Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung
Leitsatz (NV)
1. Eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung wird durch eine nachfolgende Pfändungsverfügung nicht aufgehoben oder ersetzt, wenn die gepfändeten Forderungen im Kern die gleichen geblieben und lediglich deutlicher beschrieben worden sind (wiederholende Verfügung).
2. Solange der Liquidator einer GmbH i.L. im Handelsregister eingetragen ist, können diesem die GmbH i.L. betreffende Verwaltungsakte wirksam bekanntgegeben werden. Die Tatsache der Amtsniederlegung muß sich das FA erst entgegenhalten lassen, wenn sie im Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder ihm tatsächlich bekanntgeworden ist.
3. Zur Bezeichnung der Forderung im Pfändungsbeschluß.
4. Einwendungen gegen den Bestand und die Höhe der gepfändeten Forderung sind nicht gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung, sondern durch Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides i.S. des §218 Abs. 2 AO 1977 geltend zu machen.
Normenkette
AO 1977 § 122 Abs. 2, § 124 Abs. 1, § 218 Abs. 1-2, § 254 Abs. 1, § 309; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3; GmbHG § 66 Abs. 1, § 67 Abs. 1; HGB § 15 Abs. 1, 3
Tatbestand
I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist alleinige Gesellschafterin einer Grundstücksgesellschaft mbH i.L. (GmbH i.L.), die ihren Grundbesitz veräußert hat. Die GmbH i.L. wurde mit Gesellschafterbeschluß von Mitte 1993 aufgelöst. Ihre Löschung im Handelsregister ist beantragt, aber bisher nicht vollzogen worden.
Mit Bescheid vom 26. Oktober 1995 setzte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) die Gewerbesteuer 1991 der GmbH i.L. fest und stellte die Forderung zum 29. November 1995 fällig. Der Bescheid war adressiert an die "Grundstücksgesellschaft ... GmbH i.L. z.Hd. des Liquidators Herrn D".
Der Bescheid gelangte mit dem Vermerk auf der Rückseite des Briefumschlages "Empfänger nicht zuständig -- G 3/11" an das FA zurück.
Da die Steuer nicht bezahlt wurde, erließ das FA am 10. Mai 1996 wegen eines rückständigen Gesamtbetrages von ... DM eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der Antragstellerin. Mit dieser wurde die "Forderung aus Lieferung und sonstigen Leistungen, sowie die Auskehrungen aus dem Liquidationsvermögen, die dem Vollstreckungsschuldner gegen Sie zusteht oder künftig zustehen wird", gepfändet. Die Antragstellerin erkannte in der Drittschuldnererklärung die gepfändete Forderung nur in Höhe von ... DM an. Das FA wies die Antragstellerin darauf hin, daß Rückzahlungsforderungen der GmbH i.L. aufgrund von Ausschüttungen im Liquidationszeitraum sowie der Auskehrungen des Liquidationsvermögens in Höhe von ca. ... Mio. DM bestünden. Daraufhin legte die Antragstellerin Einspruch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung ein und begehrte deren Aussetzung der Vollziehung, die abgelehnt wurde.
Später stellte das FA den auf den ... Dezember 1996 umdatierten Gewerbesteuerbescheid dem zwischenzeitlich für die GmbH i.L. bestellten Notliquidator nochmals zu. Im Januar 1997 erging ein geänderter Gewerbesteuerbescheid 1991 über ... DM (+ Zinsen), der ebenfalls dem Notliquidator zugestellt wurde. Am 25. März 1997 stellte das FA der Antragstellerin eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung zu, in der der Gesamtbetrag der zu vollstreckenden Forderungen in etwas geringerer Höhe ausgewiesen wurde und die gepfändeten Forderungen als solche aus "Lieferungen und sonstigen Leistungen, insbesondere aufgrund der Auskehrungen/Ausschüttungen im Liquidationszeitraum, sowie sämtliche Rückforderungsansprüche von Ausschüttungen" bezeichnet wurden.
Den nach §69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 10. Mai 1996 hat das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Aussetzungsbegehren weiter. Zur Begründung trägt sie vor:
Das vom FA bestrittene Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin sei schon deshalb gegeben, weil das FA die Pfändungs- und Einziehungsverfügung inzwischen durch Verrechnung von Steuererstattungsansprüchen der Antragstellerin mit den dort genannten Ansprüchen vollziehe und die Auszahlung aufgrund von Aufrechnungen verweigere.
