Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Aussetzung der Vollziehung eines Ablehnungsbescheids
Leitsatz (NV)
Die Ablehnung eines Antrags auf Erteilung einer Bescheinigung gemäß § 44 a Abs. 5 EStG ist nicht vollziehbar. Sie ist deshalb einer Aussetzung der Vollziehung nicht zugänglich.
Normenkette
FGO § 69; AO § 171 Abs. 10, § 179 Abs. 1; EStG § 43 Abs. 1 Nr. 7, § 44 Abs. 1 Sätze 3, 5, § 44a Abs. 5, § 39a Abs. 4 S. 1
Tatbestand
Im Hauptsacheverfahren ist zwischen den Beteiligten streitig, ob dem Konkursverwalter für Zinserträge des Gemeinschuldners gemäß § 44 a Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder aus Billigkeitsgründen eine Bescheinigung über die Freistellung vom Steuerabzug zu erteilen ist. Das Hauptsacheverfahren ist vor dem Finanzgericht (FG) anhängig.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist Konkursverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der X-GmbH i. L. Er beantragte im Jahre 1994 beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --), die Vollziehung des Zinsabschlags aus bestimmten Bankkonten auszusetzen. Der Antrag wurde abgelehnt. Danach stellte der Antragsteller den gleichen Antrag beim FG. Das FG verwarf den Antrag als unzulässig, da die Ablehnung eines Antrags auf Freistellungsbescheinigung nicht vollziehbar sei. Das FG hat die Beschwerde zugelassen.
Mit der fristgerecht eingelegten Beschwerde macht der Antragsteller geltend, daß zur Gewährleistung eines effektiven gerichtlichen Schutzes eine Aussetzung der Vollziehung möglich sein müsse.
Der Antragsteller beantragt, den angefochtenen Beschluß des FG aufzuheben und den Einbehalt des Zinsabschlages aus den Bankkonten des Antragstellers auszusetzen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet und war zurückzuweisen.
Eine Aussetzung der Vollziehung setzt einen vollziehbaren Verwaltungsakt voraus (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. Juli 1994 I B 246/93, BFHE 175, 205, BStBl II 1994, 899; Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Tz. 4; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 69 Rz. 26; Kühn/Hofmann, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., § 361 AO 1977 Anm. 3). Die Vollziehung kann nur ausgesetzt werden, wenn eine aufschiebende Wirkung des gegen den Verwaltungsakt eingelegten Rechtsbehelfs bewirkt werden soll. Verwaltungsakte, die sich in der Ablehnung eines Antrags erschöpfen, sind grundsätzlich nicht vollziehbar (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 FGO Rz. 4; Kühn/Hofmann, a.a.O., § 361 AO 1977, Anm. 3). Etwas anderes gilt nur für abgelehnte Grundlagenbescheide. Sie gelten grundsätzlich als vollziehbare und der Aussetzung der Vollziehung zugängliche Bescheide (BFH- Beschluß vom 14. April 1987 GrS 2/85, BFHE 149, 493, BStBl II 1987, 637).
Die Verfügung über die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Bescheinigung gemäß § 44 a Abs. 5 EStG ist nicht vollziehbar. Ihr Inhalt beschränkt sich auf die Ablehnung des Antrags des Antragstellers (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. März 1971 II B 47/69, BFHE 101, 346, BStBl II 1971, 334; vom 8. Juni 1982 VIII B 29/82, BFHE 136, 67, BStBl II 1982, 608; in BFHE 175, 205, BStBl II 1994, 899).
Die angefochtene Verfügung ist auch kein Grundlagenbescheid i. S. des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung (AO 1977). Grundlagenbescheide in diesem Sinne sind Feststellungsbescheide, Steuermeßbescheide oder andere Verwaltungsakte, die für die Festsetzung einer Steuer, also für einen anderen Verwaltungsakt bindend sind. Die Ablehnung eines Freistellungsbescheids erfüllt diese Voraussetzung nicht. Es handelt sich um keinen Feststellungsbescheid i. S. des § 179 Abs. 1 AO 1977. Dabei kann dahinstehen, ob die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung im Hinblick auf ihre Bedeutung für die als Steuerfestsetzung geltende Steueranmeldung möglicherweise als Grundlagenbescheid anzusehen ist (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 5 EStG i. V. m. § 150 Abs. 1 Satz 2, § 168 AO 1977; gegen Grundlagenbescheid: M. Baum in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 155 Rz. 17/1). Jedenfalls beschränkt sich die Wirkung einer die Bescheinigung ablehnenden Verfügung auf die Ablehnung des Antrags (vgl. dazu Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 FGO Tz. 5). Sie entfaltet keine Bindungswirkung für die abzugspflichtige auszahlende Stelle. Deren Abzugspflicht ergibt sich unabhängig von der ablehnenden Verfügung unmittelbar aus § 43 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG. Im übrigen wäre für die Annahme eines Grundlagenbescheids eine gesetzlich geregelte Bindungswirkung unerläßliches Tatbestandsmerkmal (vgl. BFH-Urteile vom 18. April 1980 III R 34/78, BFHE 130, 441, BStBl II 1980, 682; vom 29. Juli 1992 I R 114/91, BFHE 169, 76, BStBl II 1993, 180; Höllig in Koch/Scholtz, a.a.O., § 171 Rz. 40). Eine derartige gesetzlich geregelte Bindung der Steueranmeldungen des Abzugsverpflichteten an die Ablehnungsverfügung existiert nicht.
Ein Vergleich mit der Eintragung von Freibeträgen auf der Lohnsteuerkarte (vgl. BFH-Entscheidung vom 24. Februar 1987 IX B 106/86, BFHE 148, 533, BStBl II 1987, 344) ist schon deshalb nicht möglich, weil diese Verwaltungsakte kraft gesetzlicher Vorschrift als Feststellungsbescheide gelten (§ 39 a Abs. 4 Satz 1 EStG).
Fundstellen
Haufe-Index 420635 |
BFH/NV 1995, 975 |