Leitsatz (amtlich)
1. Bei mißbräuchlicher Ablehnung eines Richters entscheidet der Senat in der normalen Besetzung, also gegebenenfalls unter Einschluß des abgelehnten Richters.
2. Ein Ablehnungsgesuch, das ersichtlich nur der sachlichen Überprüfung eines Beweisbeschlusses dienen soll, ist rechtsmißbräuchlich.
Normenkette
FGO § 51; ZPO § 42 ff.
Gründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Für die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen gelten nach § 51 Abs. 1 FGO die §§ 41 bis 49 ZPO. Die Rechtsprechung des BFH hat deshalb die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Ablehnung eines Richters zulässig ist, unter weitgehender Berücksichtigung der zu diesen Vorschriften der ZPO ergangenen Rechtsprechung der Zivilgerichte und der an diese anschließenden Rechtsprechung des BVerfG beurteilt (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 5. März 1971 VI B 64/70, BFHE 102, 10, BStBl II 1971, 527, und vom 10. März 1972 VI B 141/70, BFHE 105, 316, BStBl II 1972, 570). In dieser Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, daß ein Ablehnungsgesuch insbesondere dann, wenn es sich als mißbräuchlich erweist, als unzulässig zu verwerfen und in einem solchen Fall ein abgelehnter Richter nicht gehindert ist, an der Entscheidung mitzuwirken (BVerfG-Beschluß vom 22. Februar 1960 2 BvR 36/60, BVerfGE 11, 1 [5]; BFH-Beschlüsse VI B 141/70, vom 31. Mai 1972 II B 34/71, BFHE 105, 337, BStBl II 1972, 576; vgl. auch § 26a Abs. 2 der Strafprozeßordnung - StPO - und die bei Löwe-Rosenberg, Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, 22. Aufl., 1971, § 26a genannten Fallgruppen). Das Schrifttum hat sich dieser Rechtsprechung nahezu einhellig angeschlossen (vgl. die Nachweise bei Gloede, NJW 1972, 2067 f.).
Diese Grundsätze sind auch im Streitfall anzuwenden. Zum Tatbestand der rechtsmißbräuchlichen Richterablehnung gehört auch die Verfolgung verfahrensfremder, vom Sinn und Zweck des Ablehnungsrechts offensichtlich nicht erfaßter Ziele (vgl. z. B. § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO). Eine solche rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme prozessualer Möglichkeiten ist in dem Versuch der Beschwerdeführer zu sehen, die vom Gesetz in § 128 Abs. 2 FGO ausdrücklich für unzulässig erklärte rechtliche Überprüfung eines Beweisbeschlusses in einem Beschwerdeverfahren durch Anbringung eines Ablehnungsgesuchs und die gegen dessen Ablehnung eröffnete Beschwerde durchzusetzen. Mit dem Ablehnungsrecht will das Gesetz eine unparteiische Rechtspflege sichern. Die Beschwerdeführer müssen deshalb nach § 44 Abs. 2 ZPO Gründe darlegen und glaubhaft machen, die die Annahme rechtfertigen, daß sich der Richter aus einer in seiner Person liegenden individuellen Einstellung heraus bei seiner Entscheidung von falschen Rücksichten leiten läßt (BFH-Beschluß vom 21. Juli 1967 III B 37/67, BFHE 90, 160, BStBl II 1968, 12). Dagegen will das Ablehnungsverfahren nicht gegen eine für einen der Verfahrensbeteiligten möglicherweise ungünstige Rechtsauffassung eines Richters schützen (BFH-Beschluß vom 14. Januar 1971 V B 67/69, BFHE 101, 207, BStBl II 1971, 243). Das gilt in besonderem Maße dann, wenn dieser Richter nur stellvertretend für einen Spruchkörper abgelehnt wird. Über ein solches Ablehnungsgesuch konnte das FG unter Mitwirkung des abgelehnten Richters entscheiden. In einem solchen Fall ist eine dienstliche Äußerung über den Ablehnungsgrund (§ 44 Abs. 3 ZPO) nicht erforderlich.
Fundstellen
Haufe-Index 70665 |
BStBl II 1974, 638 |
BFHE 1974, 457 |