Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung gegenüber beherrschenden Gesellschafter
Leitsatz (NV)
1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß zwei Gesellschafter, die mit je 50 v. H. an einer GmbH beteiligt sind und denen die GmbH eine dem Grunde nach in gleicher Weise zu berechnende Gewinntantieme zuspricht, auch dann als beherrschende zu behandeln sind, wenn die Tantiemenbeträge wegen individuell unterschiedlicher Geschäftserfolge unterschiedlich hoch ausfallen.
2. Zur Behandlung von Vereinbarungen innerhalb von Dauerschuldverhältnissen als inhaltlich klar.
3. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob eine rohgewinnbezogene Tantieme wie eine Umsatztantieme behandelt werden kann.
4. Zur steuerlichen Anerkennung einer rohgewinnbezogenen Tantieme bis zur Höhe eines angemessenen Geschäftsführergehaltes.
Normenkette
KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2, § 27 Abs. 3 S. 2; FGO § 69 Abs. 3, 2 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Vor dem Bundesfinanzhof (BFH) ist unter I R 9/95 die vom Finanzgericht (FG) Köln zugelassene und von der Klägerin, Revisionsklägerin und Antragstellerin (Klägerin) eingelegte Revision gegen das Urteil des FG wegen Körperschaftsteuer 1988 anhängig. Zu der Revision hat die Klägerin mit Schreiben vom 16. Januar 1995 beantragt, die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheides zu verfügen. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin ist eine im Jahre 1985 mit einem Stammkapital von 200 000 DM gegründete GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland.
Im Streitjahr 1988 waren an der Klägerin A und B mit je 50 v. H. beteiligt. Beide Gesellschafter waren auch zu Geschäftsführern der Klägerin bestellt. Es bestanden Geschäftsführerverträge vom 1. Juli 1987. Danach hatten A und B Anspruch auf ein Geschäftsführergehalt in Höhe von 43 v. H. des Rohgewinns. Dies entspricht auch einem Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 3. August 1987.
Am 2. August 1988 beschloß die Gesellschafterversammlung, daß die Geschäftsführer in Abweichung von der bisherigen Gehaltsvereinbarung mit Wirkung ab dem 1. August 1988 ein zusätzliches Gehalt von 1500 DM monatlich "für die bisher nicht vergütete Geschäftsführer-Tätigkeit" erhalten sollten.
Die Klägerin hatte ein abweichendes Wirtschaftsjahr, das vom 1. Juli 1987 bis zum 30. Juni 1988 dauerte. Sie wurde für 1988 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO 1977) zur Körperschaftsteuer veranlagt. Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Antragsgegner (das Finanzamt -- FA --) führte für die Veranlagungszeiträume 1989 bis 1991 eine Betriebsprüfung durch. Außerhalb der eigentlichen Betriebsprüfung vertrat das FA die Auffassung, daß die vom 1. Juli 1987 bis zum 30. Juni 1988 an A und B gezahlten Geschäftsführervergütungen in Höhe von 107 338 DM (A) und von 113 016 DM (B) als verdeckte Gewinnausschüttungen i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 und als andere Ausschüttungen i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 zu behandeln seien. Es erließ am 25. November 1992 einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1988, in dem das zu versteuernde Einkommen mit 166 060 DM, die Tarifbelastung mit 92 994 DM festgestellt und die Körperschaftsteuer mit 124 367 DM festgesetzt wurde.
Der Einspruch und die Klage blieben erfolglos.
Mit ihrem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nimmt die Klägerin Bezug auf einen Beschluß des FG vom 13. Juni 1994, durch den das FG in einem früheren Verfahrensstadium die Vollziehung des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheides bis einen Monat nach Bekanntgabe einer Entscheidung über die anhängige Klage ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt hatte. Ferner nimmt die Klägerin auf ihre Revisionsbegründung Bezug.
Sie beantragt, die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides 1988 vom 25. November 1992 in voller Höhe auszusetzen.
Das FA beantragt, den Antrag abzulehnen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag der Klägerin ist begründet. Es war die Vollziehung des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheides 1988 bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Revision I R 9/95 mit der Maßgabe auszusetzen, daß die in der Vergangenheit angefallenen Säumniszuschläge nicht erhoben werden dürfen. Mit Rücksicht auf die Erfolgsaussichten der Klägerin erscheint die Anordnung einer Sicherheitsleistung nicht erforderlich.
