Leitsatz (amtlich)
1. Die Frage, ob die Anschaffung eines neuen Kraftfahrzeugs als Ersatz für einen ausgeschiedenen Personenkraftwagen nach § 3 ZRFG durch Sonderabschreibungen begünstigt werden kann, hat grundsätzliche Bedeutung.
2. Der Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) steht nicht entgegen, daß wegen der gleichen Rechtsfrage in einer anderen Sache die Revision bereits zugelassen ist.
Normenkette
ZRFG § 3; FGO § 115 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Im Verfahren vor dem FG war streitig, ob die Sonderabschreibung nach § 3 des Zonenrandförderungsgesetzes vom 5. August 1971 - ZRFG - (BGBl 1971, 1237, BStBl I 1971, 370) für einen PKW zu gewähren ist.
Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) ist im Zonenrandgebiet als Tierarzt freiberuflich tätig. Im Jahre 1973 schaffte er sich einen PKW zum Preise von 10 980 DM an. Für diesen PKW nahm er im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1973 eine Sonderabschreibung nach § 3 ZRFG in Höhe von 5 490 DM in Anspruch. Der Beklagte und Beschwerdeführer (FA) lehnte die Gewährung der Vergünstigung ab mit der Begründung, es handle sich um eine (nach den Richtlinien zum ZRFG nicht begünstigungsfähige) Ersatzbeschaffung für einen ausgeschiedenen PKW. Auf dieser Grundlage erließ das FA einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1973.
Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage statt. Zur Begründung seiner in den EFG 1977, 298, veröffentlichten Entscheidung führte es aus, § 3 Abs. 1 ZRFG stelle die Gewährung von Sonderabschreibungen zwar in das Ermessen der Finanzverwaltung; der Verwaltung sei es auch erlaubt, für bestimmte Gruppen von gleichgelagerten Fällen Richtlinien aufzustellen. Die in den Richtlinien des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen - BMWF - (Schreiben vom 18. August 1971 F/IV B 2 - S 1915 - 73/71, BStBl I 1971, 386) enthaltenen Ermessensregelungen fänden jedoch - soweit sie Förderungsmaßnahmen bei der Anschaffung von "Ersatzwirtschaftsgütern" ablehnten - im Gesetz keine Stütze. Die Versagung von Förderungsmaßnahmen in derartigen Fällen enthalte einen Ermessensfehlgebrauch. Der Kläger habe daher einen Anspruch auf Gewährung der Vergünstigung.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen.
Wegen Nichtzulassung der Revision hat das FA Beschwerde erhoben. Es begehrt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Es legt dar, daß die den Gegenstand des Rechtsstreits bildende Frage in der Rechtsprechung noch keine abschließende Klärung gefunden habe. Da die im Streitfall zu entscheidende Rechtsfrage auch in zahlreichen anderen gleichliegenden Fällen Bedeutung habe, handle es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet.
Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Einer Sache ist grundsätzliche Bedeutung zuzuerkennen, wenn die Entscheidung hierüber nicht nur für die Beteiligten des Streitfalls von Wichtigkeit ist, sondern auch im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts liegt (Beschluß des BFH vom 19. Juni 1973 VII B 32/72, BFHE 109, 425, BStBl II 1973, 685). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.
Die Frage, in welchem Umfang die Finanzverwaltung durch den Erlaß von Ermessensrichtlinien die Gewährung von Steuervergünstigungen nach dem ZRFG einschränken kann, ist zwar inzwischen durch die BFH-Urteile vom 28. April 1977 IV R 163/75 (BFHE 122, 121, BStBl II 1977, 553) und vom 5. Mai 1977 IV R 116/75 (BFHE 122, 283, BStBl II 1977, 639) entschieden worden; die Entscheidungen betreffen die Gewährung von Sonderabschreibungen bei der Anschaffung von Eigentumswohnungen. Zu der im Streitfall zu entscheidenden Rechtsfrage (Gewährung von Sonderabschreibungen für ersatzweise angeschaffte Wirtschaftsgüter) liegt jedoch eine höchstrichterliche Entscheidung bisher nicht vor. Der Senat ist der Auffassung, daß auch dieser Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zukommt, da mit den bisher vorliegenden Entscheidungen zur Auslegung des ZRFG noch nicht alle insoweit bestehenden Zweifel geklärt werden konnten.
Der Zulassung der Revision steht nicht entgegen, daß der Senat bereits in einem anderen Fall, der die gleiche Rechtsfrage betrifft (Az. IV B 13/77), die Revision zugelassen hat. Die grundsätzliche Bedeutung einer Sache ist zwar dann zu verneinen, wenn die Rechtsfrage bereits Gegenstand einer Entscheidung durch den BFH gewesen und von einer erneuten Entscheidung eine weitere Klärung nicht zu erwarten ist (BFH-Beschluß vom 21. Juni 1968 III B 58/67, BFHE 93, 503, BStBl II 1969, 36). Solange eine derartige Entscheidung aber noch nicht ergangen ist, liegt die Zulassung einer weiteren Revision auch im Interesse einer gewissen Materialbreite.
Fundstellen
Haufe-Index 72094 |
BStBl II 1977, 806 |
BFHE 1978, 35 |