Entscheidungsstichwort (Thema)
Systemanalytiker kein Freiberufler
Leitsatz (NV)
- Die Rechtsfrage, ob ein Autodidakt mit der Tätigkeit eines Systemanalytikers einen ingenieurähnlichen Beruf ausübt und damit die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 EStG erfüllt, ist geklärt.
- Die Darlegung der grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz erfordert eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BVerfG, wonach die Entscheidung des Gesetzgebers, nur gewerbliche Einkünfte zur Gewerbesteuer heranzuziehen und die damit verbundene Abgrenzung der gewerblichen Einkünfte von denen aus anderen Einkunftsarten nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt (vgl. BVerfG-Beschluss vom 17. November 1998 1 BvL 10/98, BStBl II 1999, 509).
- Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache wegen Verstoßes gegen gemeinschaftsrechtliche Vorschriften erfordert Ausführungen zu der Frage, warum die "EG-Richtlinie Dienstleistungsrecht" auch für den Bereich der direkten Steuern von Bedeutung sein könnte.
Normenkette
EStG §§ 15, 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2; GG Art. 3 Abs. 1; EWGRL 388/77 Art. 13 Teil B Buchst. F; EWGRL 77/92
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
I. Gemäß Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) richtet sich die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften der Finanzgerichtsordnung ―FGO― (nachfolgend zitiert: FGO a.F.), da das angefochtene Urteil vor dem 1. Januar 2001 zugestellt wurde.
Im Übrigen ist gemäß Art. 6 2.FGOÄndG die zum 1. Januar 2001 in Kraft getretene Fassung der FGO (zitiert: FGO) anzuwenden.
II. Die Sache ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung.
1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die Rechtsfrage formuliert, ob er als Autodidakt mit der Tätigkeit eines Systemanalytikers einen ingenieurähnlichen Beruf ausgeübt und damit die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllt hat. Dabei kann offen bleiben, ob der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. entsprechenden Weise dargelegt hat. Denn er hat weder ausgeführt, ob und in welchem Umfang diese Rechtsfrage umstritten ist (vgl. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozess, Rdnr. 153) noch hat er das allgemeine Interesse an der Klärung dieser Frage über den entschiedenen Einzelfall hinaus dargelegt (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625, und aus jüngerer Zeit Senatsbeschluss vom 6. Juli 1999 IV B 14/99, BFH/NV 1999, 1587).
Die Beschwerde ist insoweit jedenfalls unbegründet (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Februar 1987 II B 140/86, BFHE 148, 494, BStBl II 1987, 344), weil die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage durch die Rechtsprechung des Senats geklärt ist. Die Tätigkeit eines Autodidakten ist nur dann freiberuflich, wenn Tiefe und Breite seiner Kenntnisse einem in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG normierten Katalogberuf vergleichbar sind (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Senatsurteil vom 4. Mai 2000 IV R 51/99, BFHE 192, 439, BStBl II 2000, 616, m.w.N.). Von dieser Rechtsprechung ist das Finanzgericht (FG) ausgegangen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG konnte der Kläger derartige Kenntnisse jedoch nicht nachweisen. Da die dagegen erhobenen Verfahrensrügen nicht durchgreifen (s. unter III.), sind diese Feststellungen für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO).
2. Soweit der Kläger die grundsätzliche Bedeutung mit dem Hinweis auf eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Steuerpflichtigen begründet und auf den behaupteten Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliche Vorschriften gestützt hat, ist die Beschwerde unzulässig.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verstößt die Entscheidung des Gesetzgebers, nur gewerbliche Einkünfte zur Gewerbesteuer heranzuziehen, und die hiermit notwendigerweise verbundene Abgrenzung der gewerblichen Einkünfte von denen aus anderen Einkunftsarten nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ―GG― (vgl. BVerfG-Beschluss vom 17. November 1998 1 BvL 10/98, BStBl II 1999, 509, m.w.N.). Das BVerfG hat ―gerade im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen der freiberuflichen Tätigkeit eines Ingenieurs einerseits und der gewerblichen Tätigkeit eines damit nicht vergleichbaren Steuerpflichtigen andererseits― auch entschieden, dass die Berufsausbildung ein zulässiges und sachlich einleuchtendes Differenzierungskriterium bildet, das mit dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar ist (BVerfG-Beschluss vom 9. Oktober 1990 2 BvR 146/90, Steuerrechtsprechung in Karteiform ―StRK―, Einkommensteuergesetz 1975 bis 1999/2002, § 18 Abs. 1, Rechtsspruch 59).
