Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung von Gründen für die Zulassung der Revision
Leitsatz (NV)
1. Zur Darlegung einer Divergenz, die eine Zulassung der Revision gebietet, müssen einander widersprechende abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und aus der zu benennenden Divergenzentscheidung andererseits einander gegenübergestellt werden.
2. Durch den Vortrag, dass das FG den von ihm zu beurteilenden Sachverhalt unzutreffend gewürdigt habe, wird kein Verfahrensmangel dargelegt.
3. Hat der BFH über eine Rechtsfrage bereits entschieden, so ist zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache eine Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung notwendig.
4. Im Ausland wohnhafte Zeugen müssen nicht vom FG geladen, sondern von den Verfahrensbeteiligten zur mündlichen Verhandlung gestellt werden.
5. Die Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör erfordert Ausführungen dazu, was bei rechtzeitiger Gewährung des Gehörs vorgetragen worden wäre und wie sich dieser Vortrag auf die Entscheidung des FG hätte auswirken können.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3, § 96 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.09.2005; Aktenzeichen 13 K 59/01) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre (1991 bis 1993) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Einkommensteuerbescheiden, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine beim Kläger durchgeführte Außenprüfung erlassen hat. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen, ohne die Revision gegen sein Urteil zuzulassen.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde machen die Kläger geltend, dass die Revision nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.
Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Kläger haben einen Grund für die Zulassung der Revision nicht in der gebotenen Weise dargelegt.
1. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil unter den in der Vorschrift näher bezeichneten Voraussetzungen zuzulassen. Wird hierauf eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt, so muss der Zulassungsgrund in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Geschieht dies nicht, so ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig.
2. Im Streitfall rügen die Kläger zunächst, dass das FG den Kläger zu Unrecht nicht als Arbeitnehmer, sondern als selbständig tätig und auf dieser Basis als Gewerbetreibenden angesehen habe. Diese Würdigung beruhe auf Verfahrensfehlern und auf einer Abweichung von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH). Die insoweit gerügten Mängel haben sie indessen nicht ordnungsgemäß bezeichnet.
a) Zur Darlegung einer Divergenz, die nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO die Zulassung der Revision rechtfertigen würde, hätten die Kläger abstrakte Rechtssätze aus näher zu bezeichnenden höchstrichterlichen Entscheidungen einerseits und aus dem angefochtenen Urteil andererseits benennen müssen. Sodann hätten sie aufzeigen müssen, dass diese Rechtssätze die jeweiligen Entscheidungen tragen und einander widersprechen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. Februar 2005 X B 164/04, BFH/NV 2005, 1126; vom 5. Dezember 2005 X B 59/05, BFH/NV 2006, 597). All dies ist nicht geschehen. Stattdessen laufen die Ausführungen in der Beschwerdebegründung im Kern darauf hinaus, dass der BFH in dieser Frage auf das Gesamtbild der Verhältnisse abstelle und dass das Urteil des FG den insoweit zu stellenden Anforderungen nicht gerecht werde. Damit rügen die Kläger nur eine schlichte Fehlerhaftigkeit jenes Urteils, die grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führen kann (BFH-Beschlüsse vom 23. September 2004 VII B 367/03, BFH/NV 2005, 328; vom 13. Juni 2005 VIII B 290/03, BFH/NV 2005, 2213; vom 17. Januar 2006 IX B 79/05, BFH/NV 2006, 802). Das Vorliegen eines besonders schwerwiegenden und unerträglichen Rechtsfehlers, für den ggf. abweichende Regeln gelten könnten (BFH-Beschlüsse vom 21. Oktober 2005 VIII B 295/04, BFH/NV 2006, 339; vom 18. November 2005 XI B 191/04, BFH/NV 2006, 354), haben die Kläger nicht substantiiert geltend gemacht.
b) Im Ergebnis dasselbe gilt insoweit, als die Kläger dem FG einen "erheblichen Begründungsmangel" vorwerfen. Denn ausweislich der Urteilsbegründung ist das FG auf Grund bestimmter, im Urteil dargestellter Umstände zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger in allen Streitjahren nicht als Arbeitnehmer, sondern als Auftragnehmer der Firma R und mithin selbständig tätig war (S. 22 f. des FG-Urteils). Es hat berücksichtigt, dass der Kläger im Jahr 1992 mit der S-AG einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, darin aber --wiederum aus im Urteil dargestellten Überlegungen heraus-- ein Scheingeschäft erblickt (S. 23 des FG-Urteils). Das wiederum hatte nach Ansicht des FG zur Folge, dass der Kläger ungeachtet des formell bestehenden Arbeitsverhältnisses steuerrechtlich weiterhin als selbständig Tätiger anzusehen war. Die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob die Einkünfte des Klägers § 15 oder § 18 des Einkommensteuergesetzes unterfallen, hat das FG für unerheblich gehalten (S. 23 des FG-Urteils). Damit lässt das Urteil den Gedankengang des FG in dem genannten Punkt erkennen, was die Annahme eines Begründungsmangels ausschließt. Der Vortrag der Kläger dazu, dass das FG den Sachverhalt sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht unzutreffend gewürdigt habe, ist revisionsrechtlich unbeachtlich; selbst wenn die Würdigung des FG --wie die Kläger vortragen-- gegen die Denkgesetze verstieße, läge darin kein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (BFH-Beschluss vom 3. August 2005 I B 195/04, BFH/NV 2006, 72; Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz. 83, m.w.N.).
c) Schließlich haben die Kläger in diesem Zusammenhang auch einen Verfahrensmangel in Gestalt eines Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht dargelegt. Sie rügen zwar, dass das angefochtene Urteil nicht erkennen lasse, ob und ggf. in welcher Weise das FG verschiedene ihm vorgelegte Unterlagen berücksichtigt habe. Jedoch sind zwei dieser Unterlagen ("AHV-Bescheinigung" und Arbeitsbewilligung des Klägers in der Schweiz) im Urteil ausdrücklich erwähnt, weshalb nur dann von ihrer Nichtberücksichtigung ausgegangen werden könnte, wenn dafür konkrete Anhaltspunkte bestünden (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 72, m.w.N.); das ist nicht der Fall. Im Ergebnis gilt dasselbe im Hinblick auf die von den Klägern erwähnte Aufenthaltserlaubnis.
