Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Terminsverlegung „in letzter Minute“
Leitsatz (NV)
- Im Regelfall reicht zur Begründung eines Antrags auf Terminsverlegung ein substantiiertes privatärztliches Attest aus.
- Dennoch kann die Ablehnung der in dieser Form dargelegten Verhinderungsgründe des Verlegungsantrages bei einer erheblichen Verletzung der prozessualen Mitwirkungspflicht ermessensgerecht sein. Das ist bei offensichtlicher Prozessverschleppungsabsicht, bei fehlender Vorsorge bei einer seit geraumer Zeit bestehender Erkrankung oder bei der Ankündigung des Gerichts gegeben, eine Verhinderung könne nur bei Vorlage eines amtsärztlichen Attestes angenommen werden. In einem solchen Fall reicht die bloße Behauptung des Klägers, das Gesundheitsamt habe die Untersuchung abgelehnt und er sei auch wegen akuter Herz-Kreislaufstörung am Erscheinen verhindert, regelmäßig nicht aus.
- Ein beauftragter Prozessbevollmächtigter muss bei Ablehnung des Antrages, den Termin aufzuheben, davon ausgehen, dass der Termin ‐ wie anberaumt ‐ stattfindet.
Normenkette
FGO § 91; GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 227
Gründe
Von der Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Die Beschwerden haben keinen Erfolg.
I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist unzulässig, weil das angefochtene Urteil ihr gegenüber nicht ergangen ist und sie schon deshalb nicht beschwert sein kann.
II. Die geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor.
1. Zu Recht macht der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) darauf aufmerksam, dass das angefochtene Urteil nicht auf Verfahrensfehlern gegenüber der Beschwerdeführerin beruhen kann, weil es nur gegenüber dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ergangen ist.
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wird eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes ―GG― - i.V.m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―) angenommen, wenn einem Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht stattgegeben wird, obwohl erhebliche Gründe vorliegen. Doch sind diese erst auf Verlangen des Vorsitzenden glaubhaft zu machen (§ 227 Abs. 3 ZPO). Wird ein Antrag auf Terminsverlegung jedoch erst "in letzter Minute" gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung des Beteiligten begründet, so reicht die Behauptung einer Erkrankung nicht aus; der Beteiligte ist vielmehr auch ohne besondere Aufforderung verpflichtet, die Gründe für die Verhinderung so anzugeben und zu untermauern, dass das Gericht die Frage, ob der Beteiligte verhandlungsunfähig ist oder nicht, selbst beurteilen kann (BFH-Beschlüsse vom 31. August 1995 VII B 160/94, BFH/NV 1996, 228; vom 14. Mai 1996 VII B 237/95, BFH/NV 1996, 902). In einem solchen Fall reicht gewöhnlich die Vorlage eines substantiierten privatärztlichen Attestes aus, aus dem sich die Verhandlungsunfähigkeit eindeutig und nachvollziehbar ergibt. Doch kann die Ablehnung der beantragten Terminsänderung trotz in dieser Form dargelegter Verhinderungsgründe ermessensgerecht sein, wenn ein Beteiligter seine prozessuale Mitwirkungspflicht zuvor in erheblicher Weise verletzt hat (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 26. November 1997 IV B 81/97, BFH/NV 1998, 1104, m.w.N.). Das ist z.B. bei einer offensichtlichen Prozessverschleppungsabsicht der Fall, aber auch, wenn ein Beteiligter bereits im Veranlagungs- und Rechtsbehelfsverfahren seine Mitwirkungspflichten verletzt hat und trotz einer bereits seit geraumer Zeit bestehenden Erkrankung keine Vorsorge für die Wahrnehmung eines Termins getroffen hat (Senatsbeschluss vom 20. Juni 1974 IV B 55-56/73, BFHE 113, 4, BStBl II 1974, 637, sowie BFH-Entscheidungen vom 16. Dezember 1994 III B 43/94, BFH/NV 1995, 890; vom 7. Februar 1995 VIII R 48/92, BFH/NV 1996, 43; in BFH/NV 1996, 902, und vom 20. März 1997 XI B 182/95, BFH/NV 1997, 777). Das gilt auch, wenn das Gericht zuvor angekündigt hatte, dass eine Verhinderung nur bei Vorlage eines amtsärztlichen Attestes angenommen werden könne (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. Juli 1985 I R 142/82, BFH/NV 1986, 412).
