Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtskosten bei gleichzeitig erhobener Nichtzulassungsbeschwerde und Antrag auf Prozeßkostenhilfe
Leitsatz (NV)
- Als unrichtige Sachbehandlung i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG kommen nur erkennbare Versehen oder materielle Verstöße gegen eindeutige Rechtsnormen des materiellen oder formellen Rechts in Betracht.
- Erhebt der Kläger ausdrücklich Nichtzulassungsbeschwerde und beantragt zugleich für dieses Verfahren Prozeßkostenhilfe, sind beide Anträge zu bescheiden. Die Entstehung von Gerichtskosten für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde beruht insoweit nicht auf einer fehlerhaften Sachbehandlung durch den BFH.
Normenkette
GKG §§ 5, 8 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Der Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Erinnerungsführer) hatte 1985 aus Billigkeitsgründen den Erlaß von Einkommen- und Umsatzsteuerschulden 1972 bis 1978 einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 1 096 380,47 DM beantragt. Weder das Finanzamt (FA) noch das Finanzgericht (FG) hatten dem Antrag stattgegeben. Daraufhin hatte für den Erinnerungsführer ein Rechtsanwalt mit Schriftsatz vom 24. April 1989 ausdrücklich Nichtzulassungsbeschwerde gegen das FG-Urteil eingelegt und "weiterhin" beantragt, dem Kläger Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Verfahren zu bewilligen. Der erkennende Senat hatte mit Beschlüssen vom 16. Januar 1990 das PKH-Gesuch abgelehnt (Az. IV S 4/89) und die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen (Az. IV B 88/89).
Die Kostenstelle des Bundesfinanzhofs (BFH) setzte mit Kostenrechnung vom 1. März 1990 Gerichtskosten in Höhe von 6 618,00 DM für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde fest. Die Vollstreckung dieser Kostenforderung wird betrieben. Nach Angaben des Erinnerungsführers wurde er in diesem Zusammenhang im April 1999 vom Gerichtsvollzieher zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufgefordert.
Der Erinnerungsführer trägt vor, er habe sich in dem damaligen Rechtsstreit vor dem FG u.a. darauf berufen, daß der Steueranspruch bereits erloschen sei. Das FG habe dieses Vorbringen als bedingten und damit unzulässigen Hilfsantrag angesehen und deshalb inhaltlich nicht geprüft. Das sei fehlerhaft gewesen und habe gegen die Sachaufklärungspflicht des FG nach § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verstoßen (vgl. List in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 76 FGO Rz. 5, 14). Gemäß § 257 der Abgabenordnung (AO 1977) müsse die Vollstreckung eingestellt werden, wenn der Steueranspruch erloschen sei. Daß der Steueranspruch erloschen sei, habe später auch das FG in einem rechtskräftigen Urteil vom 5. Dezember 1991 anerkannt, worauf alle Vollstreckungsmaßnahmen der Finanzverwaltung eingestellt worden seien.
Diese Argumente hätten mit der beabsichtigten Nichtzulassungsbeschwerde vorgetragen werden sollen, wozu zunächst nur ein PKH-Antrag gestellt worden sei. Der BFH habe den Antrag zu Unrecht in eine Nichtzulassungsbeschwerde und einen PKH-Antrag zerlegt.
Weil zunächst aus dem Kostenbeschluß des BFH nicht vollstreckt worden sei, habe er, der Erinnerungsführer, irrtümlich angenommen, daß der BFH im Hinblick auf das spätere FG-Urteil eine Niederschlagung der Kosten gemäß § 8 des Gerichtskostengesetzes (GKG) veranlaßt habe.
Da die Niederschlagung der Kosten auch jetzt noch möglich sei, werde er einen entsprechenden Antrag nach Bewilligung der PKH durch den beigeordneten Anwalt stellen lassen. Sofern er den Antrag wirksam selber stellen könne, stelle er ihn hiermit. Der Antrag sei wegen der unrichtigen Sachbehandlung durch das FG und den BFH begründet.
Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß, Kosten für das Beschwerdeverfahren IV B 88/89 gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht zu erheben.
Der Vertreter der Staatskasse beantragt sinngemäß, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.
Er trägt vor, zwar sei eine Erinnerung weder form- noch fristgebunden. Eine zeitliche Begrenzung ergebe sich aber aus den Vorschriften über die Verjährung (§§ 7, 10 GKG) sowie durch die Rechtsgrundsätze der Verwirkung. Die Kostenrechnung sei fehlerfrei. Eine unrichtige Sachbehandlung i.S. des § 8 GKG sei nicht zu erkennen.
Entscheidungsgründe
Die Erinnerung ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen.
1. Der Senat versteht das Vorbringen des Erinnerungsführers dahin, daß eine Entscheidung über Nichterhebung der Gerichtskosten für das Verfahren IV B 88/89 gemäß § 8 GKG begehrt wird. Wird ein solcher Antrag nach Ergehen der Kostenrechnung gestellt, ist er als Erinnerung i.S. des § 5 GKG zu behandeln (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 31. Juli 1985 III E 1/85, BFH/NV 1986, 110, m.w.N.). In dem Verfahren über die Erinnerung bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten (§ 5 Abs. 5 GKG). Der Erinnerungsführer konnte den Antrag demgemäß selbst wirksam stellen.
2. Es kann dahinstehen, ob sich im Hinblick auf den Zeitablauf seit der Kostenfestsetzung Bedenken an der Zulässigkeit des Antrags ergeben. Denn jedenfalls ist der Antrag unbegründet.
a) Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Als unrichtige Sachbehandlung kommen nur erkennbare Versehen oder materielle Verstöße gegen eindeutige Rechtsnormen des materiellen oder formellen Rechts in Betracht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 17. November 1987 II E 1/87, BFH/NV 1988, 324; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, Vor § 135 Rz. 19). Die Entstehung der Kosten für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren IV B 88/89 beruht nicht auf einer derartigen fehlerhaften Sachbehandlung des BFH.
b) Der Senat hat nicht einen PKH-Antrag fehlerhaft zugleich als unbedingt erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ausgelegt. Der Erinnerungsführer hatte entgegen seinen Ausführungen im hiesigen Verfahren nicht nur einen Antrag auf PKH für eine künftige Nichtzulassungsbeschwerde gestellt. Vielmehr hieß es in dem von einem Rechtsanwalt verfaßten Schriftsatz ausdrücklich, es werde Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und beantragt, die Revision zuzulassen. "Weiterhin", also zusätzlich, werde beantragt, PKH zu bewilligen. Die beiden Anträge waren damit klar und eindeutig gleichzeitig gestellt und mußten jeweils durch den Senat beschieden werden. Der Erinnerungsführer bzw. der für ihn auftretende Bevollmächtigte hätte die Entstehung der Gerichtskosten vermeiden können, wenn er nur den Antrag auf PKH gestellt hätte.
c) Auch soweit der Erinnerungsführer sich auf eine inhaltliche Unrichtigkeit des Beschlusses über die Nichtzulassungsbeschwerde beruft, ist die Erinnerung nicht begründet. Der Beschluß beruht nicht auf einer offensichtlichen und schwerwiegenden Verletzung einer eindeutigen Rechtsnorm.
Fundstellen
Haufe-Index 422627 |
BFH/NV 2000, 330 |