An der Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 10. Mai 1996 bestünden ernstliche Zweifel.
Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung sei unwirksam, weil bei ihrem Erlaß ein vollstreckbarer Verwaltungsakt nicht vorgelegen habe. Der an die GmbH i.L. zu Hd. des Geschäftsführers D adressierte Gewerbesteuerbescheid vom 26. Oktober 1995 sei nicht wirksam bekanntgegeben. Dem FA sei mit Schreiben vom 26. Oktober 1995 mitgeteilt worden, daß der Liquidator der GmbH i.L. am 24. Oktober 1995 sein Amt niedergelegt habe. Das FA könne sich nicht darauf berufen, daß ihm dieses Schreiben erst am 30. Oktober 1995 zugegangen sei. Es hätte es spätestens am Samstag, dem 28. Oktober 1995, erhalten müssen. Der geänderte Gewerbesteuerbescheid sei weder der GmbH i.L. noch dem ehemaligen Liquidator zugegangen, sondern sei als unzustellbar an das FA zurückgegangen. Auch werde bestritten, daß das FA den Bescheid bereits am 26. Oktober 1995 zur Post gegeben habe. Ein späterer Aufgabetag könne nach der Art der Versendung vordatierter Bescheide nicht ausgeschlossen werden.
Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung sei auch deshalb unwirksam, weil die gepfändete Forderung inhaltlich nicht hinreichend bestimmt sei. Die gepfändete Forderung müsse nicht nur für die unmittelbar Beteiligten, sondern auch für weitere Gläubiger eindeutig identifizierbar sein. Es müsse für Dritte erkennbar sein, welcher Rechtsgrund der gepfändeten Forderung zugrunde liege und in welcher Höhe die gepfändete Forderung bestehe. Soweit die Pfändungs- und Einziehungsverfügung von einer Forderung aus "Lieferung und sonstigen Leistungen" spreche, sei sie zu vage und zu weit gefaßt. Soweit "Auskehrungen aus dem Liquidationsvermögen" gepfändet worden seien, sei die Pfändungsverfügung schon sprachlich unverständlich. Auskehrungen seien keine Forderungen, sondern tatsächliche Zahlungen. Gepfändet werden könnten allenfalls die vermeintlichen Rückforderungsansprüche des Vollstreckungsschuldners gegenüber der Antragstellerin aufgrund von Auskehrungen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, daß die Antragstellerin die alleinige Gesellschafterin der GmbH i.L. sei, da zur Auslegung einer Pfändungsverfügung nur objektive Gesichtspunkte herangezogen werden dürften. Die später ergangene Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 24. März 1997, mit der diejenige vom 10. Mai 1996 nicht aufgehoben worden sei, könne nicht zur Auslegung herangezogen werden.
Dem Vollstreckungsschuldner stünden, abgesehen von einer Forderung in Höhe von ... DM, keine weiteren Forderungen gegenüber der Antragstellerin zu.
Nach Auffassung von "Tipke/Kruse (§309 AO Rn. 24, Rn. 6)" könne der Drittschuldner im Einspruchsverfahren gegen eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung geltend machen, daß eine Forderung des Vollstreckungsschuldners ihm gegenüber nicht bestehe. Die wirksame Pfändung einer Forderung setze notwendig eine im Zeitpunkt der Pfändung bestehende Forderung des Vollstreckungsschuldners gegenüber dem Drittschuldner voraus.
Die Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung sei auch wegen unbilliger Härte geboten, denn das FA bewirke durch die Verrechnung der Erstattungsansprüche der Antragstellerin mit den vermeintlichen Ansprüchen aus der Pfändungs- und Einziehungsverfügung möglicherweise ihren finanziellen Ruin, da diese Erstattungsansprüche fester Bestandteil ihres Finanzierungskonzeptes seien.
