Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wegen Fehlens hinreichender Erfolgsaussichten
Leitsatz (NV)
1. Zur Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Vertagungsantrags nach § 155 FGO i.V.m. § 227 ZPO.
2. Zu den Voraussetzungen der Mitunternehmerschaft bei gewerbsmäßigem Tierhandel durch ein Ehepaar.
Normenkette
FGO § 142; ZPO § 114; FGO § 155; ZPO § 227; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Kläger, Revisionskläger und Antragsteller (Antragsteller) sind Eheleute.
Aufgrund einer bei ihnen vom November 1975 bis April 1976 durchgeführten Betriebs- und Fahndungsprüfung hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgende Erlöse aus dem Verkauf von Tieren festgestellt:
1973: 30 472 DM
1974: 122 817 DM
1975: 73 915 DM (bis einschl. Sept.).
Diese Erlöse sind durch Quittungen belegt, die von der Antragstellerin und dem Antragsteller unterzeichnet sind. Zum Teil unterzeichnete der Antragsteller mit dem Namen seiner Ehefrau. Die Tiere wurden von einer Vielzahl von Händlern bezogen und in der Regel in Zeitschriften angeboten. An den jeweiligen Verhandlungen wegen des Verkaufs der Tiere waren sie beide beteiligt und firmierten auf den für die Käufer bestimmten Quittungen und Abstammungsbescheinigungen unter dem Namen . . .
Gegenüber dem Ordnungsamt der Stadt X deklarierten die Antragsteller die Verkäufe als Vermittlung von Tieren innerhalb von Vereinen für andere Vereinsmitglieder.
Aufgrund der getroffenen Feststellungen schätzte das FA die gewerblichen Einkünfte wie folgt:
1973: 35 000 DM
1974: 125 000 DM
1975: 100 000 DM.
Die Gewinne errechnete es mit 50 v. H. des Umsatzes. Dabei ging es davon aus, daß die Antragsteller einen gewerblichen Tierhandel in Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR) betrieben. Die Gewinne aus Gewerbebetrieb wurden dementsprechend einheitlich und gesondert festgestellt und den Antragstellern je zur Hälfte zugerechnet. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit Schreiben vom 14. Januar und vom 16. Januar 1977 erhoben die Antragsteller dagegen Klage. Die Antragstellerin beantragte Armenrecht, das ihr zunächst verweigert wurde. Gegen den ablehnenden Beschluß des Finanzgerichts (FG) legte der von der Anstragstellerin bevollmächtigte Rechtsanwalt A Beschwerde ein. Im Beschwerdeverfahren legte dieser eine auf ihn lautende Vollmacht vor. Mit Beschluß vom 17. Dezember 1980 wurde der Antragstellerin der Rechtsanwalt A zur Wahrnehmung ihrer Rechte beigeordnet. Da dieser den Anwaltsberuf niederlegte und für die Antragstellerin nicht mehr tätig werden konnte, schrieb das FG sie am 23. März 1981 an, ob sie mit der Beiordnung des Rechtsanwalts B einverstanden sei, und forderte außerdem den Rechtsanwalt B mit Schreiben vom gleichen Tag auf, ,,Vollmacht und Einverständnis der Klägerin mit der vorgeschlagenen Beiordnung" bis zum 15. April 1981 vorzulegen. Auf beide Schreiben erfolgte keine Reaktion.
Mit Ladungen vom 2. September 1982 wurden die Antragsteller zur mündlichen Verhandlung am 13. Oktober 1982 in der Gewinnfeststellungssache 1973 bis 1975 geladen.
Mit Telebrief vom 12. Oktober 1982, der beim FG noch am selben Tag einging, beantragten die Antragsteller die Vertagung des anberaumten Termins, weil Rechtsanwalt B vom Termin nicht benachrichtigt worden sei, der Antragsteller bettlägerig und die Antragstellerin wegen seiner Pflegebedürftigkeit und der Betreuung der kleinen Kinder nicht abkömmlich sei.
