Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung der Besetzungsrüge
Leitsatz (NV)
Die Besetzungsrüge ist nicht schlüssig erhoben, wenn lediglich geltend gemacht wird, jedenfalls die Laienrichter seien wegen des Umfangs der Tagesordnung überfordert gewesen.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klagen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) wegen Einkommensteuer 1983 als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der geltend gemacht wird, das FG sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 116 Abs. 1 Nr. 1, § 119 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Dazu hat der Kläger vorgetragen, das Urteil beruhe auf vom erkennenden Senat des FG gesetzten Rahmenbedingungen, die es den an der Entscheidung beteiligten ehrenamtlichen Richtern unmöglich gemacht hätten, ihren gesetzlichen Auftrag in der Rechtsfindung zu erfüllen. Am Sitzungstag seien nämlich 15 Sachen verhandelt worden, von denen nach dem Sitzungsplan die letzte um 14.50 Uhr habe aufgerufen werden sollen. Die Sache des Klägers sei in etwa zur vorgesehenen Zeit (10.40 Uhr) aufgerufen worden. Die Beratung sei erst nach Verhandlung der letzten Sache aufgenommen worden; die Beratung der Sache des Klägers sei vermutlich am Spätnachmittag erfolgt. Dieses Verfahren habe mit Notwendigkeit zur Überforderung zumindest der ehrenamtlichen Richter und somit zu deren Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Amtsausübung geführt. Damit liege ein Fall nicht vorschriftsmäßiger Besetzung i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO vor.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig und deshalb nach § 126 Abs. 1 FGO zu verwerfen.
Gegen das Urteil des FG steht den Beteiligten die Revision zu, wenn das FG oder der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen haben (§ 115 Abs. 1 FGO i. V. m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG - i. d. F. des Gesetzes zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. Juli 1985, BGBl I, 1274, BStBl I, 496). Einer Zulassung der Revision bedarf es nicht, wenn einer der in § 116 Abs. 1 FGO genannten wesentlicheen Verfahrensmängel gerügt wird. Im Streitfall ist keine dieser Voraussetzungen erfüllt.
Die Revision ist weder vom FG noch vom BFH zugelassen worden. Der erkennende Senat hat die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision (Az. IV B 15/89) mit Beschluß vom heutigen Tage zurückgewiesen.
Die Revision ist auch nicht gemäß § 116 Abs. 1 FGO ohne Zulassung statthaft. Zwar hat der Kläger gerügt, das erkennende Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen; er hat damit einen Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 FGO geltend gemacht. Diese Rüge ist jedoch nicht ordnungsgemäß erhoben worden. Hierzu hätte gehört, daß die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - den Mangel ergeben (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO; vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. April 1986 IV R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568, und vom 6. Oktober 1988 IV R 11/87, BFH/NV 1989, 442, 443, m. w. N.).
Wird mit der sog. Besetzungsrüge (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO) geltend gemacht, ein oder mehrere Richter des erkennenden Gerichts seien aus körperlichen oder geistigen Gründen unfähig gewesen, ihre richterliche Aufgabe ordnungsgemäß wahrzunehmen, muß im einzelnen dargelegt werden, welche Umstände zu dieser Unfähigkeit geführt haben und welche Teile der mündlichen Verhandlung und der Urteilsfindung davon betroffen waren. So ist entschieden worden, für eine schlüssige Rüge, das Gericht sei wegen Schlafs eines Richters während der mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, sei auch darzulegen, was und worüber während des Schlafs des Richters verhandelt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 28. August 1986 V R 18/86, BFHE 147, 402, BStBl II 1986, 908; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 19. Februar 1985 6 C 29/84, HFR 1987, 544). Demzufolge müssen auch bei der Rüge, Richter seien wegen des Umfangs der Tagesordnung nicht mehr in der Lage gewesen, der mündlichen Verhandlung zu folgen oder an der Beratung mitzuwirken, Tatsachen vorgetragen werden, die eine entsprechende Schlußfolgerung rechtfertigen. Dies ist im Streitfall nicht geschehen. Ein Erfahrungssatz des Inhalts, daß Richter, insbesondere oder jedenfalls die ehrenamtlichen Richter, überfordert seien, wenn, wie im Streitfall, am Verhandlungstag 15 Sachen zur Verhandlung und Entscheidung anstehen, besteht nicht.
Der Kläger hat angeregt, der Senat möge durch Vorbescheid entscheiden. Bei Verwerfung der Revision als unzulässig ergeht die Entscheidung durch Beschluß (§ 126 Abs. 1 FGO). Im Beschlußverfahren ist eine Entscheidung durch Vorbescheid nicht zulässig (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 126 FGO Tz. 3; Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 126 Rz. 3). Einer mündlichen Verhandlung, auch wenn sie beantragt ist, bedarf es nicht (vgl. BFH-Beschluß vom 26. Februar 1969 I K 1/68, BFHE 95, 86, BStBl II 1969, 320, m. w. N.).
Fundstellen
Haufe-Index 417228 |
BFH/NV 1991, 250 |