Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweiskraft der Zustellungsurkunde bei Ersatzzustellung -- Zustellungsanschrift
Leitsatz (NV)
Die Erklärung des Zustellungsbeamten, daß der Zustellungsempfänger unter der in der Zustellungsurkunde angegebenen Anschrift wohnt, begründet ein beweiskräftiges Indiz, das nur durch eine plausible, schlüssige Darstellung entkräftet werden kann.
Normenkette
ZPO §§ 182, 418; VwZG § 3 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Das Urteil wurde den Klägern und Revisionsklägern (Kläger) am 29. Oktober 1993 zugestellt. Mit der rechtzeitig eingelegten Revision machten sie geltend, das angefochtene Urteil sei der Klägerin zu 2 "soweit bisher erkennbar" unter falscher Adresse, nämlich der Adresse des Ehemannes zugestellt worden. Die -- weitere -- Revisions begründung im Schriftsatz vom 3. Januar 1994 ging an diesem Tage beim Bundes finanzhof (BFH) ein. Mit Schreiben des Vorsitzenden des erkennenden Senats vom 14. Januar 1994 sind die Kläger darauf hingewiesen worden, daß die nach § 120 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgeschriebene Revisionsbegründungsfrist am 29. Dezember 1993 abgelaufen sei; zugleich wurde auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hingewiesen. Die Kläger haben hierauf nicht geantwortet.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist unzulässig, weil die nach § 120 Abs. 1 FGO vorgeschriebene Revisionsbegründung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils eingegangen ist.
Das Vorbringen der Klägerin, das angefochtene Urteil sei ihr "unter einer falschen Adresse" zugestellt worden, verhilft ihrem Rechtsmittel nicht zum Erfolg. Für das vorliegende Revisionsverfahren ist davon auszugehen, daß ihr das finanzgerichtliche Urteil am 29. Oktober 1993 rechtswirksam zugestellt worden ist.
Zwar erstreckt sich die Beweiskraft der Zustellungsurkunde gemäß § 418 der Zivilprozeßordnung (ZPO) bei der Ersatzzustellung durch Niederlegung nach § 182 ZPO i. V. m. § 53 Abs. 2 FGO, § 3 Abs. 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes nicht darauf, daß der Zustellungsempfänger unter der Zustellungsanschrift wohnt. Insoweit wird aber durch die Erklärung des Zustellungsbeamten ein beweiskräftiges Indiz begründet. Aufgrund dieser Indizwirkung können Gericht und Behörden im Regelfall davon ausgehen, daß der Zustellungsempfänger dort wohnt, wo der Zustellungsbeamte die Zustellungsnachricht hinterlassen hat. Diese Indizwirkung kann nur durch eine plausible, schlüssige Darstellung entkräftet werden (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juni 1991 2 BvR 511/89, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1992, 224; vom 20. Februar 1992 2 BvR 884/91, Der Deutsche Rechtspfleger 1992, 358; Beschluß des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 17. Februar 1992 AnwZ (B) 53/91, NJW 1992, 1963). In dieser Hinsicht trägt die Behauptungs- und Beweislast derjenige, der sich darauf beruft, daß die Feststellung des Zustellungsbeamten unrichtig sei (vgl. BFH- Beschlüsse vom 22. August 1989 IV B 156/88, BFH/NV 1990, 749; vom 21. Mai 1991 IV R 120/90, BFH/NV 1992, 474).
Die Kläger haben trotz diesbezüglicher Aufforderung durch das Gericht nicht schlüssig dargelegt, daß es an den tatsächlichen Voraussetzungen der Wohnung i. S. der §§ 181, 182 ZPO gefehlt hätte. Von einem Zustellungsempfänger, der sich darauf beruft, daß er an dem Ort der Zustellung nicht gewohnt hat, kann erwartet werden, daß er klare und vollständige Angaben über seine tatsächlichen Wohnverhältnisse macht (BGH-Beschluß vom 4. Oktober 1989 IV b ZB 47/89, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 1990, 143).
Die Kläger haben wegen der verspäteten Einreichung der Revisionsbegründung trotz diesbezüglichen Hinweises durch das Gericht keinen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt.
Fundstellen