Genehmigung des Bebauungsplanes sei nichtig gewesen, und daß die Gemeinde gegen diese Feststellung Klage erhoben habe.
Das FG hat die Klage abgewiesen und dies im wesentlichen wie folgt begründet: Die begehrte Steuerbefreiung könne deshalb nicht gewährt werden, weil die Klin. keine Bescheinigung gemäß § 2 Abs. 2 GrEStStrukturG Nds. vorgelegt habe. Das FG habe mit seiner Entscheidung nicht so lange warten müssen, bis das Verwaltungsgericht die strittige Frage der Nichtigkeit des Bebauungsplanes geklärt habe. Werde der Klin. noch eine Bescheinigung erteilt, so könne dies gegebenenfalls Anlaß zu einer Änderung oder Aufhebung des Steuerbescheides sein.
Die Klin. hat Revision eingelegt und vor allem gerügt, daß das FG nicht selbst darüber entschieden habe, ob die Bezirksregierung eine Bescheinigung hätte erteilen müssen.
Während des Revisionsverfahrens ist es zur Zwangsversteigerung des von der Klin. erworbenen Grundstücks gekommen, dessen Eigentümerin noch die Veräußerin war. Die Klin. hat mit . . . DM am . . . Juni 1986 das Meistgebot abgegeben. Das beklagte FA hat den angefochtenen GrESt-Bescheid vom 17. Dezember 1982 gemäß § 16 GrEStG 1983 aufgehoben. Beide Beteiligte haben daraufhin die Hauptsache für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung des Senats beschränkt sich darauf, über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden; denn die Beteiligten haben die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt (vgl. § 138 Abs. 1, § 155 FGO i. V. m. § 91 a ZPO).
Die Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO, wonach die Behörde die Kosten des Verfahrens trägt, wenn sich der Rechtsstreit dadurch erledigt, daß dem Antrag des Steuerpflichtigen durch Rücknahme oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts stattgegeben wird, sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Diese Voraussetzung ist nicht anwendbar, wenn die Behörde einen Verwaltungsakt aus Gründen aufhebt oder ändert, die mit der Anfechtungsklage nicht oder jedenfalls noch nicht geltend gemacht worden sind (Urteil vom 7. Juli 1972 III B 49/71, BFHE 106, 416, 418, BStBl II 1972, 955). Hiervon ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. Denn der angefochtene Steuerbescheid ist nicht wegen der geltend gemachten Klagegründe, sondern gemäß § 16 GrEStG mit Rücksicht auf die Ersteigerung des Grundstücks durch die Klin. aufgehoben worden.
Nach dem allein anwendbaren § 138 Abs. 1 FGO entspricht es billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes, die Kosten gegeneinander aufzuheben (vgl. auch den Beschluß des Hessischen FG vom 22. Januar 1969 V 485/86, EFG 1969, 203).
Der bisherige Sachstand spricht nicht für einen endgültigen Erfolg der Klage, da die Klin. während des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht i. S. des § 2 Abs. 2 Satz 1 GrEStStrukturG Nds. durch Vorlage einer Bescheinigung der Bezirksregierung nachgewiesen hat, daß die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung unter Nachversteuerungsvorbehalt erfüllt worden sind. Die Frage, ob das FG die Erteilung einer Zweckdienlichkeitsbescheinigung hätte abwarten oder selbst in dieser Frage hätte tätig werden müssen (vgl. zu dieser Problematik Boruttau / Egly / Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., § 4 Tz. 86) bedarf in diesem Zusammenhang keiner Erörterung, da nach dem bisherigen Sachstand nicht abzusehen ist, ob eine Zweckdienlichkeitsbescheinigung erteilt worden wäre oder hätte erteilt werden müssen und darüber hinaus auch die vom FA selbständig zu prüfenden Voraussetzungen erfüllt worden sind. Darüber hinaus dürfte im Zeitpunkt der Entscheidung des FG bereits absehbar gewesen sein, daß eine fristgerechte Zweckverwendung (vgl. § 3 GrEStStrukturG Nds.) nicht mehr zu erwarten war.
Andererseits ist aber zu berücksichtigen, daß der materielle Streit nach der Aufhebung des Bescheides gemäß § 16 GrEStG 1983 keiner Entscheidung mehr bedarf und deshalb auch nicht mehr gerichtlich geklärt werden kann, ob die Klage (ohne die Aufhebung des Bescheides gemäß § 16 GrEStG 1983) ohne Erfolg geblieben wäre. Der Senat ist der Auffassung, daß unter diesen Umständen die Aufhebung der Kosten gegeneinander billigem Ermessen entspricht.
Daß das angefochtene Urteil des FG wirkungslos geworden ist, folgt aus dem entsprechend anwendbaren § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO (vgl. § 155 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 414910 |
BFH/NV 1988, 111 |