Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsprechung zur Nichterforderlichkeit einer Investitionsabsicht für Ansparrücklage bedeutet keine Verschärfung der Anforderungen
Leitsatz (NV)
Hält das FG die Bildung einer Ansparrücklage nach § 7g EStG für unzulässig, weil der Stpfl. zwar nach der neueren Rechtsprechung des BFH keine Investitionsabsicht nachweisen müsse, aber eine hinreichende Konkretisierung der Investitionsentscheidung nicht festgestellt werden könne, ist darin keine nachteilige Anwendung neuerer Rechtsprechung zu sehen. Die Frage, ob es auch für die Rechtsprechung ein Rückwirkungsverbot gibt, stellt sich deshalb insoweit nicht.
Normenkette
EStG § 7g Abs. 3, 7; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, wurde im Oktober 1997 gegründet. Nach dem Gesellschaftsvertrag sollte sie --ebenso wie die im gleichen Jahr gegründete Komplementär-GmbH-- Unternehmensberatung betreiben. Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung der GmbH vom 3. Juni 1998 wurde der Unternehmensgegenstand auf die Ausübung des Bewachungsgewerbes erweitert.
In ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1997 bildete die Klägerin eine Rücklage nach § 7g des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 320 000 DM. Diese erläuterte sie nach Rückfrage des damals zuständigen Finanzamts zunächst dahin gehend, dass Investitionen im Bereich der Erbenermittlung und im ursprünglichen Geschäftszweck "Überwachungen" und "Objektüberwachungen" vorgenommen werden würden. Die Rücklage sei als Existenzgründer-Rücklage für folgende Investitionen gebildet worden:
5 Fahrzeuge à 45 000 DM |
225 000 DM |
5 Fahrzeugeinrichtungen mit Funk, Telefon und Navigationssystemen à 5 000 DM |
25 000 DM |
Überwachungseinrichtungen für Gebäude (Video, Funkvideo, Bildschirmstation inkl. Installation) |
350 000 DM |
Büroeinrichtung komplett inkl. EDV |
75 000 DM |
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675 000 DM |
Daraufhin erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ein der Steuererklärung entsprechender Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte im Streitjahr (1997).
Tatsächlich kam es nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) nicht zu den betreffenden Investitionen.
Nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA-- X) zuständig geworden war, erließ dieses FA einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Feststellungsbescheid für das Streitjahr, in dem um den Rücklagebetrag erhöhte Einkünfte festgestellt wurden. Das FA begründete den Änderungsbescheid damit, dass eine GmbH & Co. KG kein Existenzgründer i.S. des § 7g Abs. 7 EStG sein könne. Mit dieser Begründung wies das FA auch den anschließend erhobenen Einspruch zurück.
Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das FG hielt es zwar für möglich, dass eine GmbH & Co. KG Existenzgründer sei. Die Rücklage sei aber deshalb nicht anzuerkennen, weil die Klägerin den Anforderungen an eine Konkretisierung der vorgeblich geplanten Investitionen nicht genügt habe. Zwar habe der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass keine Investitionsabsicht nachgewiesen werden müsse. Bei einer wesentlichen Betriebserweiterung gebe es aber verschärfte Voraussetzungen für eine hinreichende Konkretisierung der Investition. Es sei wie im Fall der Betriebseröffnung erforderlich, dass die Investitionsentscheidung für wesentliche Betriebsgrundlagen durch eine verbindliche Bestellung konkretisiert sei. Die von der Klägerin bezeichneten Wirtschaftsgüter wären für den Bewachungsbetrieb wesentliche Betriebsgrundlagen gewesen. Die Klägerin habe weder einen konkreten Investitionsplan noch eine verbindliche Bestellung der Wirtschaftsgüter vorgelegt. Bereits daran scheitere die Anerkennung der Rücklage. Darüber hinaus sei die Ansparrücklage für Büroeinrichtung mangels eindeutiger Bezeichnung der anzuschaffenden Wirtschaftsgüter nicht ordnungsgemäß gebildet worden. Schließlich sei ein Zusammenhang mit dem Unternehmenszweck der Klägerin nicht erkennbar. Die Erweiterung des Unternehmensgegenstands auf Bewachung finde erstmals im folgenden Jahr bei der GmbH Erwähnung. Es sei deshalb davon auszugehen, dass eine Investition "ins Blaue" hätte vorgenommen werden sollen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 686 veröffentlicht.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Mit der dagegen erhobenen Beschwerde macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensfehler geltend.
