Leitsatz (amtlich)
1. Ein nicht zu den in den §§ 3 und 4 Nrn. 1 und 2 StBerG bezeichneten natürlichen Personen gehörender Bevollmächtigter oder Beistand kann als Prozeßbevollmächtigter nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO zurückgewiesen werden, wenn er erklärt, daß er auf unabsehbare Zeit verhindert sei, die Rechte seines Auftraggebers wahrzunehmen.
2. Die Bevollmächtigung eines Dritten durch den zurückgewiesenen Bevollmächtigten oder Beistand ist als rechtsunwirksame Prozeßhandlung unbeachtlich.
Normenkette
FGO § 62 Abs. 2 S. 1 Hs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin zu 1 erhob beim Finanzgericht (FG) Klage in ihren Einkommensteuersachen 1980 und 1981. Im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens trat der Beschwerdeführer zu 2, der Sohn der Beschwerdeführerin zu 1, als ihr Vertreter auf und beantragte mit Schriftsatz vom 9. Januar 1984 Fristverlängerung für die Begründung der Klage bis zum 10. Januar 1985. Er machte geltend, er sei "bis auf weiteres" außerstande, die Sache zu bearbeiten, weil er sich um private Belange kümmern müsse. Mit Beschluß vom 27. Februar 1984 wies das FG den Beschwerdeführer zu 2 als Prozeßvertreter der Beschwerdeführerin zu 1 mit der Begründung zurück, daß er nach seinen eigenen Bekundungen auf längere und von vornherein nicht absehbare Zeit verhindert sei, bei der Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens mitzuwirken.
Hiergegen haben sowohl der Beschwerdeführer zu 2 als auch die Beschwerdeführerin zu 1 durch vom Beschwerdeführer zu 2 beauftragte Rechtsanwälte Beschwerde einlegen lassen. Mit Verfügung vom 17. August 1984, zugestellt am 21. August 1984, gab der Vorsitzende des erkennenden Senats den Prozeßbevollmächtigten der Beschwerdeführer zu 1 und 2 gemäß Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFG-EntlG) auf, eine Prozeßvollmacht innerhalb eines Monats vorzulegen. Innerhalb dieser Frist teilte der Beschwerdeführer zu 2 mit, er erteile den Prozeßbevollmächtigten Prozeßvollmacht in seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter der Beschwerdeführerin zu 1 und zugleich in eigenem Namen.
Der Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 1 ist unzulässig. Es fehlt an einer Prozeßvoraussetzung, weil die Prozeßbevollmächtigten nicht innerhalb der ihnen vom Vorsitzenden des Senats gesetzten Frist nach Art. 3 § 1 VGFG-EntlG den nach § 62 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderlichen schriftlichen Nachweis ihrer Bevollmächtigung erbracht haben (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Januar 1980 VI R 11/79, BFHE 129, 305, BStBl II 1980, 229 ). Zwar hat der Beschwerdeführer zu 2 erklärt, daß er den Prozeßbevollmächtigten in diesem Verfahren Vollmacht erteilt habe. Der Beschwerdeführer zu 2 konnte jedoch nach Ergehen des angefochtenen Beschlusses des FG die Prozeßvertreter der Beschwerdeführerin zu 1 nicht mehr rechtswirksam bevollmächtigen, für sie im Beschwerdeverfahren tätig zu werden. Denn nach der Zurückweisung eines Bevollmächtigten oder Beistandes i. S. von § 62 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO durch ein Gericht können von dem Bevollmächtigten keine rechtswirksamen Prozeßhandlungen mehr vorgenommen werden, weil der Zurückgewiesene keinen Einfluß mehr auf das Verfahren nehmen können soll. Da auch die Erteilung einer Prozeßvollmacht zu den Prozeßhandlungen gehört (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 30. Januar 1964 VII ZR 5/63, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1964, 410; Leipold in Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., 1978, § 80 Rdnr. 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 42. Aufl., 1984, § 80 Anm. 1 C; Zöller/Vollkommer, Zivilprozeßordnung, 14. Aufl., 1984, § 80 Rdnr. 3; ausführlich Urbanczyk, Zeitschrift für Zivilprozeß - ZZP -, 1982 [95], 339, 344 ff.; a. A. Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 13. Aufl., 1981, 296), liegt hiernach keine rechtswirksame Bevollmächtigung vor. Es kommt hinzu, daß die Beschwerde gegen den den Bevollmächtigten oder Beistand zurückweisenden Beschluß keine aufschiebende Wirkung hat (§ 131 FGO).
2. Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 2 ist zulässig, aber unbegründet. Der Beschwerdeführer zu 2 ist als zurückgewiesener Prozeßbevollmächtigter im eigenen Namen beschwerdeberechtigt, weil er durch seine Zurückweisung selbst beschwert ist (BFH-Beschlüsse vom 22. März 1967 VI B 12/66, BFHE 88, 79, BStBl III 1967, 295 ; vom 23. Februar 1979 VI B 160/78, BFHE 127, 136, BStBl II 1979, 341 ). Der Zulässigkeit der Beschwerde steht auch nicht entgegen, daß die Prozeßvertreter ihre Beschwerdebegründung wortgetreu vom Beschwerdeführer zu 2 übernommen haben, so daß es an einer eigenen Prüfung des Prozeßstoffes durch die Prozeßvertreter fehlen könnte (vgl. BFH-Urteil vom 14. Mai 1982 VI R 197/81, BFHE 136, 52, BStBl II 1982, 607 ). Ein Begründungszwang ist für die Beschwerde in § 129 FGO - anders als im Falle der Revisionsbegründung nach § 120 FGO - nicht vorgeschrieben.
Das FG hat den Beschwerdeführer zu 2 ermessensfehlerfrei nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO als Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin zu 1 zurückgewiesen.
Nach dieser Vorschrift können Bevollmächtigte oder Beistände zurückgewiesen werden, denen die Fähigkeit zum geeigneten schriftlichen oder mündlichen Vortrag fehlt. Hiervon ist nicht nur dann auszugehen, wenn die Unfähigkeit auf geistigen oder körperlichen Mängeln beruht, sondern auch dann, wenn ein Bevollmächtigter oder Beistand zu erkennen gibt, daß er auf unabsehbare Zeit die Rechte seines Auftraggebers nicht wahrnehmen kann (vgl. Beschluß des Hessischen FG vom 18. Oktober 1972 V 1122/68, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1973, 116, und Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 80 AO 1977 Rdnr. 36). Denn der Bevollmächtigte ist in beiden Fällen gleichermaßen außerstande, seinen Auftrag zu erfüllen und an der Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens mitzuwirken.
Ob die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO zutreffen, hat das Gericht in Ausübung seines ihm eingeräumten Ermessens zu entscheiden. Ein Ermessensfehler ist hier nicht erkennbar. Denn bei Anwendung der o. a. Grundsätze ist die Zurückweisung des Beschwerdeführers zu 2 durch das FG mit der Begründung, dieser sei nach seinen eigenen Bekundungen auf längere und von vornherein nicht absehbare Zeit verhindert, bei der Durchführung des Anfechtungsprozesses mitzuwirken, sachgerecht. Der Beschwerdeführer zu 2 hat sich im finanzgerichtlichen Verfahren darauf beschränkt, Fristverlängerung zu beantragen, weil er für etwa ein Jahr nicht in der Lage sei, sich mit der Sache zu befassen. Er läßt damit nach seinen eigenen Angaben eine baldige Förderung des Verfahrens nicht erwarten.
Fundstellen
Haufe-Index 426016 |
BStBl II 1985, 215 |
BFHE 1985, 355 |