1. Die für die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheides gemäß § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderlichen ernstlichen Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluß des BFH vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182). Solche Zweifel sind im Streitfall bezüglich den vom FA und vom FG angenommenen verdeckten Gewinnausschüttungen i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1984 und anderen Ausschüttungen i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1984 zu bejahen.
2. Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. BFH-Urteil vom 2. Februar 1994 I R 78/92, BFHE 173, 412, BStBl II 1994, 479). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Ist allerdings der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine verdeckte Gewinnausschüttung auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795). Schließlich kann die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch darin begründet sein, daß das zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter tatsächlich abgeschlossene Rechtsgeschäft zwar auch von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter vereinbart worden wäre, jedoch aus anderen Gründen des Fremdvergleichs als von Anfang an nicht ernstlich gewollt anzusehen ist (vgl. BFH-Urteile vom 23. Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673; vom 17. Oktober 1984 I R 22/79, BFHE 142, 276, BStBl II 1985, 69; vom 2. Juli 1986 I R 144/85, BFH/NV 1987, 398; vom 2. Dezember 1992 I R 54/91, BFHE 170, 119, BStBl II 1993, 311; vom 16. Dezember 1992 I R 2/92, BFHE 170, 175, BStBl II 1993, 455; vom 29. Juni 1994 I R 11/94, BFHE 175, 253, BStBl II 1994, 952).
3. a) Der erkennende Senat hat bezogen auf den Streitfall keine ernstlichen Zweifel daran, daß A und B als beherrschende Gesellschafter der Klägerin anzusehen sind. Sie waren zu jeweils 50 v. H. an der Klägerin beteiligt. Ihnen waren dem Grunde nach gleich hohe Tantiemen versprochen worden. Zwar erhielten A und B im Streitjahr unterschiedlich hohe Vergütungen ausbezahlt. Dies beruhte jedoch ausschließlich darauf, daß die von ihnen erzielten "Rohgewinne" unterschiedlich hoch waren. Darauf kommt es jedoch nicht an. Entscheidend ist, daß A und B die gleiche Chance hatten, rohgewinnbezogene Ver gütungen zu erzielen. Dies rechtfertigt die Annahme, daß sie bei Abschluß der Vergütungsvereinbarungen gleichgerichtete Interessen verfolgten.
b) Ernstliche Zweifel bestehen jedoch insoweit, als das FA von einer unklaren Vereinbarung ausgegangen ist. Das FG hat diese Frage zwar nicht abschließend beurteilt. Es hat jedoch offensichtlich der Annahme einer klaren Vereinbarung zugeneigt. Zwar läßt der in den Vereinbarungen verwendete Begriff "Rohgewinn" seine Bezugsgröße nicht erkennen. Insbesondere ist unklar, welche Aufwendungen in die Ermittlung des Rohgewinns eingehen müssen und ob es sich dabei um den Rohgewinn der Klägerin insgesamt oder um den Rohgewinn nur aus der Tätigkeit von A bzw. B handelt. Jedoch sind Vereinbarungen, die eine Kapitalgesellschaft mit ihrem beherrschenden Gesellschafter abschließt, auslegungsfähig (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 1991 I R 63/90, BFHE 166, 279, BStBl II 1992, 362). Entgegen der Auffassung des FA kann vor allem bei Dauerschuldverhältnissen zu Auslegungszwecken auf die tatsächliche Übung ab dem Zeitpunkt zurückgegriffen werden, ab dem sie objektiv erkennbar nach außen in Erscheinung tritt (vgl. BFH, a. a. O.). Auf den Streitfall bezogen ist dies der Augenblick, ab dem die tatsächliche Übung in den Büchern der Klägerin nachweislich festgehalten wurde. Sollten deshalb A und B einerseits und die Klägerin andererseits den vertraglich angesprochenen Begriff "Rohgewinn" stets übereinstimmend in einem bestimmten Sinne ausgelegt und sollte diese Auslegung in der Buchführung der Klägerin ihren Niederschlag gefunden haben, so kann von einem mündlichen Einvernehmen über den Inhalt des Begriffes ausgegangen werden, was die Annahme einer unklaren Vereinbarung ausschließt. Vor diesem Hintergrund wäre das Fehlen vertraglicher Vereinbarungen über Fälligkeiten und Abschlagszahlungen unschädlich. Solche Vereinbarungen betreffen nur den Vollzug des Vertrages und nicht das Entstehen von Forderungen und Verbindlichkeiten. Bezüglich des Vollzugs des Vertrages reicht es aus, wenn die Klägerin sowie A und B sich wie einander fremde Personen verhielten. Soweit das FA auf Abrechnungsfehler für den Monat Februar 1990 hinweist, hat der Sachvortrag keine Berührung mit dem Streitjahr. Gleiches gilt für die am 2. August 1988 getroffene zusätzliche Vergütungsvereinbarung. Die im Schriftsatz des FA vom 28. März 1995 unter Nr. 2 Buchst. e bis g angestellten Überlegungen betreffen nicht die Rechtsprechung zum beherrschenden Gesellschafter, sondern die zu einem Fremdvergleich.