Die Antragstellerin beantragt,
1. den Beschluß des FG aufzuheben und dem Antrag auf Aussetzung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 10. Mai 1996 in vollem Umfang stattzugeben, indem angeordnet wird, daß das FA von einer Einziehung der gepfändeten Forderung Abstand nimmt;
2. soweit die Einziehungsverfügung bereits vollzogen ist, die Aussetzung der Vollziehung der Einziehungsverfügung anzuordnen,
3. hilfsweise, dem Antrag auf Aussetzung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung insoweit stattzugeben, indem angeordnet wird, daß das FA von einer Einziehung der gepfändeten Forderung Abstand nimmt, soweit sie den Betrag von ... DM übersteigt.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung wird u.a. vorgetragen, der Antragstellerin fehle das Rechtsschutzbedürfnis für die Aussetzung der Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung, da aufgrund der Aufrechnungserklärungen des FA zwischenzeitlich Abrechnungsbescheide nach §218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) ergangen seien, gegen die die Antragstellerin Rechtsbehelfe eingelegt und Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt habe. Der Aufforderung des FA, mitzuteilen, welche Maßnahmen zur Geltendmachung der Rückforderungsansprüche der GmbH i.L. gegen die Antragstellerin eingeleitet worden seien, sei der Notliquidator nicht nachgekommen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist vom FG zugelassen und damit statthaft (§128 Abs. 3 FGO). Sie ist jedoch unbegründet, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 10. Mai 1996 i.S. des §69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 FGO bei der im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung nicht gegeben sind (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §69 Anm. 77).
1. Wird eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung mit Einwendungen gegen ihre Rechtmäßigkeit angefochten, kommt als vorläufiger Rechtsschutz die Aussetzung der Vollziehung nach §69 Abs. 3 FGO in Betracht (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 3. November 1970 VII R 43/69, BFHE 100, 436, BStBl II 1971, 114; Beschlüsse vom 17. Januar 1985 VII B 46/84, BFHE 142, 564, BStBl II 1985, 302; vom 17. Mai 1988 VII B 27/88, BFH/NV 1989, 114; vom 21. August 1990 VII B 71/90, BFH/NV 1991, 394, 395). Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung stellt einen vollziehbaren Verwaltungsakt dar. Sie bildet die Grundlage für die Vollstreckungsmaßnahmen des FA, mithin auch für die gegen die Antragstellerin ausgesprochenen, sowie angesichts der Höhe der gepfändeten Forderungen noch zu erwartenden Aufrechnungen (s. Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., §314 AO 1977 Rz. 7; Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 6. Aufl., §314 Anm. 2). Da die Antragstellerin mit weiteren Vollstreckungshandlungen des FA aus der nicht aufgehobenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung zu rechnen hat, besteht für sie auch weiterhin ein berechtigtes Interesse an einem vorläufigen Rechtsschutz (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1991, 394, 395; vom 26. Juni 1990 VII B 161/89, BFH/NV 1991, 393, 394, und in BFHE 142, 564, BStBl II 1985, 302).
2. Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, daß die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 10. Mai 1996 auch nach Bekanntgabe der Verfügung vom 24. März 1997 Gegenstand des Verfahrens geblieben ist. Nach dem Wortlaut der Verfügung vom 24. März 1997 ergibt sich kein Anhaltspunkt für die Annahme, daß dadurch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 10. Mai 1996 aufgehoben oder ersetzt werden sollte. Vielmehr spricht der Wortlaut sowie die Einlassung des FA dafür, daß das FA damit keine neue Pfändung ausgebracht hat, sondern lediglich die gepfändeten Forderungen deutlicher beschreiben wollte. Die gepfändeten Forderungen sind denn auch im Kern die gleichen geblieben, nur hat das FA statt einer ungenauen Formulierung eine präzisere Beschreibung der Forderungen gegeben und diese nunmehr rechtlich zutreffend bezeichnet. Eine Auswechslung der gepfändeten Forderungen liegt darin ebensowenig wie eine Erweiterung. Insoweit liegt lediglich eine wiederholende Verfügung vor. Die Minderung des Gesamtbetrages der gepfändeten Forderung folgt aus der Herabsetzung der Steuerschuld im geänderten Gewerbesteuerbescheid. Im Streitfall kann der Senat davon ausgehen, daß der Antrag der Antragstellerin, die Aussetzung der Vollziehung der Verfügung vom 10. Mai 1996 anzuordnen, nicht weitergehen soll, als die Beschwer aus dieser Verfügung (noch) reicht.
