Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wiederaufnahme eines AdV-Verfahrens
Leitsatz (NV)
Die Wiederaufnahme eines mit FG-Beschluß formell rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens über die Aussetzung der Vollziehung einer Pfändungsverfügung kommt nicht in Betracht.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3, 6, §§ 134, 142 Abs. 1; ZPO §§ 114, 578
Tatbestand
Wegen Nichtzahlung der der Landwirtschaftskammer geschuldeten Kammerumlage pfändete das beklagte Finanzamt das bei der X-Bank geführte Konto des Antragstellers, Klägers und Beschwerdeführers (Antragsteller).
Die vom Antragsteller begehrte Aussetzung der Vollziehung dieser Pfändungsverfügung lehnte das Finanzgericht (FG) ab. Hiergegen erhob der Antragsteller Nichtigkeitsklage, die das FG als unzulässig abwies. Zur Begründung führte das FG aus, ein Beschluß nach §69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erwachse nicht in Rechskraft, weil er vom Gericht der Hauptsache jederzeit aufgehoben oder geändert werden könne, insbesondere wenn ein Beteiligter die Änderung oder Aufhebung des Beschlusses wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragte (§69 Abs. 6 FGO). Solche Umstände habe der Antragsteller nicht vorgetragen. Da er sich nach wie vor lediglich darauf berufe, daß die Kammerumlage nicht richtig festgesetzt worden sei -- ein Einwand, mit dem er im Vollstreckungsverfahren wegen §256 der Abgabenordnung (AO 1977) ausgeschlossen sei --, führe auch eine Umdeutung der Nichtigkeitsklage in einen erneuten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht weiter.
Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt.
Die gegen die Pfändungsverfügung eingelegte Klage des Antragstellers hat das FG ebenfalls als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung führte das FG aus, der Antragsteller habe das erforderliche außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren gegen die Pfändungsverfügung nicht in Gang gesetzt, so daß eine Anfechtungsklage schon deshalb unzulässig sei (§44 FGO). Die im Termin zur mündlichen Verhandlung vom Antragsteller so bezeichnete "Vollstreckungsklage" sei kein zulässiges Rechtsmittel gegen eine Vollstreckungsmaßnahme der Finanzbehörden.
Auch hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt.
Für beide Rechtsmittel begehrt der Antragsteller gleichzeitig die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines kundigen Prozeßbevollmächtigten.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§142 Abs. 1 FGO i. V. m. §114 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --).
An der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung fehlt es nicht bereits deshalb, weil der Antragsteller sich bei der Einlegung seiner Rechtsmittel nicht entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des FG durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten hat vertreten lassen (Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs) und die Rechtsmittel schon deshalb als unzulässig zu verwerfen wären. Verfügt ein Beteiligter nämlich nicht über ausreichende Mittel für die Beiziehung eines solchen Bevollmächtigten bei oder vor der Einlegung eines Rechtsmittels in einem finanzgerichtlichen Verfahren, so besteht, nachdem ihm PKH bewilligt und eine vertretungsberechtigte Person beigeordnet worden ist, die Möglichkeit zu einer wirksamen formgerechten Einlegung des Rechtsmittels auch noch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist. Voraussetzung dafür ist jedoch, daß dem Rechtsmittelführer wegen seiner Mittellosigkeit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
Der Senat läßt offen, ob der Antragsteller mit dem eingereichten Formblatt seine Bedürftigkeit ordnungsgemäß nachgewiesen hat und daher eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht käme. Denn jedenfalls fehlt es in beiden Fällen der beabsichtigten Rechtsverfolgung an hinreichenden Erfolgsaussichten.
Hinsichtlich der erhobenen Nichtigkeitsklage hat das FG der Sache nach zutreffend entschieden, daß eine Wiederaufnahme des durch FG-Beschluß formell rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens über die Aussetzung der Vollziehung der Pfändungsverfügung des FA nicht in Betracht kommt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist gegenüber Beschlüssen ein Wiederaufnahmeverfahren (§134 FGO i. V. m. §578 ZPO) nur statthaft, wenn durch den Beschluß ein selbständiges Verfahren abgeschlossen wird und der Beschluß der materiellen Rechtskraft fähig ist (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, §134 Rz. 2, m. w. N.). An letzterem fehlt es bei der Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung gemäß §69 Abs. 3 FGO wegen der dem Gericht der Hauptsache eingeräumten Abänderungsbefugnis nach §69 Abs. 6 Satz 1 FGO (BFH- Beschlüsse vom 29. April 1970 I B 2/70, BFHE 99, 178, BStBl II 1970, 597; vom 25. Juni 1991 VII B 111/90, BFH/NV 1992, 253). Bei dieser Sachlage kann es der Senat dahinstehen lassen, ob das FG die Nichtigkeitsklage nicht hätte in einen Nichtigkeitsantrag umdeuten und darüber durch Beschluß entscheiden müssen.
Auch hinsichtlich der Klage gegen die Pfändungsverfügung hat das FG zutreffend entschieden. Ohne Durchführung des erforderlichen Vorverfahrens ist die Erhebung der Anfechtungsklage unzulässig (§44 Abs. 1 FGO). Eine Umdeutung dieser Klage in eine Vollstreckungsgegenklage kommt nicht in Betracht, da eine solche Klage gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden nach der FGO nicht vorgesehen ist. Daher hat auch die weitere Rechtsverfolgung des Antragstellers in dieser Sache keine Aussicht auf Erfolg.
Fundstellen