Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Der Beschluß, durch den eine Revision als unzulässig verworfen wird, kann nach § 90 Abs. 1 Satz 2 FGO auch dann ohne mündliche Verhandlung ergehen, wenn eine solche beantragt ist.
Normenkette
FGO § 90/1, § 126 Abs. 1, § 159
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtiger - Stpfl. -) betreibt eine Gastwirtschaft. Außerdem stellt er Musikautomaten und Spielautomaten auf. Nach einer Betriebsprüfung berichtigte das Finanzamt (FA) u. a. die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Kalenderjahre 1957 und 1958. Gegen die Berichtigungsbescheide hat der Stpfl. erfolglos Einspruch eingelegt. Mit der Berufung begehrte er, den Umsatz des Jahres 1957 um 8.750 DM, den des Jahres 1958 um 6.568 DM herabzusetzen, die Umsatzsteuer also um rund 612 DM zu ermäßigen, weil nach seiner Auffassung Umsätze in dieser Höhe doppelt erfaßt worden seien.
Die Berufung wurde vom Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 15. Dezember 1965 als unbegründet zurückgewiesen und der Streitwert auf 500 bis 600 DM festgestellt. Die Zulassung der Rb. wegen grundsätzlicher Bedeutung ist nicht ausgesprochen worden. Das Urteil ist in der mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 1965 verkündet, die schriftliche Ausfertigung am 12. Februar 1966 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 9. März 1966, eingegangen beim FG am 11. März 1966, legte der Steuerbevollmächtigte des Stpfl. Revision ein, beantragte, die Vorentscheidung aufzuheben, ihm zur Begründung der Revision eine Frist bis zum 31. Mai 1966 zu gewähren und über die Revision mündlich zu verhandeln. Mit Schriftsatz vom 25. Mai 1966 begründet er die Revision. Das FA beantragte, die Revision als unzulässig zu verwerfen, da der Streitwert 600 DM beträgt und die Revision nicht zugelassen worden sei. Darauf beantragte der Steuerbevollmächtigte in einem an den BFH gerichteten Schreiben, die Revision zuzulassen.
Der Antrag auf Zulassung der Revision ist dem FG zugeleitet worden. Das FG hat am 15. September 1966 beschlossen:
"Für den Fall, daß eine Nichtzulassungsbeschwerde gegeben sein sollte, wird ihr nicht abgeholfen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. ..."
Entscheidungsgründe
Die Revision ist rechtzeitig eingelegt, jedoch nicht zulässig. Da das Urteil des FG am 15. Dezember 1965 verkündet worden und damit vor dem 1. Januar 1966 ergangen ist (BFH-Urteil VI R 80/66 vom 15. Juli 1966, BFH 86, 543, BStBl III 1966, 595), richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs nach den bisher geltenden Vorschriften. Gegen Berufungsentscheidungen der FG war nach § 286 AO a. F. die Rb. nur gegeben, wenn der Wert des Streitgegenstands höher als 1.000 DM war oder wenn das FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache die Rechtsbeschwerde zugelassen hatte. Beide Voraussetzungen liegen nicht vor.
Gegen die Entscheidung, durch die das FG einen Antrag auf Zulassung der Rb. abgelehnt hat, war ein Rechtsmittel nicht gegeben. Zum Ausschluß der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung genügte die Unterlassung des Ausspruchs über die Zulassung (BFH-Urteile II 104/56 U vom 26. September 1956, BFH 63, 333, BStBl III 1956, 324; III 268/62 U vom 11. Januar 1963, BFH 76, 452, BStBl III 1963, 165). Die AO a. F. hatte kein Rechtsmittel gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde vorgesehen. Das Urteil des FG ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden. Der Antrag des Stpfl., die Revision zuzulassen, ist daher nicht statthaft.
Die unzulässige Revision ist durch Beschluß zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO). Beschlüsse können aber, soweit nichts anderes bestimmt ist, ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 90 Abs. 1 Satz 2 FGO). Die Vorschrift des § 159 FGO, die für die Dauer von drei Jahren abweichend von § 90 FGO eine übergangsregelung für die mündliche Verhandlung vor dem BFH vorsieht, steht dem nicht entgegen. Sie will, daß für die übergangsfrist die mündliche Verhandlung im Gegensatz zu § 90 FGO die Ausnahme bleibt. Sie bezweckt aber nicht eine Ausdehnung des Grundsatzes der mündlichen Verhandlung dahingehend, daß auch bei Beschlüssen eine mündliche Verhandlung stattzufinden habe.
Dem Stpfl. ist durch die Stellungnahme des FA bekannt, daß die Revision für nicht zulässig gehalten wird. Mit einer Entscheidung, die diese Auffassung bestätigt, muß er rechnen; ihm wird also auch nicht der Anspruch auf rechtliches Gehör verweigert, wenn die Entscheidung durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung ergeht. Er hatte Gelegenheit, sich zur Zulässigkeit seiner Revision zu äußern, und hat dies auch getan, indem er beantragte, die Revision zuzulassen.
Fundstellen
Haufe-Index 412474 |
BStBl III 1967, 368 |
BFHE 1967, 304 |
BFHE 88, 304 |