Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionskläger nicht austauschbar
Leitsatz (NV)
Die im Namen einer Person Y eingelegte Revision kann nicht im Wege der Auslegung als Revision der Person X gewertet werden. Zwar sind Prozeßerklärungen auslegungsfähig, wobei es Ziel der Auslegung ist, den wirklichen Willen des Erklärenden zu erforschen. Die Auslegung darf aber nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der Erklärung selbst keine Anhaltspunkte mehr finden lassen.
Normenkette
FGO § 65 Abs. 1, §§ 121-122
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat mit Urteil vom 23. Februar 1993 die von X erhobene Klage abgewiesen. Das Urteil wurde dem Kläger am 7. April 1993 zugestellt. Am 7. Mai 1993, am letzten Tag der Rechtsmittelfrist, legten die Prozeßbevollmächtigten beim FG namens und im Auftrag des Y Revision gegen das Urteil vom 06.04. 1993, zugestellt am 07.04.1993, Aktenzeichen ... ein. Am 10. Mai 1993 teilte die Kanzlei der Prozeßbevollmächtigten dem FG telefonisch mit, daß der Revisionskläger falsch bezeichnet worden sei. Die Revision sollte für X eingelegt werden. Am 7. Juni 1993 ging beim Bundesfinanzhof (BFH) der Schriftsatz der Prozeßbevollmächtigten ein, wonach im Schriftsatz vom 7. Mai 1993 fälschlicherweise der Name des Mandanten mit Y bezeichnet worden sei. Das Verfahren betreffe nicht diesen, sondern ausschließlich X. Eine auf sie lautende Prozeßvollmacht des Y haben die Prozeßbevollmächtigten trotz Aufforderung nicht vorgelegt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nach § 124 Abs. 1, § 126 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unzulässig zu verwerfen. Der Revisionskläger war nicht im Klageverfahren beteiligt. Nach § 115 Abs. 1 FGO steht die Revision gegen das Urteil eines FG den Beteiligten zu. Beteiligter am Verfahren über die Revision ist, wer am Verfahren über die Klage beteiligt war; das sind nach § 57 FGO der Kläger, der Beklagte, der Beigeladene und die Behörde, die dem Verfahren beigetreten ist. Der Revisionskläger ist keiner dieser Gruppen zuzuordnen. Er ist weder im Rubrum des Urteils aufgeführt, noch war er tatsächlich am Klageverfahren beteiligt (vgl. BFH-Beschluß vom 30. Oktober 1990 IX R 124/90, BFH/NV 1991, 545).
Die im Namen des Y eingelegte Revision kann nicht im Wege der Auslegung als Revision des X gewertet werden. Zwar sind Prozeßerklärungen auslegungsfähig, wobei es Ziel der Auslegung ist, den wirklichen Willen des Erklärenden zu erforschen (vgl. § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -; BFH-Urteile vom 1. April 1981 II R 38/79, BFHE 133, 151, BStBl II 1981, 532, und vom 15. Dezember 1981 VIII R 116/79, BFHE 135, 267, BStBl II 1982, 385). Die Auslegung darf aber nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der Erklärung selbst keine Anhaltspunkte mehr finden lassen. Der Revisionsschrift vom 7. Mai 1993 läßt sich nicht entnehmen, daß die Revision für X eingelegt werden sollte. Die Richtigstellung im Schriftsatz vom 7. Juni 1993 kann nicht bewirken, daß die Revision als von X eingelegt angesehen wird. Eine Richtigstellung der Verfahrensbeteiligten ist nur innerhalb der Revisionsfrist möglich (vgl. BFH-Beschluß vom 24. November 1976 I R 114/75, BFHE 120, 341, BStBl II1977, 163, und BFH-Urteile vom 12. Januar 1988 VII R 74/84, BFH/NV 1988, 692, und vom 30. August 1988 VII R 193/85, BFH/NV 1989, 212). Die Revisionsfrist lief am 7. Mai 1993 ab (§ 120 Abs. 1 Satz 1, § 54 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO - und §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB).
Schließlich ließ sich innerhalb der Revisionsfrist auch nicht aus sonstigen Umständen feststellen, daß X Revisionskläger sein sollte (vgl. dazu BFH-Urteile vom 30. April 1980 VII R 94/74, BFHE 130, 480, BStBl II 1980, 588, und in BFH/NV 1989, 212 m.w.N.). Zwar reicht es für die Angabe der Beteiligten aus, in dem an das FG gerichteten Revisionsschriftsatz das angefochtene Urteil nach Datum und Aktenzeichen zu bezeichnen, wenn aus den dem FG vorliegenden Akten die Namen der Beteiligten ohne Schwierigkeiten entnommen werden können (BFH-Urteil vom 1. Oktober 1980 II R 37/78, BFHE 131, 527, BStBl II 1981, 105). Vorliegend war innerhalb der Revisionsfrist X aber schon deshalb nicht zweifelsfrei als Beteiligter erkennbar, weil die Revision ausdrücklich im Namen des Y eingelegt wurde und darüber hinaus ein falsches Urteilsdatum - statt 23. Februar 1993 6. April 1993 - angegeben wurde.
Fundstellen