Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen einer nach § 116 Abs. 1 FGO zulassungsfreien Revision
Leitsatz (NV)
1. Zur Rüge, das Urteil sei nicht mit Gründen versehen.
2. Zur Rüge, die Kläger seien im Verfahren vor dem Finanzgericht nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen.
3. Im Verfahren nach Art. 3 § 5 VGFGEntlG kann das Finanzgericht ein Urteil erlassen, obwohl die Beteiligten nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet haben.
Normenkette
VGFGEntlG Art. 3 § 5; FGO § 116 Abs. 1 Nrn. 3, 5
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Ingenieur im Bereich der Flughafenerrichtung nichtselbständig beschäftigt. Er hatte im Jahre 1969 die Berufspilotenlizenz erworben. Im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung 1980 machte er geltend, Aufwendungen in Höhe von 810 DM zur Weitererhaltung seiner Pilotenlizenz aufgewendet zu haben, und beantragte hierfür den Sonderausgabenabzug. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte es - auch in der Einspruchsentscheidung - ab, den geltend gemachten Betrag als Werbungskosten oder Sonderausgaben zum Abzug zuzulassen.
Auch die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) erließ ein gemäß § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgekürztes Urteil, in dem es sich auf die ,,zutreffenden Ausführungen" der Einspruchsentscheidung bezog und zusätzlich ausführte:
In der Erklärung zur Einkommensteuer sei unter den übrigen Sonderausgaben ein Hauptbetrag von 690 DM aufgeführt, der zur Erhaltung der Berufspilotenlizenz aufgewendet worden sei. Zum Nachweis sei eine Rechnung vorgelegt worden, aus welcher sich ergebe, daß der Kläger mit einem Flugzeug des Typs . . . am . . . und . . . 1980 zwei Flüge durchgeführt habe, für die ihm insgesamt . . . DM in Rechnung gestellt worden seien. Weitere Nachforschungen des FA hätten ergeben, daß es sich bei diesen Flügen einmal um einen Privatflug mit drei Personen über . . . und das andere mal um einen Flug von . . . nach . . . und zurück, an dem ebenfalls drei Personen teilgenommen hätten, gehandelt habe. Dies stehe in Einklang mit den Äußerungen des Klägers selbst, daß er die für die Erhaltung einer Berufspilotenlizenz erforderlichen Flüge unter Teilnahme von Freunden und Bekannten durchzuführen pflege. Unter diesen Voraussetzungen dienten die vom Kläger nachgewiesenen Aufwendungen nicht ausschließlich der Fortbildung in einem nicht ausgeübten Beruf und seien auch nicht ausschließlich vom Beruf des Klägers selbst verursacht. Denn man müsse davon ausgehen, daß auch die freundschaftliche Beziehung zu seinen Mitfliegern und der gemeinsame Genuß des Flugerlebnisses eine nicht unerhebliche Bedeutung gehabt hätten.
Abschließend wies das FG darauf hin, daß es im Hinblick darauf, daß der Streitwert 500 DM nicht überschreite, sein Verfahren nach billigem Ermessen habe bestimmen und daher ohne mündliche Verhandlung entscheiden können (Art. 3 § 5 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit - VGFGEntlG -).
Hiergegen richtet sich die auf ,,§ 116 Abs. 1 FGO" gestützte Revision der Kläger, zu deren Begründung sie - nach zwei einleitenden Sätzen - wörtlich folgendes ausführen:
,,Die Einspruchsentscheidung des Finanzamts . . . vom . . . verkennt u. a. nicht, daß der Pilotenschein für den jetzigen Beruf des Klägers förderlich sein kann, weist jedoch den Einspruch unter Hinweis auf § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG als unbegründet zurück. Die grundsätzliche Frage, ob die Aufwendungen für die Erhaltung des Pilotenscheins als Werbungskosten abzugsfähig sind, wird im Urteil nicht erörtert.
Insbesondere geht die Urteilsbegründung nicht auf das Urteil des BFH vom 28. 11. 1980 VI R 193/77 ein, nach dem ,eine berufliche bzw. betriebliche Veranlassung bei Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bzw. bei Betriebsausgaben stets dann anzunehmen ist, wenn objektiv ein Zusammenhang mit dem Beruf oder Betrieb besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung des Berufs bzw. des Betriebs gemacht werden.
Die Klage wird abgewiesen mit dem Hinweis, daß es sich bei den geltend gemachten Kosten ausschließlich um Kosten der privaten Lebensführung handelt, da Freunde und Bekannte des Klägers an den Flügen teilgenommen haben.
Der Kläger ging weiter davon aus, daß die vorgelegte Bescheinigung des Arbeitgebers als Nachweis für die berufliche Veranlassung der Aufwendungen ausreicht.
Er hatte nicht die Möglichkeit, weitere Nachweise zu erbringen."
Ferner legten die Kläger eine ,,zweite Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt" des Arbeitgebers des Klägers vor, um zu belegen, daß die Aufrechterhaltung der Flugzeugführerlizenz des Klägers im Hinblick auf seine Tätigkeiten und Aufgaben zweckmäßig und wünschenswert sei.