4. a) Der erkennende Senat hat Bedenken, der vom FG vertretenen Rechtsauffassung zu folgen, wonach die im Streitfall vereinbarte rohgewinnbezogene Tantieme steuerlich wie eine Umsatztantieme zu behandeln sein soll. Das FG hat nicht näher dargelegt, weshalb die Risiken der beiden genannten Vergütungen für die Klägerin ähnlich waren. Das Anknüpfen an einen Rohgewinn bedeutet zunächst einmal das Einbeziehen von Aufwandspositionen in die Bemessungsgrundlage der Vergütung. Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zu einer Umsatztantieme. Bei dieser Sachlage hätte das FG die Bedeutung des Einkaufspreises gegenüber den anderen betrieblich veranlaßten Aufwendungen gewichten müssen, um schlüssig darzulegen, daß für die Klägerin das ernsthafte Risiko bestand, eine Vergütung auch dann zahlen zu müssen, wenn sie insgesamt einen Verlust erleidet.
b) Das FG hat zwar die rohgewinnbezogenen Provisionen unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs insgesamt als verdeckte Gewinnausschüttung und als andere Ausschüttung behandelt. Es hat jedoch unbeachtet gelassen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats vor allem das Fehlen einer klaren, von vornherein abgeschlossenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung eine solche Annahme erlaubt hätte. Zwar kann eine Entgeltsvereinbung auch unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs schon dem Grunde nach unüblich sein. Auch wenn -- wie im Streitfall -- klar zum Ausdruck gebracht ist, daß die Geschäftsführer nur gegen Entgelt tätig sein wollten, kann eine ausschließlich vom Rohgewinn abhängige Vergütung möglicherweise keinem Fremdvergleich standhalten. Sie wäre dann als verdeckte Gewinnausschüttung zu behandeln. Auf die BFH-Urteile in BFHE 170, 119, BStBl II 1993, 311, und vom 5. Oktober 1994 I R 50/94 (BFHE 176, 523) wird hingewiesen.
Sollte die Vereinbarung auch unter Fremden denkbar sein, wären lediglich Ernsthaftigkeit und Angemessenheit zu prüfen. Von der Ernsthaftigkeit der Vereinbarungen kann ausgegangen werden, da weder das FA noch das FG Anhaltspunkte festgestellt haben, die geeignet wären, die Ernsthaftigkeit der tatsächlich abgeschlossenen Entgeltsvereinbarung in Zweifel zu ziehen. Unter Angemessenheitsgesichtspunkten hätten FA und FG zumindest ein angemessenes Geschäftsführergehalt für A und B steuerlich anerkennen müssen. Da die in Höhe von 107 338 DM bzw. von 113 016 DM tatsächlich gezahlten Vergütungen nicht schon auf den ersten Blick als unangemessen bezeichnet werden können, beziehen sich die vom Senat angenommenen ernstlichen Zweifel auf den Gesamtbetrag der verdeckten Gewinnausschüttungen und der anderen Ausschüttungen.
Fundstellen
Haufe-Index 420775 |
BFH/NV 1996, 178 |