Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassungsfreie Revision; ordnungsgemäße Erhebung von Verfahrensrügen
Leitsatz (NV)
Die Rüge, das Gericht sei nicht auf alle Gesichtspunkte sowie den gesamten Akteninhalt eingegangen, eröffnet keine zulassungsfreie Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO.
Ein Urteil ist nicht bereits dann nicht mit Gründen versehen, wenn es nicht alle denkbaren rechtlichen Gesichtspunkte ausführt.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
Gründe
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen, ohne die Revision zuzulassen. Die Revision ist unzulässig.
Gemäß Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs findet abweichend von § 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Revision nur statt, wenn sie das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen hat oder wenn ein Fall der zulassungsfreien Revision gemäß § 116 FGO gegeben ist.
Hierauf wurde der Beigeladene und Revisionskläger (Beigeladene) durch die der angefochtenen Vorentscheidung beigefügte Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich hingewiesen.
Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision hat der erkennende Senat durch Beschluß vom heutigen Tag als unbegründet zurückgewiesen.
Gründe, die eine zulassungsfreie Revision gemäß § 116 FGO gerechtfertigt erscheinen lassen, liegen nicht vor.
Zwar hat der Beigeladene das Fehlen von Entscheidungsgründen und damit einen Verfahrensmangel nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO geltend gemacht. Verfahrensmängel i. S. des § 116 Abs. 1 FGO sind jedoch nur dann ordnungsgemäß gerügt, wenn die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen, ihre Richtigkeit unterstellt, die Mängel ergeben, d. h. wenn sie schlüssig vorgetragen sind (z. B. BFH-Beschlüsse vom 21. April 1986 IV R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568; vom 22. April 1986 III R 176/85, BFH/NV 1987, 95, und vom 25. Januar 1988 VII R 101/87, BFH/NV 1988, 580).
Die Verfahrensrüge des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO dient wie die Bestimmung des § 105 Abs. 2 Nr. 4 und 5 FGO, wonach das Urteil einen Tatbestand und Entscheidungsgründe enthalten muß, der Sicherstellung, daß die Beteiligten ihre prozessualen Rechte wahrnehmen können. Die Wiedergabe des Tatbestandes ist erforderlich, damit die Beteiligten erkennen können, welche tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zugrunde liegen. Die Wiedergabe der Entscheidungsgründe dient der Mitteilung der wesentlichen rechtlichen Erwägungen, die aus der Sicht des Gerichts für die getroffene Entscheidung maßgebend waren. Ein Fehlen von Entsheidungsgründen liegt deshalb nur vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung zu überprüfen. Das ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann der Fall, wenn das FG seine Entscheidung überhaupt nicht begründet oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat, mithin das Urteil bezüglich eines wesentlichen Streitpunktes nicht mit Gründen versehen war (z. B. BFH-Urteil vom 23. Januar 1985 I R 292/81, BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417; BFH-Beschlüsse vom 13. August 1986 VI R 152/85, BFH/NV 1987, 50; vom 5. Februar 1988 VI R 65/86, BFH/NV 1988, 583, und vom 9. Januar 1990 VII R 77/89, BFH/NV 1990, 663). Ob das Gericht auf alle Gesichtspunkte sowie den gesamten Akteninhalt eingegangen ist und zutreffende Schlußfolgerungen gezogen hat, ist keine Frage der fehlenden Begründung i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO. Mängel dieser Art können zwar formelles oder materielles Recht verletzen. Sie eröffnen jedoch keine zulassungsfreie Revision.
Die angefochtene Entscheidung enthält sowohl einen Tatbestand als auch umfangreiche, das Urteil tragende Entscheidungsgründe. Der Beigeladene rügt nicht, das Urteil sei nicht mit Tatbestand und Gründen versehen. Er hält diese nur für unzureichend. Eine Urteilsbegründung, die lediglich lückenhaft, rechtsfehlerhaft ist, vermag die Einlegung einer Revision ohne Zulassung nicht zu rechtfertigen (z. B. BFH-Beschlüsse vom 26. März 1987 V R 8/87, BFH/NV 1987, 789; in BFH/NV 1987, 95, und in BFH/NV 1990, 663, 664).
Die Rüge des Beigeladenen, das Urteil enthalte auch keine Feststellungen über seine Hinzuziehung im Einspruchsverfahren, d. h. die Entscheidung gebe den Sachverhalt nicht vollständig bzw. fehlerhaft wieder, betrifft nicht das Fehlen der rechtlichen Begründung, das allein die zulassungsfreie Verfahrensrevision eröffnet (vgl. BFH-Beschluß in BFH/NV 1987, 95, 96), sondern allenfalls den Fehler mangelhafter Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO), der nur mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann.
Die Rüge, dem Urteil sei nicht zu entnehmen, auf welche Rechtsgrundlage der angefochtene Bescheid gestützt sei, enthält sinngemäß den Vorwurf, das FG habe bei seiner rechtlichen Würdigung des Sachverhalts einen bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt übersehen. Ein Urteil ist jedoch nicht bereits dann (teilweise) nicht mit Gründen versehen, wenn es nicht alle denkbaren rechtlichen Gesichtspunkte ausführt. Der Beigeladene hätte deshalb geltend machen müssen, daß das FG einen wesentlichen Streitpunkt nicht mit Gründen versehen hat. Hierzu hätte es der Angabe bedurft, von welcher Seite im finanzgerichtlichen Verfahren die formellen Voraussetzungen für den Erlaß der angefochtenen Feststellungsbescheide in Frage gestellt worden sind (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 9. Oktober 1985 I R 97/83, BFH/NV 1987, 46, 47). Hierzu hat der Beigeladene nichts vorgetragen. Ausweislich der FG-Akten ist im übrigen auch nur über die Art der Einkünfte, deren Zurechnung und deren Höhe gestritten worden.
Fundstellen
Haufe-Index 418001 |
BFH/NV 1992, 750 |