Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung wegen fehlender Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens
Leitsatz (NV)
1. Zahlungen einer GmbH an ihren beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer sind verdeckte Gewinnausschüttungen, wenn der Geschäftsführer für das zugrundeliegende In-sich-Geschäft nicht vom Verbot des Selbstkontrahierens befreit war (§ 181 BGB).
2. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel, daß § 41 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 einer verdeckten Gewinnausschüttung auch dann nicht entgegensteht, wenn die Beteiligten die auf unwirksamen Vereinbarungen beruhenden Zahlungen nicht rückgängig machen.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3; AO 1977 § 41 Abs. 1; KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2; BGB § 181
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist im Hauptverfahren die steuerliche Anerkennung von Leistungen einer GmbH an ihren Alleingesellschafter aufgrund von Verträgen, die er ohne Befreiung von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für die Kapitalgesellschaft abgeschlossen hatte.
Die Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) ist eine GmbH. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war im Streitjahr 1986 S. Der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag vom 27. September 1968 sah keine Befreiung des Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB vor.
Mit Vertrag vom 30. Juni 1982 vereinbarte S mit der Klägerin für sich selbst ein Gehalt von monatlich . . . DM. Mit Vertrag vom 6. Januar 1986 vermietete er seinen neu angeschafften PKW an die Klägerin für monatlich . . . DM. Beide Verträge schloß S als In-sich-Geschäfte im Namen der Klägerin und im eigenen Namen.
Der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) vertrat bei der Körperschaftsteuer-Veranlagung 1986 die Auffassung, daß die Gehalts- und Mietzahlungen auf unwirksamen Verträgen beruhten und deshalb als verdeckte Gewinnausschüttungen dem Einkommen der Klägerin zuzurechnen seien. Im Körperschaftsteuerbescheid 1986 vom 2. Dezember 1988 rechnete das FA den Betrag dem Einkommen zu. Über die nach erfolglosem Einspruchsverfahren gegen den Körperschaftsteuerbescheid erhobene Klage ist noch nicht entschieden.
Durch Gesellschafterbeschluß vom 4. August 1988 wurde die Satzung der Klägerin geändert. Die neue Satzung sah vor, daß der Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluß von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden könne. Die Satzungsänderung wurde am 25. August 1988 in das Handelsregister eingetragen.
Am 13. Dezember 1988 beantragte die Klägerin beim FA, die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheids 1986 auszusetzen. Das FA lehnte den Antrag ab. Die zuständige Oberfinanzdirektion (OFD) bestätigte die Ablehnung durch Beschwerdeentscheidung vom 16. Februar 1989. Darauf beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 21. April 1989 beim Finanzgericht (FG) Aussetzung der Vollziehung. Das FG gab dem Antrag statt und setzte die Vollziehung mit dem angefochtenen Beschluß insoweit aus, als dem Körperschaftsteuerbescheid die vom FA angenommene verdeckte Gewinnausschüttung zugrunde lag.
Das FA macht mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde geltend, daß keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheids bestünden.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet.
Gemäß § 69 Abs. 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheids.
a) Eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist und sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt. Bei einem beherrschenden Gesellschafter kann die Vermögensminderung auch in dem Entgelt bestehen, das die Gesellschaft an den Gesellschafter zahlt bzw. zu zahlen hat, obwohl es hierfür an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung fehlt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Mai 1989 I R 90/85, BFHE 157, 168, BStBl II 1989, 800 m. w. N.). Die Vereinbarung muß zivilrechtlich wirksam abgeschlossen sein (BFH-Urteil vom 22. September 1976 I R 68/74, BFHE 120, 200, BStBl II 1977, 15).
b) Die im Aussetzungsverfahren gebotene summarische Prüfung ergibt keine ernstlichen Zweifel an der dem angefochtenen Steuerbescheid zugrundeliegenden verdeckten Gewinnausschüttung.
aa) S war im Streitjahr als Alleingesellschafter beherrschender Gesellschafter der Klägerin.
bb) Die den Gehalts- und Mietzahlungen zugrundeliegenden Vereinbarungen waren zivilrechtlich bis zum Ablauf des Streitjahres 1986 nicht wirksam. S war als Geschäftsführer Vertreter der Klägerin. Ein Vertreter kann im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen Rechtsgeschäfte nur vornehmen, wenn ihm das gestattet ist (§ 181 BGB). Da weder die Satzung der Klägerin noch ein sonstiger Gestattungsakt den Geschäftsführer der Klägerin von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit hatte, konnte S keine wirksamen Rechtsgeschäfte im Namen der Klägerin mit sich im eigenen Namen vornehmen.