Das FG führte die mündliche Verhandlung in Abwesenheit der Antragsteller durch und lehnte ihren Vertagungsantrag durch Beschluß ab. Die Klage wurde abgewiesen.
Gegen das FG-Urteil haben sowohl die Antragsteller als auch die von ihnen bevollmächtigten Rechtsanwälte Revision eingelegt und zur Begründung im wesentlichen vorgetragen: Das FG habe den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, weil es den Vertagungsantrag der Antragsteller nicht hätte zurückweisen dürfen. Diese hätten davon ausgehen dürfen, daß die Terminsladung auch dem beteiligten Anwalt zugestellt würde. Sie wären daher nicht verpflichtet gewesen, ihn von dem anstehenden Termin zu benachrichtigen. Erst als sie am 12. Oktober 1982 erfuhren, daß der Anwalt die Ladung nicht erhalten habe, hätten sie den Vertagungsantrag gestellt. Dies könne ihnen nicht zum Vorwurf gemacht werden. Das Urteil leide auch an materiellen Mängeln. Das FG habe nicht geprüft, ob die Antragsteller als gesetzliche Vertreter oder Beschäftigte verschiedener Vereine einen Tierhandel nicht lediglich vermittelt hätten und ob die werbende Tätigkeit nicht lediglich den Vereinen zuzurechnen sei. Aus den Strafakten ergebe sich, daß die Antragsteller in verschiedenen Tierzuchtvereinen maßgeblichen Einfluß gehabt hätten. Die ausgestellten Quittungen sprächen nicht gegen eine Tätigkeit in fremdem Namen. Es wird ferner geltend gemacht, daß keine Tiere von Händlern bezogen worden und diese auch nicht in Fachzeitschriften angeboten worden seien. Die angeführten Quittungen belegten keine ,,Erlöse" und es hätten auch nie ,,Erlöse stattgefunden". Die Zucht und die Vermittlung an die Vereinsmitglieder seien nur durch die Antragstellerin erfolgt; deshalb läge auch keine GdbR vor. Eine Gewinnerzielung sei nie beabsichtigt gewesen, sondern lediglich Unkostenerstattung. Tatsächlich sei nicht einmal eine Unkostendeckung erreicht worden.
Zur Durchführung des Revisionsverfahrens bitten die Antragsteller sowie die von ihnen bevollmächtigten Rechtsanwälte um die Gewährung von Prozeßkostenhilfe.
Entscheidungsgründe
Die Anträge auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe werden abgelehnt.
Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet nicht hinreichend Aussicht auf Erfolg.
1. Die geltend gemachte Verfahrensrüge hat keine Erfolgsaussichten, weil das FG den Vertagungsantrag nach § 155 FGO i.V.m. § 227 ZPO zu Recht abgelehnt und die mündliche Verhandlung ohne die Antragsteller durchgeführt hat.
Entgegen der Meinung der Antragsteller war das FG nicht verpflichtet, auch Rechtsanwalt B zum Termin zu laden, da dieser der Antragstellerin nicht als Bevollmächtigter beigeordnet war. Denn es hat weder die Antragstellerin auf das Schreiben vom 23. März 1981 reagiert, noch wurde die vom FG zu Recht (§ 62 Abs. 3 FGO) verlangte Vollmacht vorgelegt. Bei dieser Sachlage war das FG sogar gehalten, nur die Antragsteller zum Termin zu laden.
Im übrigen ist nicht ersichtlich, warum die ordnungsgemäß geladenen Antragsteller bei einer Ladungsfrist von gut vier Wochen nicht eher mit ihrem Rechtsanwalt Rücksprache genommen haben, sondern dies erst am letzten Tag vor dem Termin taten, zumal ein Beschluß über die Beiordnung des Rechtsanwalts B, wie ihnen bekannt war oder zumindest hätte bekannt sein müssen, noch nicht vorlag. Aus den Ladungsformularen war außerdem klar zu erkennen, daß der Prozeßbevollmächtigte nicht gesondert geladen worden war.