Danach kommt es für die hier zu beurteilenden Anträge der Antragstellerin auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung darauf an, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 10. Mai 1996 auch nach der Herabsetzung des der Pfändung unterworfenen Gesamtbetrages der vollstreckbaren Ansprüche bestehen.
3. Das FG hat zu Recht die Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 10. Mai 1996 versagt.
a) Die von der Antragstellerin behaupteten ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 10. Mai 1996 wegen Fehlens eines wirksam bekanntgegebenen Steuerbescheides und damit eines Leistungsgebotes i.S. des §254 Abs. 1 AO 1977 sind nicht gegeben. Nach §254 Abs. 1 AO 1977 ist das wirksam bekanntgegebene Leistungsgebot gegenüber dem Vollstreckungsschuldner eine notwendige Voraussetzung jeglicher Vollstreckungsmaßnahme, auf die sich auch der Drittschuldner gegenüber der Pfändungsverfügung berufen können muß (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 30. September 1953 II 167/52 S, BStBl III 1953, 312, und vom 15. Juli 1986 VII B 58/84, BFH/NV 1987, 81; Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., §254 AO 1977 Rz. 48, 62, 63, und BFH/NV 1989, 114, 115).
Es bestehen jedoch keine ernsthaften Bedenken dagegen, daß der mit einfachem Brief zur Post gegebene, an die GmbH i.L. z.Hd. des Liquidators Herrn D gerichtete Gewerbesteuerbescheid vom 26. Oktober 1995, der mit einer Zahlungsaufforderung verbunden war, am dritten Tag nach Aufgabe zur Post, also am 29. Oktober 1995, gemäß §122 Abs. 2 AO 1977 wirksam bekanntgegeben worden ist. Selbst wenn als richtig unterstellt wird, daß Herr D als ehemaliger Geschäftsführer der GmbH i.L. und gesetzlicher Liquidator i.S. des §66 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) sein Amt bereits am 24. Oktober 1995 wirksam niedergelegt hat, folgt daraus noch nicht die Unwirksamkeit des Gewerbesteuerbescheides vom 26. Oktober 1995.
Nach §124 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §122 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er bekanntgegeben wird. Der Gewerbesteuerbescheid war für die GmbH i.L. bestimmt. Auch wenn die GmbH i.L. lt. Gesellschafterbeschluß von Mitte Juni 1993 aufgelöst und ihre Löschung im Handelsregister beantragt ist, gilt sie solange steuerrechtlich als fortbestehend, solange noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen sind (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Entscheidungen vom 21. Mai 1971 V R 117/67, BFHE 102, 174, BStBl II 1971, 540; vom 18. Februar 1993 X B 165/92, BFH/NV 1994, 214, 215, und vom 13. Februar 1996 VII R 43/95, BFH/NV 1996, 530, 531 m.w.N.). Ohne Bedeutung ist danach, ob die Löschung der GmbH im Handelsregister bereits beantragt war. Ein Steuerbescheid kann bis zu deren Löschung dem früheren Geschäftsführer als Liquidator bekanntgegeben werden (BFH/NV 1994, 214). Liquidator ist, soweit nichts anderes im Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluß der Gesellschafter bestimmt ist, der Geschäftsführer der GmbH (§66 Abs. 1 GmbHG). Die Eintragung im Handelsregister entspricht dieser Gesetzeslage. Dort ist vermerkt: "Durch Beschluß der Gesellschafterversammlung vom ... Juni 1993 ist die Gesellschaft aufgelöst. Liquidator ist der bisherige Geschäftsführer Herr D." Ein weiterer Eintrag war bis zum Tag des Handelsregisterauszuges vom 30. Januar 1996 nicht erfolgt, so daß keine Zweifel daran bestehen, daß Herr D im Zeitpunkt des Erlasses des Gewerbesteuerbescheides vom 26. Oktober 1995 noch als Liquidator der GmbH i.L. im Handelsregister eingetragen war. Gegenteiliges behauptet auch die Antragstellerin nicht. In diesem Fall greift die Schutzwirkung des §15 des Handelsgesetzbuches (HGB) zugunsten des FA ein (vgl. BFH/NV 1996, 530, 531). Ob die gemäß §66 Abs. 1 i.V.m. §67 Abs. 1 GmbHG in das Handelsregister einzutragende Amtsniederlegung des Liquidators den Gesellschaftern gegenüber wirksam bekanntgegeben und ob die Anmeldung dieser Tatsache zum Handelsregister am 26. Oktober 1996 bereits erfolgt war, kann dahinstehen; denn das FA muß sich die Tatsache der Amtsniederlegung erst ab dem Zeitpunkt entgegenhalten lassen, an dem sie entweder im Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder ihm tatsächlich bekanntgeworden ist (§15 Abs. 1, Abs. 3 HGB). Maßgebend ist der Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnis des FA, für die denjenigen, der daraus eine für sich günstige Rechtslage ableitet, die Beweislast trifft (vgl. Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 29. Aufl., §15 Rz. 7). Nach dem nicht substantiiert bestrittenen Vortrag des FA ist die Mitteilung über die Amtsniederlegung des Liquidators der GmbH i.L. vom Donnerstag, dem 26. Oktober 1995, dem FA tatsächlich erst am 30. Oktober 1995 zur Kenntnis gelangt. Gewichtiges Indiz hierfür ist der Eingangsstempel des FA vom 30. Oktober 1995, der grundsätzlich bis zum Beweis seiner Unrichtigkeit den Nachweis für Zeit und Ort des Eingangs eines Schriftstücks erbringt (BFH-Urteil vom 19. Juli 1995 I R 87, 169/94, BFHE 178, 303, BStBl II 1996, 19).
Damit ist für das summarisch zu beurteilende Verfahren der Aussetzung der Vollziehung davon auszugehen, daß der Gewerbesteuerbescheid 1991 sowie die mit ihm verbundene Zahlungsaufforderung der GmbH i.L. z.Hd. des Liquidators D am 29. Oktober 1995 wirksam bekanntgegeben worden ist. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß der Gewerbesteuerbescheid mit dem Vermerk auf der Rückseite des Briefumschlages "Empfänger nicht zuständig -- G 3/11" an das FA zurückgelangt ist. Nach dieser Bemerkung ist das an die zutreffende Anschrift des Geschäftssitzes der GmbH i.L. versandte Schriftstück offensichtlich in den Machtbereich der GmbH i.L. gelangt und in einer Weise zugegangen, daß dem Adressaten die Kenntnisnahme möglich war und nach den Gepflogenheiten des Verkehrs auch erwartet werden konnte (§130 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --; BFH- Urteil vom 14. März 1990 X R 104/88, BFHE 160, 207, BStBl II 1990, 613, 615). Ob der ehemalige Geschäftsführer D tatsächlich Kenntnis genommen und ob er selbst den Vermerk "Empfänger nicht zuständig" oder ob diesen der Postbote angebracht hat, ist unerheblich. Dafür, daß der Postbote die Sendung von vornherein nicht in den Machtbereich des Empfängers verbracht hat, ergibt sich kein Anhaltspunkt. Auch ist nicht anzunehmen, daß der Postbote ohne einen entsprechenden Hinweis aus der Sphäre der GmbH i.L. den Vermerk "Empfänger nicht zuständig" angebracht hätte, anstatt den sonst bei Unmöglichkeit der Zustellung üblichen Stempelaufdruck zu benutzen. Wer die Kenntnisnahme verweigert, kann sich aber auf Nichtzugang nicht berufen (vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., §122 AO 1977 Rz. 6, 6a).
Der pauschale Vortrag der Antragstellerin, nach der Art der ihr bekannten Organisation der Versendung vordatierter Bescheide durch das FA könne nicht ausgeschlossen werden, daß der Bescheid zwar durch die EDV programmgemäß auf den 26. Oktober 1995 datiert worden, tatsächlich aber nicht an diesem, sondern an einem späteren Tag zur Post aufgegeben worden sei, genügt nicht, um den Versendungstag bzw. den Tag des Zugangs des Bescheides substantiiert zu bestreiten (BFH-Urteil vom 6. September 1989 II R 233/85, BFHE 158, 297, BStBl II 1990, 108, und Beschluß vom 20. August 1992 VI B 99/91, BFH/NV 1993, 75).
