Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung des Klageverfahrens gemäß § 74 FGO
Leitsatz (NV)
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung muß ein Klageverfahren gegen einen Einkommensteuerbescheid regelmäßig dann ausgesetzt werden, wenn in ihm Einwendungen erhoben werden, über die in einem besonderen Grundlagenbescheid zu entscheiden ist.
Normenkette
FGO § 74; AO 1977 § 182 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) klagt vor dem Finanzgericht (FG) gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) wegen Einkommen- und Umsatzsteuer 1985 und 1986. Durch Beschluß vom 28. Oktober 1992 hat das FG das Klageverfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt. Soweit die Aussetzung die Klage wegen Einkommensteuer 1985 und 1986 betrifft, wurde sie damit begründet, daß das FG in einem Verfahren zur einheitlichen und gesonderten Feststellung gemäß § 180 Abs. 1 Nr.2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) die vorgreifliche Klärung der Rechtsfrage für erforderlich halte, ob der Kläger gemeinsam mit Herrn X im Streitjahr 1985 Mitinhaber einer Steuerberatersozietät war und hieraus gemeinschaftliche Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielte.
Gegen den Beschluß, der dem Kläger am 10. November 1992 zugestellt wurde, legte dieser am 20. November 1992 beim FG Beschwerde ein, der das FG nicht abgeholfen hat. Die Beschwerde richtet sich nur gegen den Teil des Beschlusses, der die Aussetzung des Klageverfahrens wegen Einkommensteuer 1985 und 1986 zum Inhalt hat. Ihr liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger ist von Beruf Steuerberater. Bis Ende 1982 übte er seinen Beruf in einer Einzelpraxis aus. Am 9. Februar 1983 schloß er mit X einen Sozietäts- und Praxisübertragungsvertrag. Danach wurde X per 1. Januar 1983 Sozius des Klägers. Der Kläger sollte zum 1. Januar 1985 aus der Praxis ausscheiden. Nach dem 1. Januar 1985 sollte er noch als freier Mitarbeiter des X tätig werden.
In seiner Einkommensteuer-Erklärung 1985 erklärte der Kläger einen laufenden Gewinn in Höhe von rd. 47000 DM und einen Veräußerungsgewinn in Höhe von rd. 220000 DM. Demgegenüber setzte das FA in dem Einkommensteuerbescheid 1985 vom 11.Dezember 1989 nur einen laufenden Gewinn in Höhe von rd. 206000 DM an. Außerdem erließ es am 5. Dezember 1989 einen Einkommensteuerbescheid 1986, in dem Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von rd. 28000 DM angesetzt sind, von denen der Kläger behauptet, daß Einnahmen in Höhe von rd. 8500 DM bereits in dem für 1985 angesetzten Gewinn enthalten seien.
Das FG hat seinen Aussetzungsbeschluß, soweit er vom Kläger angefochten ist, damit begründet, daß über einen Veräußerungsgewinn des Klägers aus Anlaß seines Ausscheidens aus der mit X geführten Sozietät dem Grunde und der Höhe nach in einem Verfahren gemäß § 180 Abs. 1 Nr.2 Buchst. a AO 1977 zu entscheiden sei. Demgegenüber behauptet der Kläger in seiner Beschwerdebegründung, daß die Sozietät zum 31. Dezember 1984 beendet worden sei. Er habe in 1985 keine Einkünfte mehr aus der Sozietät erzielt.
Das FA hat am 23. Dezember 1992 einen Feststellungsbescheid 1985 für die Einkünfte des Klägers aus der Sozietät mit X erlassen. Der Kläger hat gegen diesen Bescheid Einspruch eingelegt. Das FA hat das Einspruchsverfahren wegen der vom Kläger eingelegten Beschwerde ausgesetzt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.
Nach § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen ist. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. April 1979 VIII R 57/76, BFHE 128, 136, BStBl II 1979, 678; vom 26. Juli 1983 VIII R 28/79, BFHE 139, 335, BStBl II 1984, 290; vom 14. Februar 1984 VIII R 126/82, BFHE 141, 124, BStBl II 1984, 580; vom 9. Mai 1984 I R 25/81, BFHE 141, 252, BStBl II 1984, 726; vom 9. November 1988 I R 191/84, BFHE 155, 454, BStBl II 1989, 343, und vom 19. April 1989 X R 3/86, BFHE 156, 383, BStBl II 1989, 596) muß ein Klageverfahren gegen einen Einkommensteuerbescheid regelmäßig dann ausgesetzt werden, wenn in ihm Einwendungen erhoben werden, über die in einem gesonderten Grundlagenbescheid zu entscheiden ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall schon deshalb erfüllt, weil das FA am 23. Dezember 1992 einen Feststellungsbescheid 1985 erlassen hat, in dem die streitigen Einkünfte teilweise festgestellt sind. Es ist nunmehr vorgreiflich in diesem Feststellungsverfahren zu entscheiden, ob die Einkünfte gesondert festzustellen sind, ob sie bereits zum 31. Dezember 1984 oder erst zum 1. Januar 1985 erzielt wurden und ob es sich um einen Veräußerungsgewinn i.S. des § 18 Abs. 3 i.V.m. § 16 EStG handelt (vgl. BFH-Beschluß vom 28. März 1974 IV B 58/73, BFHE 112, 171, BStBl II 1974, 459; BFH-Urteile vom 10. Juli 1986 IV R 12/81, BFHE 147, 63, BStBl II 1986, 811; vom 14. April 1988 IV R 219/85, BFHE 153, 285, BStBl II 1988, 711). Die in dem Feststellungsverfahren zu treffende Entscheidung hat Bindungswirkung i.S. des § 182 Abs. 1 AO 1977 für die Entscheidung über das Klageverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid 1985. Sie ist auch für die Entscheidung in der Klagesache wegen Einkommensteuer 1986 vorgreiflich, weil erst dann, wenn ein zum 31. Dezember 1984 oder zum 1. Januar 1985 anzusetzender Veräußerungsgewinn der Höhe nach feststeht, eine Aussage darüber getroffen werden kann, ob in dem Gewinn 1986 Einnahmen enthalten sind, die bereits früher erfaßt wurden.
Bei dieser Sachlage ist die vom FG verfügte Aussetzung des Verfahrens beschwerderechtlich nicht zu beanstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 419150 |
BFH/NV 1993, 745 |