Das FG war auch nicht verpflichtet, die Verhandlung wegen Vorliegens eines erheblichen Grundes nach § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu vertagen. Denn beide Antragsteller waren nicht ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert (§ 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO): Wenn der Antragsteller, wie behauptet, ,,lange" im Krankenhaus lag, hätte dieser Umstand dem FG rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt werden können und müssen und nicht am letzten Tag der Ladungsfrist. Durch diese Verhaltensweise hat er dem FG eine Überprüfung seines Vorbringens unmöglich gemacht, denn das FG war nicht mehr in der Lage, nach § 227 Abs. 3 ZPO zu verlangen, daß der ,,erhebliche Grund" etwa durch Vorlage eines Attestes noch vor dem anberaumten Verhandlungstermin glaubhaft zu machen sei. Unter diesen Umständen mußte das FG die bloß behauptete Krankheit nicht als wahr unterstellen. Um Nachteile zu vermeiden, hätte der Antragsteller das Attest daher von sich aus vorlegen oder zumindest nachreichen müssen; beides hat er versäumt.
Die Betreuung von Kindern und eines kranken Ehegatten ist im allgemeinen kein erheblicher Grund i. S. des § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Denn es ist der Partei grundsätzlich zuzumuten, die Betreuung der ihrer Pflege anvertrauten Personen für den Fall einer vorhersehbaren, kurzzeitigen Abwesenheit einem Verwandten oder Bekannten zu übertragen. Außerdem hätte das FG auch von diesem Umstand rechtzeitig informiert werden können und müssen. Es war bei dieser Sachlage berechtigt, die mündliche Verhandlung ohne die Antragsteller durchzuführen, zumal diese bei einer viereinhalbjährigen Prozeßdauer ausreichend Gelegenheit hatten, sich schriftlich mit den Ermittlungsergebnissen des FA auseinanderzusetzen.
2. Auch die Sachrügen haben keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Das FG hat seinen Feststellungen die Ermittlungsergebnisse im Fahndungsbericht und im Prüfungsbericht des FA zugrunde gelegt. Diese Ergebnisse beruhen ihrerseits auf umfangreichen polizeilichen Ermittlungen, die das FG gleichfalls herangezogen hat. Die demgegenüber vorgebrachten Einwendungen der Antragsteller greifen nicht durch.
a) Die Antragsteller haben den Tierhandel nach den vom FG getroffenen und für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen in Form einer GdbR (§ 705 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) betrieben, nicht als gelegentliche Vermittler von Tierverkäufen für irgendwelche Vereinsmitglieder. Es kann offenbleiben, ob das vom FG zitierte Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Februar 1980 I R 196/77 (BFHE 131, 462, BStBl II 1981, 210), wonach der stillschweigende Abschluß eines Gesellschaftsvertrags schon darin gesehen werden kann, daß mehrere Personen durch gemeinsame Ausübung der Unternehmerinitiative und durch gemeinsame Übernahme des Unternehmerrisikos auf einen bestimmten Zweck hin tatsächlich zusammenwirken, nicht durch den Beschluß des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) überholt ist. Denn nach den Ausführungen des Großen Senats (in BFHE 141, 405, 438, 439, BStBl II 1984, 751, 768) kann Mitunternehmer i. S. des § 15 (Abs. 1) Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) grundsätzlich nur sein, wer zivilrechtlich Gesellschafter einer Personengesellschaft ist. Gesellschafter einer Personengesellschaft ist aber nur, wer sich vertraglich mit mehreren Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks verbunden hat. Jedoch lassen die vom FG getroffenen Feststellungen den Schluß auf eine Willensübereinstimmung der Antragsteller über die Herbeiführung eines rechtlichen Erfolges (s. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 44. Aufl., Anm. 1 a Einf. vor § 145) zu, nämlich die Begründung und Durchführung eines Gesellschaftsverhältnisses. Denn die Willensübereinstimmung braucht nicht schriftlich fixiert zu sein. Es reicht aus, daß sie sich in bestimmten Handlungen manifestiert, die auf eine, wenn auch stillschweigende Willenseinigung über die Errichtung einer GdbR schließen lassen.