b) Es bestehen auch keine ernstlichen Bedenken dagegen, daß die Bezeichnung der gepfändeten Forderung den Erfordernissen genügt, die an die Bestimmtheit einer Forderungspfändung zu stellen sind. Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 1. Juni 1989 V R 1/84, BFHE 157, 32, BStBl II 1990, 35, 37, mit umfassenden Nachweisen) ist die genaue Bezeichnung der Forderung Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Forderungspfändung. Danach muß die Forderung in dem Pfändungsbeschluß so genau bezeichnet werden, daß ihre Identität eindeutig festgestellt werden kann und auch für Dritte erkennbar ist, welche Forderung des Vollstreckungsschuldners gegenüber dem Drittschuldner Gegenstand der Pfändung sein soll. Hierfür genügt es jedoch, daß die Forderung in allgemeinen Umrissen bekanntgegeben ist, wobei Ungenauigkeiten bei der Forderungsbezeichnung unschädlich sind, sofern sie nicht Anlaß zu Zweifeln geben, welche Forderungen des Vollstreckungsschuldners gemeint sind. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, daß die Forderungspfändung gemäß dem Verwaltungsakt vom 10. Mai 1996 trotz ihrer sprachlichen Ungenauigkeit und der unglücklichen Formulierung "Auskehrung aus dem Liquidationsvermögen" diesen Anforderungen genügt. Soweit die Forderung aus Lieferung und sonstigen Leistungen gepfändet wird, ist erkennbar, daß sämtliche der GmbH i.L. zustehenden und noch entstehenden Forderungen aus diesen Rechtsgeschäften mit der Antragstellerin durch den Antragsgegner als beschlagnahmt gelten. Auch die Bezeichnung, es seien "die Auskehrungen aus dem Liquidationsvermögen" gepfändet, ist zwar rechtlich unpräzise, läßt aber -- wie das FA zu Recht vorträgt -- objektiv für jeden Dritten eindeutig erkennen, daß sämtliche Rückforderungsansprüche hinsichtlich der Geldleistungen, die der Antragstellerin aus dem Liquidationsvermögen der GmbH i.L. zugeflossen sind, der Pfändung unterliegen sollen. Für den Dritten ohne Bedeutung und daher für die genaue Bezeichnung unnötig ist, ob der Begriff Rückforderungsanspruch gebraucht worden ist; denn aus den auch für Dritte erkennbaren Umständen ergibt sich zweifelsfrei, daß es sich nur um den Anspruch der GmbH i.L. auf Rückgewähr der unzulässigerweise an die Antragstellerin im Zusammenhang mit der Liquidation der GmbH ausgekehrten bzw. ausgeschütteten Geldleistungen handeln konnte (§§72, 73 GmbHG; vgl. zur ausreichenden Bezeichnung die Formulierungen bei Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 56. Aufl., §829 Anm. 5).
4. Auch die sonstigen Einwendungen, die die Antragstellerin im Verfahren vor dem FG und im Beschwerdeverfahren gegen die Wirksamkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung erhoben hat, rechtfertigen die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung nicht.
a) Der Mangel der Mitteilung an die Vollstreckungsschuldnerin über die Zustellung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung an die Drittschuldnerin (§309 Abs. 2 Satz 3 AO 1977), der sich aus dem Nichtvorhandensein eines Liquidators im Zeitpunkt der Zustellung der Pfändungsverfügung ergeben könnte, ist durch die Übersendung einer Abschrift der Pfändungs- und Einziehungsverfügung an den Notliquidator am ... Dezember 1996 behoben worden. Im übrigen berührt die fehlende Bekanntgabe des Verfügungsverbotes und der Mitteilung über die vorgenommene Zustellung der Pfändungsverfügung an den Drittschuldner die Wirksamkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung letzterem gegenüber nicht (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 1987 VII R 80/84, BFHE 148, 432, BStBl II 1987, 251; Tipke/Kruse, a.a.O., §309 AO 1977 Rz. 12, sowie Klein/Brockmeyer, a.a.O., §309 Anm. 7).
b) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung lassen sich insbesondere nicht mit den von der Antragstellerin vorgebrachten Einwendungen gegen den Bestand und die Höhe der gepfändeten Forderungen begründen. Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, ist die Rechtmäßigkeit einer Forderungspfändung und der Einziehungsanordnung nicht von der Klärung der Frage abhängig, ob die von ihr betroffene Forderung besteht (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juli 1984 VII R 135/83, BFHE 141, 482, BStBl II 1984, 740) oder ob sie dem Vollstreckungsschuldner zusteht (BFH-Beschluß vom 11. August 1987 VII S 13/87, BFH/NV 1988, 340; zur Auseinandersetzung mit der abweichenden Meinung von Tipke/Kruse s. dort §309 AO 1977 Rz. 22 und 24 sowie Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., §309 AO 1977 Rz. 111a).