Die Kläger beantragten, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Die Vorentscheidung ist nach Inkrafttreten des Beschleunigungsgesetzes vom 4. Juli 1985 (BGBl I, 1274, BStBl I, 496) ergangen. Die Revision wäre deshalb nur zulässig, wenn sie zugelassen worden wäre, oder unter den Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 FGO. Eine Zulassung ist nicht erfolgt; der Senat hat durch Beschluß vom heutigen Tage die von den Klägern ebenfalls eingelegte Nichtzulassungbeschwerde als unzulässig verworfen.
Die Revision ist auch nicht gemäß § 116 FGO zulässig. Voraussetzung dafür wäre, daß die Kläger einen Mangel der in § 116 Abs. 1 FGO aufgeführten Art wirksam gerügt hätten. Das hätte vorausgesetzt, daß die Kläger einen Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 FGO behauptet und Tatsachen vorgetragen hätten, die als solche ausreichend und geeignet gewesen wären, den behaupteten Verfahrensmangel darzutun (Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 116 FGO Tz. 23). Daran fehlt es hier. Denn die Kläger haben nicht einmal dargelegt, welcher der in § 116 Abs. 1 FGO aufgeführten Mängel nach ihrer Auffassung vorliegt. Das FA geht - in seiner Revisionserwiderung - davon aus, daß die Kläger geltend machen möchten, die Entscheidung sei nicht ausreichend mit Gründen versehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO). Sollte dies dem Willen der Kläger entsprechen, so reichen ihre Darlegungen zu einer ordnungsgemäßen Rüge dieses Mangels jedenfalls nicht aus. Denn dazu hätten die Kläger darlegen müssen, daß die Begründung des FG insgesamt unverständlich sei, die Vorinstanz einen bestimmten Sachverhaltskomplex überhaupt nicht berücksichtigt oder sonstige entscheidungserhebliche Gesichtspunkte in der Begründung übergangen habe (vgl. Tipke / Kruse, a. a. O., § 116 FGO Tz. 20 und 23). Dies alles ist nicht geschehen.
Wenn die Kläger bemängeln, daß sich die Einspruchsentscheidung nicht mit der grundsätzlichen Frage der Abziehbarkeit der Aufwendungen für die Erhaltung des Pilotenscheins befaßt und sich insoweit nur auf § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bezogen habe, und ferner ausführen, das FG habe die Klage mit dem Hinweis abgewiesen, daß es sich bei den geltend gemachten Aufwendungen im Hinblick auf die Beteiligung von Freunden und Bekannten des Klägers um Kosten der privaten Lebensführung gehandelt habe, so machen diese Ausführungen deutlich, daß die gegebene Begründung den tragenden Gesichtspunkt für die Klageabweisung erkennen läßt. Denn nach der Rechtsprechung kommt eine Anerkennung als Werbungkosten nicht in Betracht, wenn die Aufwendungen durch Umstände der privaten Lebensführung i. S. des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG mitveranlaßt sind und eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung nicht möglich ist (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17). Hinzu kommt, daß das FG sich - zu Recht - für die Abkürzung seines Urteils auf § 105 Abs. 5 FGO berufen hat; an den Umfang der erforderlichen Begründung im Urteil können deshalb nicht einmal dieselben Anforderungen gestellt werden, wie dies normalerweise zu verlangen ist.
Soweit die Kläger vortragen, sie seien davon ausgegangen, daß die vorgelegte Bescheinigung des Arbeitgebers als Nachweis für die berufliche Veranlassung ausgereicht habe, möchten sie möglicherweise die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen Mangel i. S. des § 116 Abs. 1 FGO.
Schließlich machen die Kläger noch geltend, sie hätten nicht die Möglichkeit gehabt, weitere Nachweise zu erbringen. Im Hinblick darauf, daß das FG ohne entsprechendes Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 90 Abs. 2 FGO), könnten die Kläger mit der vorerwähnten Bemerkung die Rüge erhoben haben, sie seien im Verfahren vor dem FG nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO). Nach der Rechtsprechung des BFH kann nämlich in Fällen, in denen das FG ohne Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden hat, ein Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO vorliegen (vgl. Urteil vom 25. August 1982 I R 120/82, BFHE 136, 518, BStBl II 1983, 46).
Der Senat geht davon aus, daß die bloße vorstehend wiedergegebene Bemerkung des Klägers im Schlußsatz seiner Revisionsbegründung nicht ausreicht, um einen Mangel der vorerwähnten Art zu behaupten. Selbst wenn man aber den Schlußsatz des Klägers in seiner Revisionsbegründung dahin verstehen würde, daß er das Vorliegen eines Mangels i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO rüge, so wäre damit eine entsprechende Rüge nicht wirksam erhoben worden. Denn mit dem fehlenden Einverständnis der Beteiligten allein läßt sich das Erfordernis einer mündlichen Verhandlung im Verfahren nach Art. 3 § 5 VGFGEntlG nicht dartun; in diesem Verfahren konnte vielmehr das FG - ohne vorherige Anzeige - ein Urteil erlassen, obwohl die Beteiligten nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet hatten (BFH-Beschluß vom 22. Juli 1983 VI B 180/82, BFHE 139, 22, BStBl II 1983, 762). Der Kläger hätte also zumindest noch substantiiert darlegen müssen, daß er beim FG eine mündliche Verhandlung ausdrücklich beantragt hatte. Das hat er jedoch nicht vorgebracht.
Fundstellen
Haufe-Index 414704 |
BFH/NV 1987, 50 |