Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensmängel; grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache; Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
Leitsatz (NV)
1. Die Nichtberücksichtigung von Umständen, die richtigerweise ‐ ausgehend von der insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts ‐ in die Beweiswürdigung hätten einfließen müssen, kann verfahrensfehlerhaft sein, wenn das FG Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt lässt oder seiner Sachaufklärungspflicht nicht nachkommt.
2. Insbesondere hat das FG den Inhalt der vorgelegten Akten und das Vorbringen der Prozessbeteiligten (quantitativ) vollständig und (qualitativ) einwandfrei zu berücksichtigen.
3. Das FG darf bei seiner Überzeugungsbildung nicht eine nach Aktenlage feststehende Tatsache unberücksichtigt lassen oder bei seiner Entscheidung vom Nichtvorliegen einer solchen Tatsache ausgehen (sog. Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten).
4. Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt nicht bereits deshalb vor, weil das FG den ihm vorliegenden Akteninhalt nicht entsprechend den klägerischen Vorstellungen gewürdigt hat oder die Würdigung fehlerhaft erscheint. Insoweit handelt es sich allenfalls um einen materiell-rechtlichen Fehler, nicht aber um einen Verfahrensverstoß.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Urteil vom 07.04.2005; Aktenzeichen 14 K 6692/03 E) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat den geltend gemachten Verfahrensverstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen nach §§ 115 Abs. 2 Nr. 3, 116 Abs. 3 Satz 3 FGO hinreichend substantiiert dargetan.
1. Die Darlegung eines Verfahrensmangels erfordert, die Tatsachen schlüssig zu bezeichnen, die den gerügten Verfahrensmangel ergeben sollen. Dazu müssen die entsprechenden Prozessvorgänge genau umschrieben werden. Schlüssig ist das Vorbringen, wenn die vorgetragenen Tatsachen, ihre Richtigkeit unterstellt, den behaupteten Verfahrensmangel ergeben. Ferner ist grundsätzlich darzutun, weshalb das angefochtene Urteil i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. November 2001 III B 66/01, BFH/NV 2002, 517, m.w.N.).
Die Nichtberücksichtigung von Umständen, die richtigerweise --ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts-- in die Beweiswürdigung hätten einfließen müssen, kann verfahrensfehlerhaft sein, wenn das Finanzgericht (FG) Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt lässt oder seiner Sachaufklärungspflicht nicht nachkommt (BFH-Beschlüsse vom 27. Mai 2005 VII B 38/04, BFH/NV 2005, 1496; vom 22. Juli 2003 X B 97/02, BFH/NV 2004, 52).
Insbesondere ist der Inhalt der vorgelegten Akten und das Vorbringen der Prozessbeteiligten (quantitativ) vollständig (qualitativ) einwandfrei zu berücksichtigen (BFH-Beschluss vom 7. April 2005 IX B 194/03, BFH/NV 2005, 1354).
Das FG darf bei seiner Überzeugungsbildung nicht eine nach Aktenlage feststehende Tatsache unberücksichtigt lassen oder bei seiner Entscheidung vom Nichtvorliegen einer solchen Tatsache ausgehen --sog. Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten-- (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2004, 52; vom 7. August 2001 III B 67/00, BFH/NV 2002, 45).
Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt hingegen nicht bereits deshalb vor, weil das FG den ihm vorliegenden Akteninhalt nicht entsprechend den klägerischen Vorstellungen gewürdigt hat (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 45) oder die Würdigung fehlerhaft erscheint. Insoweit handelt es sich um materiell-rechtliche Fehler, nicht indes um einen Verfahrensverstoß.
Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht.
Das FG hat nicht abweichend von den die einheitliche und gesonderte Verlustfeststellung für die GmbH und atypisch still in dem vom FG zitierten Urteil zu Az. 14 K 5216/96 F getroffenen Feststellungen entschieden. In jenem Verfahren hatte das FG zwar positive Einkünfte der GmbH in den Jahren 1992 und 1993 --in geringer Höhe-- vermerkt. Für die Jahre 1994 und 1995 waren lediglich nachrichtlich Angaben zu von der Klägerin erwarteten Gewinnen festgehalten, indes nicht festgestellt.
Das FG hat jedoch im Streitfall entscheidend darauf abgestellt, dass die Klägerin ihre Beteiligung an der GmbH nach einer immerhin elfjährigen Verlustphase unverändert gehalten habe, ohne dass nach der Art der Tätigkeit und der Form der Bewirtschaftung noch mit einem Totalgewinn habe gerechnet werden können. Es hat für die insoweit notwendige Prognose, ob auf Dauer gesehen der Betrieb der GmbH geeignet und dazu bestimmt gewesen sei, Gewinne zu erwirtschaften, insbesondere an die längere Verlustperiode der GmbH und die bis 1990 angelaufenen Verlustvorträge von 435 295,40 DM sowie an die Höhe der seither noch getätigten Umsätze angeknüpft und schließlich aus der über 23 Jahre unveränderten Betriebsstruktur geschlossen, dass die GmbH einen Totalgewinn nicht mehr habe erzielen können.
Das FG hat keineswegs in Widerspruch zu den Feststellungen im Verfahren 14 K 5216/96 F festgestellt, die GmbH hätte in den Jahren 1992 und 1993 keinen --geringen-- Gewinn erzielt. Für die Folgejahre 1994 und 1995 konnten ohnehin mangels Bilanzen und Steuererklärungen keine Feststellungen getroffen werden.
Im Übrigen kann dem Erzielen positiver Geschäftsergebnisse in einzelnen Jahren erst dann eine für eine Gewinnerzielungsabsicht sprechende Indizwirkung zukommen, wenn dadurch insgesamt voraussichtlich ein Gewinn erzielt werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 2000 IV R 53/98, BFH/NV 2000, 1090, m.w.N.).
2. Die Zulassungsgründe nach § 115 Nr. 1 und 2 2. Alternative FGO hat die Klägerin nicht ansatzweise dargetan.
a) Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache fehlt es bereits an der für einen (weiteren) Klärungsbedarf erforderlichen Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung und dem Schrifttum (BFH-Beschluss vom 17. August 2004 III B 121/03, BFH/NV 2005, 46, m.w.N.).
b) Für eine schlüssige Divergenzrüge fehlt es sowohl an der Angabe einer vermeintlichen Divergenzentscheidung als auch an der Gegenüberstellung tragender Rechtssätze im angefochtenen Urteil und einer angeblichen Divergenzentscheidung, aus der eine Abweichung im Grundsätzlichen erkennbar würde (BFH-Beschluss vom 21. Oktober 2005 VIII B 295/04, n.v., juris, m.w.N.).
Ebenso wenig legt der Hinweis auf die unterschiedliche Wertung der Zeiträume vor 1986, von 1986 bis 1989 und ab 1990 die Voraussetzungen für die Annahme eines ausnahmsweise vorliegenden sog. qualifizierten Rechtsanwendungsfehlers des FG dar (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 31. Mai 2005 III B 143/04, BFH/NV 2005, 1632).
Fundstellen
Haufe-Index 1482572 |
BFH/NV 2006, 803 |