Auch im Streitfall ist von einer ermessensgerechten Versagung der beantragten Terminsänderung auszugehen. Dem steht nicht entgegen, dass die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 4. Mai 1999 nicht mehr ―wie noch bei der Ladung zum 16. März 1999― den Hinweis enthielt, im Falle einer nochmaligen Verhinderung dafür Sorge zu tragen, dass ein Bevollmächtigter den Termin wahrnehme und Krankheit künftig als Entschuldigungsgrund nur gelte, wenn sie amtsärztlich nachgewiesen sei. Das Finanzgericht (FG) musste gleichwohl die für die Aufhebung des Termins geltend gemachten Gründe weder als erheblich noch als glaubhaft gemacht ansehen. Mit dem Telefax vom 12. April 1999 legte der Kläger selbst dar, dass seine Erkrankung, die ihn an der Wahrnehmung des Termins vom 16. März 1999 gehindert habe, fortdauere. Zugleich räumte er darin selbst ein, dass die Bearbeitung der steuerlichen Unterlagen für den Veranlagungszeitraum 1987 wegen seiner eigenen rezidivierenden Erkrankungen von Anfang an Schwierigkeiten bereitet habe. Der Berichterstatter wies den Kläger daher nochmals darauf hin, dass eine Vertagung des Termins vom 4. Mai 1999 nur bei Vorlage eines entsprechenden amtsärztlichen Attestes in Betracht komme, um das er sich selbst bemühen müsse; eine Beauftragung des Gesundheitsamtes durch das Gericht komme nicht in Betracht. Bereits mit Schriftsatz vom 29. April 1999 teilten die Prozessbevollmächtigten dem FG unter Vorlage der am 28. April 1999 ausgestellten Vollmacht mit, dass der Kläger noch erkrankt sei. Unter diesen Umständen reichte die bloße Behauptung im Telefax des Klägers vom 4. Mai 1999 ―beim FG um 11.02 Uhr eingegangen―, er sei auch wegen zusätzlicher Herz-Kreislaufstörungen am Erscheinen verhindert, ebenso wenig aus wie die Erklärung, das Gesundheitsamt habe die erbetene Untersuchung abgelehnt. Der Kläger hätte vielmehr unter Vorlage dieser Ladung auf der Durchführung einer Untersuchung bestehen oder rechtzeitig vor der Verhandlung vom 4. Mai 1999 die Hilfe des Gerichts ausdrücklich in Anspruch nehmen müssen.
3. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, wegen seiner Erkrankung und der notwendigen Einarbeitung der Prozessbevollmächtigten sei die Aufhebung des Termins geboten. Er selbst hatte vorgetragen, dass er bereits seit dem 12. März 1999 erkrankt und nicht verhandlungs- und reisefähig gewesen sei; diese Erkrankung habe fortbestanden. Unter diesen Umständen hätte er erst recht dafür sorgen müssen, dass die von ihm bereis am 28. April 1999 beauftragten Prozessbevollmächtigten den Termin am 4. Mai 1999 wahrnahmen. Diese mussten ―trotz ihres erneut am 4. Mai 1999 gestellten Antrags, den Termin aufzuheben― davon ausgehen, dass dieser stattfinden werde (BFH-Beschluss vom 12. November 1998 V B 30/98, V B 41/98, V B 99/98, BFH/NV 1999, 647). Rechtsanwalt A war bereits am 29. April 1999 durch den Berichterstatter davon unterrichtet worden, dass eine Vertagung nicht in Betracht komme, u.a. weil der Kläger weder den Einspruch noch die Klage begründet habe. Ihm waren auch die gesetzten Ausschlussfristen bekannt.
4. Im Übrigen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf seinen Beschluss vom heutigen Tag in der Sache IV B 87/99 Bezug.
Fundstellen
Haufe-Index 426314 |
BFH/NV 2000, 1353 |