Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB; Verletzung der Amtsermittlungspflicht; Beweiswürdigung
Leitsatz (NV)
- Die Grundsätze der Beweiswürdigung werden revisionsrechtlich dem materiellen Recht und nicht dem Verfahrensrecht zugeordnet.
- Wird die Zulassung der Revision wegen Verletzung der Amtsermittlungspflicht begehrt, ist darzulegen, welche Tatfrage aufklärungsbedürftig ist, welche Beweismittel zu welchem Beweisthema das FG nicht erhoben hat und aufgrund welcher Umstände sich der Vorinstanz die Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, obgleich der von einem fachkundigen Prozessbevollmächtigten vertretene Beteiligte ‐ wie hier die Klägerin ‐ keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat bzw. wann ein entsprechender Beweisantrag gestellt worden ist, des weiteren, dass der Beteiligte die nach seiner Ansicht unzulängliche Sachaufklärung vor dem FG gerügt hat oder weshalb ihm eine solche Rüge nicht möglich war.
Normenkette
FGO §§ 76, 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) vermittelte im Jahr 1989 für ein englisches Unternehmen Maschinen in die DDR und erhielt dafür Provision, die sie als nach § 4 Nr. 5 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei beurteilte. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) vertrat die Auffassung, es handle sich um die Vermittlung von Werklieferungen in die DDR, die nach § 3a Abs. 1 UStG steuerbar sei. Die Klägerin begehrte nunmehr erfolglos einen Teilerlass der Umsatzsteuer. Das Finanzgericht (FG) bestätigte im Ergebnis die Auffassung des FA, dass weder die Voraussetzungen für einen Erlass von Umsatzsteuern nach der allgemeinen Verwaltungsvorschrift (VwV) über die umsatzsteuerliche Behandlung des innerdeutschen Waren- und Dienstleistungsverkehrs zwischen den Währungsgebieten der Deutschen Mark und der Mark der DDR (VwV zu § 26 Abs. 4 UStG) vom 18. Juli 1984 noch die Voraussetzungen für einen Billigkeitserlass nach § 227 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) vorlägen. Des Weiteren rechtfertigten weder der behauptete Brand und die Vernichtung wesentlicher Unterlagen bei dem englischen Unternehmen noch der Umstand, dass dieses keinen Antrag auf Vorsteuer-Vergütung gestellt habe, einen Billigkeitserlass. Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Anwendbar ist die Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. vor dem Zweiten Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757), weil die angefochtene Entscheidung des FG vor dem 1. Januar 2001 zugestellt worden ist (Art. 4 2.FGOÄndG).
Die Klägerin hat keinen der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO in der gesetzlich vorgeschriebenen Form dargelegt und bezeichnet (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist darzulegen (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Das erfordert, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung eine bestimmte ―abstrakte― klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausstellt. Er muss darlegen, weshalb es in dem angestrebten Revisionsverfahren auf die Klärung der hervorgehobenen Rechtsfrage ankommt (Klärungsbedürftigkeit) und weshalb dem Revisionsgericht eine Klärung möglich ist (Klärbarkeit). Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung reicht es deshalb nicht aus, wenn sich der Beschwerdeführer ―wie im Streitfall― allein gegen die Richtigkeit der Sachverhaltswürdigung des FG wendet. Einwendungen gegen die sachliche Richtigkeit der Vorentscheidung allein rechtfertigen keine Zulassung der Revision (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 27. April 1999 III B 118/98, BFH/NV 1999, 1478, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Anm. 58, 62, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
2. Mit dem Hinweis darauf, dass das FG ―nach Auffassung der Klägerin― die Rechtsprechung des BFH zum Verlust von Unterlagen infolge höherer Gewalt sowie zum Vorliegen von Billigkeitsgründen nicht zutreffend berücksichtigt hat, hat die Klägerin auch keine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ordnungsgemäß gerügt, denn dies hätte erfordert, dass sie durch Gegenüberstellung abstrakter, tragender Rechtssätze des angefochtenen Urteils und der (zitierten) Entscheidungen des BFH kenntlich macht, inwiefern das FG mit seiner Rechtsauffassung von der des BFH abweicht.
3. Auch einen Verfahrensfehler hat die Klägerin nicht ordnungsgemäß gerügt.
a) Soweit sich die Angriffe der Klägerin gegen die Beweiswürdigung richten, betreffen sie materielles Recht, keine Verfahrensfehler (vgl. z.B. Beschlüsse des BFH vom 18. September 1997 X B 92/96, BFH/NV 1998, 472; vom 13. März 1997 I B 78/96, BFH/NV 1997, 772).
b) Soweit die Klägerin sinngemäß die unterlassene Anhörung eines Sachgebietsleiters des FA als Zeuge bemängelt, genügt das Vorbringen ebenfalls den Begründungsanforderungen nicht. Wird die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision darauf gestützt, dass das FG seine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 76 FGO) verletzt habe (hier: unterbliebene Vernehmung des Zeugen S) ist nicht nur darzulegen, welche Tatfrage aufklärungsbedürftig ist, welche Beweismittel zu welchem Beweisthema das FG nicht erhoben hat und aufgrund welcher Umstände sich der Vorinstanz die Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, obgleich der von einem fachkundigen Prozessbevollmächtigten vertretene Beteiligte ―wie hier die Klägerin― keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat bzw. wann ein entsprechender Beweisantrag gestellt worden ist (vgl. dazu z.B. BFH-Beschluss vom 10. Februar 2000 VIII B 14/99, BFH/NV 2000, 971, m.w.N.). Da die Beteiligten auf eine § 76 FGO genügende Sachaufklärung verzichten können (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 1994 IV R 61/93, BFHE 176, 350, BStBl II 1995, 367, zu Abschn. II. 3.), muss der Beschwerdeführer zudem darlegen, dass er die nach seiner Ansicht unzulängliche Sachaufklärung vor dem FG gerügt hat oder dass ihm eine solche Rüge nicht möglich war (z.B. BFH-Beschluss vom 26. September 1996 V B 39/96, BFH/NV 1997, 352). Ausführungen hierzu enthält die Beschwerdeschrift nicht; insbesondere nimmt die Klägerin nicht dazu Stellung, weshalb ihr Prozessvertreter in der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2000 den behaupteten Verfahrensmangel nicht gerügt bzw. selbst die Anhörung des Zeugen beantragt hat.
4. Die Darlegungen der Klägerin im Schriftsatz vom 14. September 2000 sind nicht zu berücksichtigen. Da die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb der Beschwerdefrist zu begründen ist, sind nach Ablauf der einmonatigen Beschwerdefrist (vgl. § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) nur Erläuterungen und Vervollständigungen rechtzeitig ordnungsgemäß geltend gemachter Zulassungsgründe möglich (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 12. März 1990 V B 124/89, BFH/NV 1991, 103).
5. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung.
Fundstellen
Haufe-Index 579119 |
BFH/NV 2001, 926 |