Leitsatz (amtlich)
Der Grundsatz, daß eine Aussetzung der Vollziehung eines negativen Gewinnfeststellungsbescheides nicht in Frage kommt (Beschluß des Senats vom 24. März 1975 IV S 22/74, BFHE 115, 417, BStBl II 1975, 711), gilt nicht für einen Bescheid, der einen positiven Gewinnfeststellungsbescheid ersatzlos aufhebt.
Normenkette
FGO § 69; AO § 215
Tatbestand
Streitig ist die Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes, durch den ein einheitlicher Gewinnfeststellungsbescheid ersatzlos aufgehoben wurde.
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) machen geltend, der in der Schweiz lebende, beschränkt steuerpflichtige K, der Kläger zu 1., sei aufgrund eines am 3. Februar 1970 datierten Vertrages als atypischer stiller Gesellschafter an der X-GmbH (GmbH) beteiligt worden. Nachdem für die Jahre 1970 und 1971 Erklärungen zur einheitlichen Gewinnfeststellung eingereicht worden waren, führte der Beklagte und Beschwerdegegner (FA) zunächst gemäß § 100 AO vorläufige einheitliche Gewinnfeststellungen durch (Gewinnfeststellungsbescheide vom 17. Juli 1973). Dabei stellte das FA entsprechend den abgegebenen Erklärungen erhebliche Verluste fest, die es im wesentlichen - ebenfalls entsprechend den abgegebenen Erklärungen - dem Kläger zu 1. als atypischem stillen Gesellschafter zurechnete.
Im Anschluß an eine im September 1973 durchgeführte Betriebsprüfung vertrat das FA die Auffassung, eine Beteiligung des Klägers zu 1. an der GmbH in Form einer Mitunternehmerschaft oder einer stillen Beteiligung liege nicht vor. Das FA hob deshalb mit Bescheid vom 26. Februar 1974 die vorläufigen Gewinnfeststellungsbescheide 1970 und 1971 vom 17. Juli 1973 ersatzlos auf.
Hiergegen erhoben die Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage und beantragten gleichzeitig "Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Entscheidungen". Das FG wies den Antrag ab, weil der als Prozeßbevollmächtigter aufgetretene Steuerbevollmächtigte seine Prozeßvollmacht nicht nachgewiesen habe.
Hiergegen erhoben die Kläger durch ihren Prozeßbevollmächtigten, der nunmehr Prozeßvollmachten vorlegte, Beschwerde, die sich jedoch nur noch auf die Aussetzung der Vollziehung betreffend die einheitliche Gewinnfeststellung 1971 bezieht.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, kann, auch wenn der formelle Grund für die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung durch die nachträgliche Vollmachtsvorlage weggefallen ist (vgl. Urteil des Senats vom 1. April 1971 IV R 208/69, BFHE 102, 442, BStBl II 1971, 689), keinen Erfolg haben. Einer Zurückverweisung bedarf es im Beschwerdeverfahren wegen Aussetzung der Vollziehung im Hinblick auf die dem BFH zustehende Überprüfungsmöglichkeit nicht (vgl. Beschluß des Senats vom 19. April 1968 IV B 3/66, BFHE 92, 314, BStBl II 1968, 538).
Obwohl das mit der Beschwerde weiterhin verfolgte Begehren auf die Aussetzung der Vollziehung eines Bescheides gerichtet ist, der - durch die ersatzlose Aufhebung des einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheides 1971 - die Durchführung einer einheitlichen Gewinnfeststellung für das Streitjahr ablehnt (sogenannte negative Gewinnfeststellung), ist die Beschwerde nicht schon aus den im Beschluß des Senats vom 24. März 1975 IV S 22/74 (BFHE 115, 417, BStBl II 1975, 711) genannten Gründen zurückzuweisen. Der Senat hat zwar in dieser Entscheidung ausgeführt, daß ein negativer Gewinnfeststellungsbescheid kein vollziehbarer und daher hinsichtlich der Vollziehung kein aussetzbarer Feststellungsbescheid im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO sei. Das gilt jedoch, ähnlich wie bei Bescheiden, die nach Auffassung des Steuerpflichtigen einen zu geringen Verlust feststellen (Urteil des Senats vom 5. November 1971 IV R 242/70, BFHE 103, 546, BStBl II 1972, 218) oder eine negative Umsatzsteuerschuld ausweisen (Beschluß des BFH vom 28. November 1974 V B 44/74, BFHE 114, 171, BStBl II 1975, 240), allenfalls bei erstmaligen Bescheiden, nicht aber, wenn durch die Bescheide andere, dem Steuerpflichtigen günstigere Bescheide aufgehoben oder ersetzt worden sind. Denn in diesen Fällen kann durch die Aussetzung der Vollziehung der späteren Bescheide erreicht werden, daß - soweit die Aussetzung reicht - die ursprünglichen (günstigeren) Bescheide vorläufig in Kraft bleiben (vgl. die Entscheidungen des BFH vom 28. November 1973 IV B 33/73, BFHE 110, 506, BStBl II 1974, 220, betreffend Verlustfeststellungen, und vom 28. November 1974 V B 52/73, BFHE 114, 169, BStBl II 1975, 239, betreffend negative Umsatzsteuerbescheide). Eine derartige Rechtslage ist im Streitfall gegeben, da das FA durch den vorläufigen Gewinnfeststellungsbescheid 1971 vom 17. Juli 1973 zunächst dem Begehren der Kläger entsprochen hatte, so daß durch die Aussetzung der Vollziehung des diesen Bescheid aufhebenden Verwaltungsaktes den Klägern vorläufiger Rechtsschutz würde gewährt werden können.
Die Beschwerde kann gleichwohl keinen Erfolg haben, weil die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung im Sinne von § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 FGO nicht gegeben sind...
Fundstellen
Haufe-Index 71634 |
BStBl II 1976, 598 |
BFHE 1977, 9 |