Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung bei plötzlicher Erkrankung eines Sozietätsmitglieds
Leitsatz (NV)
Die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist ist unentschuldbar und damit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen, wenn das für die Bearbeitung der Beschwerde zuständige Mitglied einer Sozietät erkrankt, die ebenfalls beauftragten übrigen Mitglieder der Sozietät es jedoch unterlassen, die erforderlichen fristwahrenden Maßnahmen zu ergreifen.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 3 Sätze 1, 4, § 56 Abs. 1
Gründe
Die Beschwerde gegen die Vorentscheidung wegen Nichtzulassung der Revision ist unzulässig. Sie ist nicht innerhalb der gesetzlichen Frist begründet worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung dieser Frist war nicht zu gewähren.
Nach § 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich beim Bundesfinanzhof (BFH) einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO).
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die Begründungsfrist versäumt. Da das Urteil des Finanzgerichts (FG) dem Prozessbevollmächtigten des Klägers Steuerberater und Wirtschaftsprüfer A am 12. März 2002 zugegangen ist, endete die Begründungsfrist unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der 12. Mai 2002 ein Sonntag war (vgl. § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ―ZPO―), mit Ablauf des 13. Mai 2002. Die erst am 15. Mai 2002 eingegangene Begründung war somit verspätet.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) ist nicht zu gewähren. Die Versäumung der Beschwerdefrist war nicht unverschuldet. Ein Prozessbevollmächtigter hat seinen Bürobetrieb in Übereinstimmung mit dem Verfahrensrecht so zu organisieren, dass Fristversäumnisse ausgeschlossen sind (BFH-Beschlüsse vom 25. März 1988 V B 141/87, BFH/NV 1990, 167, und vom 31. Oktober 1995 II S 14/95, BFH/NV 1996, 414).
Krankheit eines Prozessbevollmächtigten kann zwar eine Fristversäumnis entschuldigen, wenn die Bestellung eines Vertreters nicht mehr möglich war (BFH-Urteil vom 2. Mai 2001 VIII R 3/00, BFH/NV 2001, 1418, m.w.N.). Sind ―wie im Streitfall― in einer Sozietät mehrere Personen mit der Prozessführung beauftragt, ist sicher zu stellen, dass bei Verhinderung des die Sache tatsächlich bearbeitenden Sozietätsmitglieds die anderen beauftragten Sozietätsmitglieder die erforderlichen fristwahrenden Maßnahmen ergreifen (vgl. BFH-Beschluss vom 3. August 1977 II R 59/77, BFHE 123, 13, BStBl II 1977, 768).
Im Streitfall sind keine Tatsachen glaubhaft gemacht worden, aus denen sich das fehlende Verschulden des bzw. der Prozessvertreter des Klägers ergibt. Die Ausführungen des Klägers enthalten keine nachprüfbaren Angaben zur Schwere der Erkrankung und dazu, ob Steuerberater A in der Lage gewesen wäre, vor Ablauf der Begründungsfrist gemäß § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO einen Antrag auf Fristverlängerung um einen weiteren Monat zu stellen oder durch die ebenfalls beauftragte Steuerberaterin B stellen zu lassen oder diese zur rechtzeitigen Fertigung der Beschwerdebegründung zu veranlassen. Auch ist nicht vorgetragen worden, welche Vorkehrungen für den Fall der Verhinderung des für die Bearbeitung des Streitfalles zuständigen Partners getroffen worden sind. Da derartige Vorkehrungen im Rahmen der Sozietät zumutbar und erforderlich waren, käme eine Wiedereinsetzung nur in Betracht, wenn die Frist trotz ausreichender Vorsorgemaßnahmen aus nicht zu vertretenden Gründen versäumt worden wäre. Diesbezügliche Tatsachen sind innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist nicht vorgetragen worden. Insbesondere ist weder dargelegt worden, der Bürobetrieb sei durch Führung eines Fristenkontrollbuches oder durch vergleichbare Einrichtungen sowie durch entsprechende Anweisungen an das Büropersonal so organisiert gewesen, dass Fristversäumnisse in aller Regel ausgeschlossen waren (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Januar 1984 I R 196/83, BFHE 140, 146, BStBl II 1984, 441), noch, welche außergewöhnlichen, nicht zu vertretenden Umstände gleichwohl dazu geführt hätten, dass die Beschwerde nicht habe durch B begründet werden können. Die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist ist somit entweder auf ein Verschulden von Steuerberater A oder von Steuerberaterin B zurückzuführen. Da sich der Kläger das Verschulden dieser beiden Personen zurechnen lassen muss, konnte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden.
Es kann daher dahinstehen, ob die Begründung der Beschwerde den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 FGO entspricht.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Angabe weiterer Gründe.
Fundstellen