2. Die verdeckte Gewinnausschüttung entfällt nicht durch die Satzungsänderung des Jahres 1988. Es kann dahinstehen, ob die Satzungsänderung überhaupt zivilrechtlich zurückwirken konnte, da die neugefaßte Satzung keinen Hinweis auf eine mögliche Rückwirkung enthält. Selbst wenn die Verträge vom 30. Juni 1982 und vom 6. Januar 1986 jedoch durch den inzwischen von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführers im Jahre 1988 zivilrechtlich wirksam rückwirkend genehmigt wurden, würde die verdeckte Gewinnausschüttung des Jahres 1986 nicht rückwirkend beseitigt. Eine nachträgliche Änderung der vertraglichen Grundlagen kann das Fehlen einer im voraus geschlossenen klaren und eindeutigen Vereinbarung nicht ersetzen. Die nachträgliche Genehmigung verdeutlicht vielmehr die Mängel der ursprünglichen Vereinbarung.
3. Auch aus § 41 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) ergibt sich nichts anderes.
Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ist die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts für die Besteuerung unerheblich, soweit die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts eintreten und bestehen lassen.
Knüpft der Besteuerungstatbestand - wie im Streitfall - an die fehlende zivilrechtliche Wirksamkeit einer Zahlungsgrundlage, so kann die entstandene Steuer nicht durch rückwirkende Behebung des zivilrechtlichen Mangels beseitigt werden. Der Streitfall unterscheidet sich insoweit vom Tatbestand des § 41 Abs. 1 AO 1977. Gemäß § 41 Abs. 1 AO 1977 wird ein wirtschaftlicher Sachverhalt der Besteuerung trotz fehlender Wirksamkeit vertraglicher Grundlagen zugrunde gelegt, wenn das wirtschaftliche Ergebnis erhalten bleibt. Faktisch erzielte Einkünfte sollen diese Eigenschaft nicht dadurch verlieren, daß sie aufgrund unwirksamer Vereinbarungen erzielt wurden. Im Streitfall wird die Steuer nicht durch faktisch dem Empfänger belassene Einkünfte ausgelöst, sondern durch das Fehlen einer zivilrechtlich wirksamen, im voraus geschlossenen Vereinbarung. Die Rechtsprechung hat deshalb zutreffend die Anwendung des § 41 Abs. 1 AO 1977 bei formfehlerhaften Verträgen mit nahen Angehörigen verneint (vgl. BFH-Urteile vom 13. Mai 1980 VIII R 75/79, BFHE 131, 208, BStBl II 1981, 297 m. w. N.; vom 25. November 1986 IX R 51/82, BFH/NV 1987, 159 und Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 20. November 1984 1 BvR 1406/84, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetze ab 1975, § 15 Abs. 1 Nr. 2, Familienpersonengesellschaft, Rechtsspruch 8). Das gilt auch bei unwirksamen Verträgen mit beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern einer Kapitalgesellschaft.
Im übrigen wird der bestehenbleibende Vermögensabfluß aus der Kapitalgesellschaft der Besteuerung bei Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung zugrunde gelegt. Der tatsächliche Vermögensabfluß wird steuerlich im Rahmen des § 27 KStG 1977 berücksichtigt, was zu Steuererhöhungen oder zu Steuerminderungen führen kann. Die Vermögensminderung wird lediglich wegen unklarer Abgrenzung des gesellschaftsrechtlichen und des schuldrechtlichen Bereichs der gesellschaftsrechtlichen Ebene zugeordnet. Auch beim Gesellschafter werden die bestehenbleibenden Leistungen als Einkünfte erfaßt. Die von ihm unstreitig erzielten Einkünfte werden lediglich wegen fehlender klarer und im voraus getroffener Vereinbarungen in Kapitaleinkünfte umqualifiziert. Damit ist die Erhöhung um die anrechenbare Körperschaftsteuer und die Möglichkeit der Körperschaftsteueranrechnung verbunden.
4. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß die Vollziehung des angefochtenen Bescheids für die Klägerin eine unbillige Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 417076 |
BFH/NV 1991, 704 |