Da nach der hier vorzunehmenden summarischen Beurteilung offensichtlich kein Pfändungsverbot i.S. des §319 AO 1977 besteht und auch offenkundig keine Unpfändbarkeit der Forderung aus sonstigen Gründen vorliegt, ist es für die Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung ohne Bedeutung, wenn die Pfändung mangels Bestehens der Forderung möglicherweise ins Leere geht und letztlich nicht zur Befriedigung des FA führt. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung hat keinen Einfluß auf das Schuldverhältnis, aus dem sich die betroffenen Forderungen ergeben. Für den Drittschuldner bleiben sämtliche materiell-rechtlichen Einwendungen gegen das Bestehen und die Höhe der gepfändeten Forderung sowie gegen seine Zahlungsverpflichtung erhalten (BFH-Urteil vom 14. Juli 1987 VII R 72/83, BFHE 150, 392, BStBl II 1987, 802). Berechtigte Einwendungen gegen die gepfändeten Forderungen oder das diesen zugrundeliegende Rechtsverhältnis zwischen dem Drittschuldner und dem Vollstreckungsschuldner begründen daher unter Umständen die Rechtswidrigkeit der Verwirklichung (§218 Abs. 1 AO 1977) des gepfändeten Anspruchs durch Aufrechnung, Zahlungsaufforderung etc., nicht aber der Pfändungs- und Einziehungsverfügung selbst. Der Drittschuldner hat sie daher dann geltend zu machen, wenn die Vollstreckungsbehörde zur Verwirklichung der Ansprüche aus der Pfändungs- und Einziehungsverfügung von ihm Zahlung verlangt (vgl. BFHE 150, 392, BStBl II 1987, 802, und BFHE 141, 482, BStBl II 1984, 740, 741; Klein/Brockmeyer, a.a.O., §309 Anm. 9). Dann kann der Drittschuldner -- wie im Streitfall geschehen -- die Erteilung eines Abrechnungsbescheides nach §218 Abs. 2 AO 1977 verlangen, diesen anfechten und in jenem Verfahren den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Abrechnungsbescheides stellen. Ob und in welcher Höhe Ansprüche der Vollstreckungsschuldnerin gegen die Drittschuldnerin bestehen und ob für das FA eine Aufrechnungslage gegeben ist, ist im Rahmen jenes Verfahrens zu prüfen.
c) Die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung stellt auch nicht im Hinblick auf etwaige Zweifel am Bestehen der gepfändeten Forderungen eine unbillige Härte für die Antragstellerin i.S. von §69 Abs. 2 Satz 2 FGO dar. Das folgt schon daraus, daß dieser Aussetzungsgrund keine Anwendung findet, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts (hier die Pfändungsverfügung) -- wie im Streitfall -- nahezu ausgeschlossen sind (Gräber/Koch, a.a.O., §69 Rz. 97, m.w.N.). Im übrigen steht der Antragstellerin -- wie oben ausgeführt -- gegen die tatsächliche Verwirklichung der gepfändeten Ansprüche -- hier durch die vom FA ausgesprochenen Aufrechnungen gegen die ihr zustehenden Erstattungsansprüche -- der Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides i.S. des §218 Abs. 2 AO 1977, das Rechtsbehelfsverfahren dagegen und der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach §69 Abs. 2 und 3 FGO zu (vgl. BFH-Beschluß vom 10. November 1987 VII B 137/87, BFHE 151, 128, BStBl II 1988, 43, 44, m.w.N.), wovon sie auch bereits Gebrauch gemacht hat.
In diesem besonderen Verfahren wird zu klären sein, ob die gepfändeten Rückforderungsansprüche gegen sie bestehen und ob ihre Verrechnung durch das FA mit Steuererstattungsansprüchen der Antragstellerin ggf. nach summarischer Beurteilung im AdV-Verfahren zu einer Existenzgefährdung der Antragstellerin führt.
Fundstellen
Haufe-Index 302978 |
BFH/NV 1998, 1447 |