Es bedeute eine unzulässige Rückwirkung, dass das FG, gestützt auf Rechtsprechung des BFH ab dem Jahr 2002, verschärfte Anforderungen an den Nachweis der Investitionsabsicht gestellt habe. Nur zwingende Gründe des Gemeinwohls oder ein nicht mehr vorhandenes schutzwürdiges Vertrauen könnten eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Rückwirkungsverbot rechtfertigen. Die Voraussetzungen für die Bildung einer Ansparrücklage seien in § 7g Abs. 7 EStG ausdrücklich geregelt. Die Finanzverwaltung habe in einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 12. Dezember 1996 (BStBl I 1996, 1441) dazu ausgeführt, die Investitionsabsicht sei glaubhaft zu machen. Es müssten aber weder ein Investitionsplan noch eine feste Bestellung eines bestimmten Wirtschaftsguts vorgelegt werden. Die Rechtslage sei damit eindeutig gewesen; die Klägerin hätte nicht mit einer Änderung der Rechtsprechung rechnen müssen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Die Klägerin habe keinen der Gründe für eine Revisionszulassung ordnungsgemäß dargelegt. Ein Rückwirkungsverbot gebe es nur für Gesetze. Das FG habe auf der Grundlage der aktuellen BFH-Rechtsprechung entschieden.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig und war deshalb zu verwerfen.
Die Klägerin hat keinen der Revisionszulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) schlüssig dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
a) Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), so setzt die Darlegung des Revisionsgrundes schlüssige Ausführungen dazu voraus, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsfrage beruht, deren Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, die klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu ist eine konkrete Rechtsfrage zu formulieren. Deren Bedeutung für die Allgemeinheit muss substantiiert und konkret dargetan werden. Die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit verlangt u.a. auch eine Auseinandersetzung mit zu dieser Frage vertretenen Auffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum sowie mit veröffentlichten Äußerungen der Verwaltung (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 9. Mai 1988 IV B 35/87, BFHE 153, 378, BStBl II 1988, 725; vom 17. Oktober 2001 III B 65/01, BFH/NV 2002, 217; vom 10. Mai 2002 VII B 179/01, BFH/NV 2002, 1316).
Derartige Ausführungen enthält die Beschwerde nicht. Soweit die Klägerin die Frage für klärungsbedürftig halten sollte, ob es auch für die Rechtsprechung ein Rückwirkungsverbot gibt, setzt sie sich nicht mit der bisher vom BFH vertretenen Auffassung auseinander, wonach eine geänderte Rechtsprechung auch auf alle anderen in der Vergangenheit verwirklichten Sachverhalte anzuwenden ist, soweit für sie dieselbe Gesetzesfassung gilt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1991 II R 49/89, BFHE 165, 492, BStBl II 1992, 260). Die Klägerin hätte auch darauf eingehen müssen, dass § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 eine spezielle Regelung zur Wahrung des Vertrauensschutzes im Hinblick auf die rückwirkende Anwendbarkeit geänderter Rechtsprechung enthält.
Im Übrigen beruht das Urteil des FG auch nicht auf einer für die Klägerin der Sache nach nachteiligen Anwendung neuerer BFH-Rechtsprechung. Wie die Klägerin selbst vorträgt, hatte die Finanzverwaltung im BMF-Schreiben in BStBl I 1996, 1441, Tz. 3 zunächst die Glaubhaftmachung der Investitionsabsicht verlangt. Dem ist der BFH nicht gefolgt, sondern hat eine positive Investitionsprognose ausreichen lassen (BFH-Urteile vom 12. Dezember 2001 XI R 13/00, BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385, und vom 19. September 2002 X R 51/00, BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184). Weder hat die Klägerin aber nach den Feststellungen des FG eine Investitionsabsicht glaubhaft gemacht noch konnte --bezogen auf das Ende des Streitjahres 1997-- prognostiziert werden, dass die genannten Wirtschaftsgüter beschafft werden würden. Einer solchen Prognose stand schon der bis dahin nicht geänderte Unternehmenszweck entgegen. Tatsachen, aus denen auf eine Betätigung im Überwachungsgewerbe hätte geschlossen werden können, hat das FG nicht festgestellt.
b) Es fehlt auch an der ordnungsgemäßen Darlegung eines Verfahrensmangels i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Eine schlüssige Rüge erfordert hier, dass die Tatsachen, die den Mangel ergeben, im Einzelnen angeführt werden und dass dargelegt wird, dass die Entscheidung des FG auf dem Mangel beruhen kann (Senatsbeschluss vom 13. September 1991 IV B 105/90, BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148). Das ist der Fall, wenn das Gericht von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt aus bei richtigem Verfahren zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Beschluss vom 4. März 1992 II B 201/91, BFHE 166, 574, BStBl II 1992, 562; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 48, m.w.N.).
Dem Beschwerdevorbringen kann danach die Rüge eines Verfahrensmangels auch nicht ansatzweise entnommen werden. Soweit sich die Klägerin gegen die ihrer Meinung nach vorliegende Rückwirkung mit einer Verfahrensrüge wenden will, kann sie damit schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Rückwirkung das materielle Recht betreffen würde, also nicht mit der Verfahrensrüge beanstandet werden könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 1414751 |
BFH/NV 2005, 2008 |