Mit dieser Rechtsprechung hat sich der Kläger in seiner Nichtzulassungsbeschwerde nicht auseinander gesetzt. Stattdessen hat er lediglich behauptet, seine Ungleichbehandlung im Vergleich zu Konkurrenten, die eine ähnliche Tätigkeit verrichteten oder gar am gleichen Projekt mitgearbeitet haben und als freiberuflich anerkannt seien, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Dies genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2001 IV B 68/00, BFH/NV 2001, 893; s. auch Beschlüsse des BFH in BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625, und vom 19. August 1994 X B 172/94, BFH/NV 1995, 324).
b) Auch mit dem Hinweis auf den Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht ist die grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt. Ebenso wie für eine ordnungsgemäße Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift nicht ausreicht (ständige Rechtsprechung; z.B. BFH-Beschluss vom 27. März 1992 III B 547/90, BFHE 168, 17, BStBl II 1992, 842), entbindet auch die Behauptung eines Verstoßes einer innerstaatlichen Norm gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht nicht von einer näheren Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage (BFH-Beschluss vom 15. Februar 1995 VII B 100/94, BFH/NV 1995, 829). Auch insoweit ist daher unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur darzulegen, ob und ggf. von welcher Seite die aufgeworfenen Rechtsfragen umstritten sind (z.B. BFH-Beschlüsse vom 2. August 1996 XI B 208/95, BFH/NV 1997, 54, und vom 11. März 1998 X B 146/97, BFH/NV 1998, 1097).
Die Ausführungen in der Beschwerde beschränken sich auf den Hinweis, dass er, der Kläger, "im Bereich der Dienstleistung tätig" sei und dass deshalb die "EG-Richtlinie Dienstleistungsrecht" gelte. Mit diesem pauschalen Hinweis auf die die Annäherung der Mehrwertsteuersätze betreffende Richtlinie 77/388/EWG i.d.F. der Richtlinie 92/77/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― vom 31. Oktober 1992, Nr. L 316/1) hat der Kläger nicht dargelegt, warum die EG-Richtlinie für die angefochtenen Gewerbesteuermessbetragsfestsetzungen von Bedeutung sein könnte. Denn der Bereich der direkten Steuern als solcher fällt nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft (z.B. Urteile vom 14. Februar 1995 Rs. C-279/93, EuGHE 1995, I-225; vom 11. August 1995 Rs. C-80/94, EuGHE 1995, I-2493, Der Betrieb 1995, 2147; vom 27. Juni 1996 Rs. C-107/94, EuGHE 1996, I-3089, Neue Juristische Wochenschrift 1996, 2921). Da der Kläger als deutscher Staatsangehöriger in den Streitjahren mit seinen inländischen Einkünften unbeschränkt steuerpflichtig war, ergeben sich im Übrigen auch nicht etwa Anhaltspunkte für eine offenkundige grundsätzliche Bedeutung.
III. Auch die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
1. Der fehlende Ausspruch und die unterlassene Begründung über die Nichtzulassung der Revision führen nicht zu einem Verfahrensmangel, weil diese Entscheidung auch konkludent getroffen werden kann (Senatsbeschluss vom 7. Dezember 1999 IV R 35/99, BFH/NV 2000, 736). Enthält das FG-Urteil ―wie im Streitfall― keinen Ausspruch über die Zulassung der Revision, so ist sie versagt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. Januar 1994 VIII R 50/93, BFH/NV 1994, 646; vom 22. September 1994 VIII R 45/94, BFH/NV 1995, 426; vom 21. März 1995 VIII R 7/95, BFH/NV 1995, 995).
2. Soweit der Kläger die Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) durch Nichterhebung des mehrfach schriftsätzlich angebotenen Zeugenbeweises rügt, kann er diesen Verfahrensmangel nicht mehr geltend machen, da er es ausweislich der Protokolle über die mündlichen Verhandlungen vom 21. Oktober 1997 und vom 15. November 1999 unterlassen hat, dies im Termin zur mündlichen Verhandlung zu rügen (s. etwa Senatsbeschluss vom 30. September 1998 IV B 14/98, BFH/NV 1999, 620, m.w.N.). Dies gilt auch für die Rüge, das FG habe es unterlassen, ein Obergutachten einzuholen. Insoweit hatte der Kläger zwar einen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung am 21. Oktober 1997 gestellt, in der darauf folgenden mündlichen Verhandlung vom 15. November 1999 aber rügelos zur Sache verhandelt. Nachdem bereits zwei mündliche Verhandlungen in dieser Sache stattgefunden hatten, konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass der bei Schluss der mündlichen Verhandlung vom 15. November 1999 verkündete Beschluss, den Beteiligten werde eine Entscheidung zugestellt, auf einen weiteren Beweisbeschluss hindeute. Die unterlassene Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch die Nichterhebung der Zeugenbeweise und die Nichteinholung eines weiteren Gutachtens kann der Kläger daher nicht mit dem Hinweis rechtfertigen, die mündliche Verhandlung hätte noch zu dem Ergebnis führen können, dass das FG den Beweisanträgen doch noch folgen werde.
IV. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung, insbesondere von der Wiedergabe des Tatbestandes, sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen
Haufe-Index 705708 |
BFH/NV 2002, 639 |