Im Streitfall haben derartige Handlungen bei den Antragstellern vorgelegen: sie veräußerten über mehrere Jahre hinweg an Hunderte von Käufern Tiere. Im Rechtsverkehr traten sie gemeinschaftlich auf, wie sich aus den von ihnen ausgestellten Quittungen und Abstammungsbescheinigungen ergibt. Sie haben beide Verhandlungen über den Verkauf der Tiere geführt und das Geld für sich vereinnahmt. Denn die Fehlbeträge, die das FG aufgrund der von den Antragstellern nicht widerlegten Geldverkehrsrechnung (S. 6 des Betriebsprüfungsberichts) für die Streitjahre feststellte, lassen den vom FA und vom FG gezogenen Schluß zu, daß sie aus den nichtversteuerten Einnahmen aus den Tierverkäufen stammen und von den Antragstellern für ihre gemeinsame Lebenshaltung verbraucht wurden. Die Antragsteller haben nämlich nirgends vorgetragen, geschweige nachgewiesen, daß sie die erhaltenen Gelder an bestimmte Vereinsmitglieder weitergeleitet haben.
Das FG hat aus den schriftlich festgehaltenen Zeugenaussagen über die Tierverkäufe und das von den Antragstellern dabei gezeigte Verhalten - Verkauf der Tiere an die Kaufinteressenten ohne Hinweis darauf, daß dies in fremdem Namen geschehe, und Vereinnahmung der dafür gezahlten Entgelte - die Überzeugung gewonnen, daß sie in eigenem Namen und für eigene Rechnung aufgetreten sind und das Vertretungsverhältnis entgegen dem wirklichen Sachverhalt lediglich gegenüber dem Ordnungsamt vorgeschützt haben. Bei ihrer im Revisionsverfahren aufgestellten Gegenbehauptung, allein die Antragstellerin als Beschäftigte verschiedener Tierschutzvereine habe die Tierverkäufe lediglich vermittelt, handelt es sich um eine abweichende Sachverhaltsdarstellung, welche sie nicht durch zulässige und begründete Revisionsrügen (§ 118 Abs. 2 i.V.m. § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO) erhärtet haben. Sie ist für sich allein nicht geeignet, die vom FG ordnungsgemäß festgestellten Tatsachen in Frage zu stellen und die Bindung des erkennenden Senats zu beseitigen (s. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 118 FGO Tz. 38).
b) Die für die Streitjahre festgestellten Gewinne sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden: Denn weil die Antragsteller über den von ihnen betriebenen Tierhandel keinerlei Aufzeichnungen geführt haben, waren das FA und das ihm folgende FG nach § 162 der Abgabenordnung (AO 1977) befugt, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Die vom FA anhand der festgestellten Tierverkäufe errechneten, vom FG bestätigten Besteuerungsgrundlagen lassen eine fehlerhafte Rechtsanwendung nicht erkennen. Dies gilt auch für die Ermittlung der Reingewinne in Höhe von 50 v. H. der jeweiligen Verkaufserlöse. Das FG hat sich dabei auch auf Ausführungen im Strafurteil des Landgerichts X gestützt. Die von den Antragstellern nicht näher substantiierte und belegte Gegenbehauptung, es seien bei den Verkäufen kaum die Kosten gedeckt worden, beinhaltet ebenfalls nur eine abweichende Sachverhaltsdarstellung, für die die obigen Ausführungen (Buchst. a am Ende) entsprechend gelten. Daran ändert auch der Hinweis auf die Aufhebung des strafgerichtlichen Urteils durch den Bundesgerichtshof nichts. Die Antragsteller hätten im einzelnen darlegen und erläutern müssen, inwiefern sich daraus Folgerungen für die steuerrechtliche Gewinnermittlung ergeben.
Fundstellen
Haufe-Index 414004 |
BFH/NV 1986, 178 |