3. Die Kläger machen sodann geltend, dass das FG die Räumlichkeiten des Auftraggebers in der Schweiz zu Unrecht nicht als Betriebsstätte des Klägers angesehen habe, und machen insoweit eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) geltend. Ihr Vortrag dazu wird indessen den Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes nicht gerecht. Denn zu der im Streitfall maßgeblichen Frage, unter welchen Umständen Räumlichkeiten eines Auftraggebers als Betriebsstätte des Beauftragten anzusehen sind, hat der Senat in der Vergangenheit wiederholt Stellung genommen (z.B. Senatsurteil vom 14. Juli 2004 I R 106/03, BFH/NV 2005, 154, m.w.N.). Die Kläger hätten deshalb auf diese Rechtsprechung eingehen und darlegen müssen, inwieweit sich gleichwohl im Streitfall eine entscheidungserhebliche Frage stellt, die der höchstrichterlichen Klärung bedarf (BFH-Beschlüsse vom 22. Oktober 2003 III B 59/03, BFH/NV 2004, 166; in BFH/NV 2006, 72; in BFH/NV 2005, 1126). Das ist nicht geschehen. Die Beschwerdebegründung setzt sich weder mit den vom FG zitierten Senatsentscheidungen noch mit der übrigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der genannten Problematik auseinander. Der Hinweis auf die --hier ersichtlich nicht einschlägigen-- Senatsurteile zu Betriebsstätten von Personengesellschaften reicht zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung ebenso wenig aus wie die Zitierung einer --noch dazu nicht vollständig bezeichneten-- Literaturstelle.
4. Die Rügen der Kläger im Zusammenhang mit der verfahrensrechtlichen Beurteilung der angefochtenen Bescheide sind ebenfalls nicht statthaft erhoben worden. Der insoweit erhobene Vorwurf der Überraschungsentscheidung geht schon deshalb fehl, weil die Frage nach dem Vorliegen einer Steuerhinterziehung --darauf bezieht sich jener Vorwurf-- ausweislich des Urteilstatbestands Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem FG war. Damit war für die fachkundig vertretenen Kläger erkennbar, dass das FG diesen Gesichtspunkt in seine Erwägungen einbeziehen würde; dass die Kläger oder ihr Vertreter Äußerungen des FG in der Verhandlung oder in deren Vorfeld im Sinne der Verneinung einer Steuerhinterziehung gedeutet haben, kann die Annahme eines Verfahrensfehlers nicht begründen. Die spekulative Erwägung der Kläger, dass das FG möglicherweise "die Rechtsprechung des BFH ausdehnen oder divergierend entscheiden wollte", reicht weder zur Darlegung der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO noch zur Bezeichnung eines sonstigen Grundes für die Zulassung der Revision aus. Die übrigen diesen Bereich betreffenden Ausführungen in der Beschwerdebegründung beziehen sich wiederum nur auf die inhaltliche Richtigkeit des angefochtenen Urteils.
5. Mit ihrem Vortrag, das FG habe Beweisanträge übergangen, zeigen die Kläger weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch einen revisionsrechtlich beachtlichen Verfahrensmangel auf. Vielmehr ist durch die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt, dass im Ausland wohnhafte Zeugen nicht vom FG geladen, sondern von den Verfahrensbeteiligten zur mündlichen Verhandlung gestellt werden müssen (BFH-Beschlüsse vom 11. November 2004 V B 82/04, BFH/NV 2005, 568; vom 10. März 2005 VI B 166/04, BFH/NV 2005, 1089). Die Beteiligten haben auch nicht etwa einen Anspruch darauf, dass das FG in einem solchen Fall die Beweisaufnahme im Ausland durch einen ersuchten Richter durchführen lässt (BFH-Beschlüsse vom 30. September 1998 IV B 6/94, BFH/NV 1999, 490; vom 26. Oktober 1998 I B 48/97, BFH/NV 1999, 506). Vielmehr darf es, wenn im Ausland lebende Zeugen nicht im Inland gestellt werden, diese Beweismittel als nicht erreichbar behandeln und deshalb von ihrer Verwertung absehen. So ist das FG im Streitfall verfahren.
6. Schließlich reicht auch der Vortrag der Kläger, das FG habe Steuerfahndungsakten beigezogen und dies bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht hinreichend kundgetan, zur Darlegung eines Verfahrensmangels nicht aus. Denn die Kläger wollen mit diesem Vortrag zwar erkennbar geltend machen, dass das FG ihr Recht auf Gehör verletzt habe. Sie haben aber nicht angegeben, inwieweit das angefochtene Urteil auf der Berücksichtigung der beigezogenen Akten beruhen könnte. Die Ursächlichkeit eines Verfahrensmangels für die erstinstanzliche Entscheidung gehört aber nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes zu den Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO und muss deshalb zur Begründung einer auf diese Vorschrift gestützten Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt werden.
7. Die Ausführungen der Kläger in ihrem weiteren Schriftsatz, der nach Ablauf der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH eingegangen ist, können im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden.
8. Auf weitere Ausführungen wird verzichtet, da solche nicht geeignet wären, zur Klärung der Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision beizutragen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
Fundstellen