Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkung der KraftSt
Leitsatz (NV)
Nach Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO gilt auch für Kfz mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t der vom BFH entwickelte Grundsatz, dass anhand von Bauart und Einrichtung des Kfz zu beurteilen ist, ob ein LKW oder PKW vorliegt. § 2 Abs. 2a Nr. 2 KraftStG hat insoweit lediglich klarstellende Bedeutung.
Normenkette
KraftStG § 2 Abs. 2a, § 12 Abs. 2 Nr. 1; StVZO § 23 Abs. 6a
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 30.01.2008; Aktenzeichen 4 V 1660/07) |
Tatbestand
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist seit dem 28. Januar 2004 Halter eines am 27. Dezember 1995 erstmals zum Straßenverkehr zugelassenen VW-Busses. Das Fahrzeug wird von einem Dieselmotor mit einem Hubraum von 1 896 ccm mit einer Leistung von 50 kW angetrieben. Nach den Fahrzeugdaten verfügt das Fahrzeug über bis zu 7 Sitzplätze, das Fahrzeug wird im Fahrzeugschein als "PKW geschlossen" bezeichnet. Das zulässige Gesamtgewicht wird mit 2 805 kg angegeben.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hatte das Fahrzeug als "sonstiges Fahrzeug" eingestuft, die Steuer nach dem zulässigen Gesamtgewicht bemessen und auf 172 € festgesetzt.
Mit Bescheid vom 16. März 2007 setzte das FA die Kraftfahrzeugsteuer für den Zeitraum vom 28. Januar bis 30. April 2005 auf 43 €, für den Zeitraum 1. Mai 2005 bis 27. Januar 2006 (= 272 Tage) auf 387 € und für die Zeit ab dem 28. Januar 2006 auf jährlich 519 € fest. Dem lag zugrunde, dass das FA das Fahrzeug ab dem 1. Mai 2005 als PKW einstufte und die Kraftfahrzeugsteuer auf der Basis des Hubraums mit 27,35 € je angefangene 100 ccm festsetzte. Dabei ging das FA davon aus, dass das Fahrzeug ab dem 1. Mai 2005 in die Emissionsklasse "0418 Schadstoffarm: 93/59/EWG I" einzuordnen sei. Die Änderung stützte es auf § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG).
Mit Bescheid vom 27. März 2007 setzte das FA die Kraftfahrzeugsteuer für den Zeitraum 28. Januar 2007 bis 20. März 2007 auf 74 € und für die Zeit ab 21. März 2007 auf jährlich 304 € fest, weil das Fahrzeug ab dem 21. März 2007 in die Emissionsklasse "0425 Schadstoffarm Euro 2" einzustufen war, wodurch ein auf 16,05 € je angefangene 100 ccm Hubraum ermäßigter Steuersatz zur Anwendung kam.
Der Antragsteller legte gegen die Bescheide vom 16. und 27. März 2007 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV), die das FA ablehnte.
Der Antrag auf AdV beim Finanzgericht (FG) blieb ebenfalls erfolglos. Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde des Antragstellers, mit der er geltend macht, die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer beruhe auf verfassungsrechtlich unzulässiger Rückwirkung auf den 1. Mai 2005.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Vollziehung des Kraftfahrzeugsteuerbescheids vom 16. März 2007 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 27. März 2007 ist nicht auszusetzen. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Bescheide.
1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder --was vorliegend nicht in Betracht kommt-- seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, des unstreitigen Sachverhalts und der gerichtsbekannten Tatsachen erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen kann (vgl. m.w.N. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. Juni 2006 II B 148/05, BFH/NV 2006, 1627; vom 23. Februar 2007 IX B 222/06, BFH/NV 2007, 1351).
2. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 16. März 2007 im Hinblick darauf, dass das FA die Kraftfahrzeugsteuer wegen einer Änderung der Bemessungsgrundlage (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG) auf den 1. Mai 2005 neu festgesetzt hat.
a) Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegt keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung einer für den Streitfall maßgeblichen kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Vorschrift vor (BFH-Beschluss vom 18. März 2008 II B 102/07, NN). Denn für die rechtliche Beurteilung der am 1. Mai 2005 vorhandenen tatsächlichen Verhältnisse bedarf es keines Rückgriffs auf die durch das Drittes Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz vom 21. Dezember 2006 neu geschaffenen Regelung in § 2 Abs. 2a Nr. 2 KraftStG. Nach Aufhebung des § 23 Abs. 6a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) durch die Siebenundzwanzigste Verordnung zur Änderung der StVZO vom 2. November 2004 (BGBl I 2004, 2712) gilt auch für Kfz mit --wie im Streitfall-- einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t der vom BFH entwickelte Grundsatz, dass anhand von Bauart und Einrichtung des Kfz zu beurteilen ist, ob ein LKW oder PKW vorliegt. § 2 Abs. 2a Nr. 2 KraftStG hat insoweit lediglich klarstellende Bedeutung (vgl. BFH-Beschluss vom 13. April 2007 IX B 14/07, BFH/NV 2007, 1352, m.w.N.).
Das Vertrauen des Bürgers in den Bestand der Rechtsordnung wird nicht berührt, wenn der Gesetzgeber eine sich schon aus dem bisher geltenden Recht ergebende Rechtsfolge ausdrücklich im Gesetz festlegt, die Rechtslage also nicht ändert, sondern nur klarstellt (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 24. Juli 1968 1 BvR 537/65, BVerfGE 24, 75, 92; BFH-Urteil vom 14. April 1986 IV R 260/84, BFHE 146, 411, BStBl II 1986, 518).
Schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der bis 1. Mai geltenden Rechtslage bestand auch deshalb nicht, weil mit einer solchen Regelung gerechnet werden musste (vgl. zu dieser Einschränkung des Rückwirkungsverbots Entscheidungen des BVerfG vom 30. April 1952 1 BvR 14/52 u.a., BVerfGE 1, 264, 280; vom 24. April 1953 1 BvR 102/51, BVerfGE 2, 237, 264 f.). Die steuerlichen Folgen der Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO für die im Gesetz genannten Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 2,8 t waren seit Verkündung der Verordnung zur Änderung der StVZO im November 2004 und dem vor dem 1. Mai 2005 eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuerrechts allgemein bekannt (vgl. Begr. zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kraftfahrzeugsteuerlicher Vorschriften auch hinsichtlich der Wohnmobilbesteuerung, BTDrucks 16/519, 8).
b) Auch hat das FG zu Recht angenommen, dass sich die Rechtsgrundlage für die Neufestsetzung der Kraftfahrzeugsteuer aus § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG ergibt. Ab 1. Mai 2005 sind in Folge der Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO Kfz (sog. Kombinationskraftwagen) mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t --wie im Streitfall-- nicht mehr ohne Rücksicht auf Typ und Erscheinungsbild als LKW zu besteuern, sondern es ist neu zu entscheiden, ob ein PKW oder ein LKW vorliegt; ergibt sich danach eine Änderung der Bemessungsgrundlage, folgt die Änderungsbefugnis aus § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG (BFH-Beschluss vom 18. März 2008 II B 102/07, NN; ebenso zur Erhöhung des zulässigen Gesamtgewichts BFH-Urteil vom 31. März 1998 VII R 116/97, BFHE 185, 511, BStBl II 1998, 487).
c) Bei der gebotenen summarischen Prüfung sind auch im Übrigen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Kraftfahrzeugsteuerbescheide erkennbar.
Fundstellen