Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage bei vorliegender BFH-Rechtsprechung (hier: ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Finanzbehörde den Inhalt älterer, bereits im Keller abgelegter Akten des Steuerpflichtigen als bekannt gegen sich gelten lassen muß)
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3; AO 1977 § 88
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung).
Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625). Es muß sich um eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage handeln.
Die grundsätzliche Bedeutung muß schlüssig dargelegt werden. Hat der BFH die vom Beschwerdeführer für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage schon früher entschieden, so muß der Beschwerdeführer begründen, warum er gleichwohl eine erneute Entscheidung des BFH zu der betreffenden Frage im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung für erforderlich hält (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Hierzu muß er substantiiert darlegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die bereits höchstrichterlich beantwortete Frage umstritten ist, insbesondere welche gewichtigen, vom BFH bislang nicht geprüften Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gegen die höchstrichterliche Auffassung erhoben werden (vgl. BFH-Beschluß vom 23. Januar 1992 II B 64/91, BFH/NV 1992, 676, m.w.N., ständige Rechtsprechung).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) nicht.
Zu der Rechtsfrage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Finanzbehörde den Inhalt älterer, bereits im Keller abgelegter Akten des Steuerpflichtigen als bekannt gegen sich gelten lassen muß, hat sich der BFH bereits in mehreren Entscheidungen geäußert. Der BFH hat hierzu entschieden, die zuständige Finanzbehörde müsse den Inhalt der archivierten Akten nur dann als bekannt gegen sich gelten lassen, wenn zur Hinzuziehung dieser Akten nach den Umständen des Falles, insbesondere nach dem Inhalt der zu bearbeitenden Steuererklärung oder der präsenten Akten, eine besondere Veranlassung bestand mit der Folge, daß in dem Unterlassen der Hinzuziehung eine Verletzung der Ermittlungspflicht (§ 88 der Abgabenordnung ―AO 1977―) gesehen werden müßte (BFH-Urteile vom 27. September 1963 III 135/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964, 89; vom 13. Juli 1990 VI R 109/86, BFHE 161, 11, BStBl II 1990, 1047; vom 11. Februar 1998 I R 82/97, BFHE 185, 568, BStBl II 1998, 552). Die zuletzt genannte Entscheidung, auf die sich das Finanzgericht (FG) im angefochtenen Urteil gestützt hat, betraf die Veräußerung sog. einbringungsgeborener Anteile an Kapitalgesellschaften. Der BFH hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, der Umstand, daß es sich bei der "Speicherung stiller Reserven" in solchen Anteilen um einen zeitraumbezogenen Sachverhalt handele und die Steuerverhaftung häufig auf lange zurückliegenden Vorgängen beruhe, zwinge die zuständigen Dienststellen nicht zu einer permanenten Beobachtung derartiger Vorgänge, etwa durch Anlegung eines den aktuellen Akten beizufügenden Überwachungsblattes. Wenn der Kläger in Kenntnis dieser Rechtsprechung meint, die hier zu beurteilende Rechtsfrage bedürfe gleichwohl noch weiterer Klärung, hätte er dies substantiiert begründen müssen. Dafür genügt nicht der Hinweis, daß es sich bei der Veräußerung von wesentlichen Beteiligungen i.S. des § 17 des Einkommensteuergesetzes um einen häufig zu beurteilenden Sachverhalt handelt (Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 62, m.w.N.).
Auch mit dem Hinweis auf die Entscheidung des FG Brandenburg in Deutsches Steuerrecht, Entscheidungsdienst (DStRE) 1998, 648 ist die grundsätzliche Bedeutung nicht schlüssig dargetan. Zwar kann eine Rechtssache auch nach einer höchstrichterlichen Entscheidung grundsätzliche Bedeutung haben, wenn gegen die Rechtsauffassung des BFH in der Rechtsprechung der FG oder in der Literatur gewichtige Einwendungen vorgebracht werden, die der BFH noch nicht geprüft hat (Gräber, a.a.O., Rz. 9). Entgegen der Ansicht des Klägers steht das genannte Urteil des FG Brandenburg hinsichtlich der hier entscheidungserheblichen Frage, ob das FA seine Ermittlungspflicht verletzt hat, der Rechtsprechung des BFH nicht entgegen. Auch das FG Brandenburg geht in seinem Urteil in DStRE 1998, 648 davon aus, daß das FA seine Ermittlungspflicht nur verletzt, wenn es ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei der Prüfung der Steuererklärung und der eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen, nicht nachgeht.
Fundstellen