Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Verfahrensfehler, Verletzung der Sachaufklärungspflicht
Leitsatz (NV)
- Rügt der Kläger die Verletzung der Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO durch das FG, weil es über entscheidungserhebliche Tatsachen nicht Beweis erhoben habe, so muss er neben der Darlegung, wann er entsprechende Anträge gestellt habe und inwieweit die als unterlassen gerügte Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung geführt hätte, insbesondere vortragen, weshalb er in der mündlichen Verhandlung nicht auf der angeblich unterlassenen Beweiserhebung bestanden habe.
- Erlässt das FG ein Prozessurteil, obwohl sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen einer Klage gegeben sind, kann dies einen Verfahrensmangel begründen.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1
Gründe
Die Beschwerde, deren Zulässigkeit sich nach den Vorschriften der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) richtet, ist unzulässig.
1. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die gerügten Verfahrensmängel nicht entsprechend den Anforderungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO und des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.
a) Wird ―wie im Streitfall― die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision darauf gestützt, dass das Finanzgericht (FG) seine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt habe, ist die Beschwerde nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH― (s. z.B. aus jüngerer Zeit Senatsbeschluss vom 3. April 2001 IV B 15/00, BFH/NV 2001, 1280; BFH-Beschluss vom 1. Dezember 1999 XI B 88, 89/98, BFH/NV 2000, 730, m.w.N.) nur formgerecht erhoben, wenn der Beschwerdeführer vorträgt,
1. welche Tatfrage aufklärungsbedürftig ist,
2. welche Beweismittel das FG zu welchem Beweisthema nicht erhoben hat,
3. warum er, der Beschwerdeführer, ―vor allem, wenn er wie hier durch einen fachkundigen Prozessbevollmächtigten vertreten war― nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat bzw. wann und mit welchem Inhalt ein entsprechender Beweisantrag gestellt worden ist,
4. warum sich die Beweiserhebung dem FG ―ggf. auch ohne Antrag― hätte aufdrängen müssen,
5. inwieweit die als unterlassen gerügte Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und
6. weshalb er, der Beschwerdeführer, ―wenn er (wie hier) durch einen fachkundigen Prozessbevollmächtigten vertreten war― in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich auf der von ihm angeregten Beweiserhebung bestanden hat.
Die Beschwerde genügt diesen Anforderungen nicht. Die Kläger tragen insoweit lediglich vor, das FG hätte eine eingehende und vollständige dienstliche Äußerung des Leiters der Poststelle und der mit der Leerung des Nachtbriefkastens und der Stempelung betrauten Bediensteten einholen, zu den Angaben ihres ehemaligen Steuerberaters Stellung nehmen und über entscheidungserhebliche Tatsachen Beweis erheben müssen. Damit tragen sie weder vor, wann sie entsprechende Anträge gestellt haben, noch inwieweit die als unterlassen gerügte Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung geführt hätte; vor allem haben sie ―obwohl in der mündlichen Verhandlung vor dem FG bereits durch einen Steuerberater vertreten― nicht dargelegt, weshalb sie dort nicht auf der angeblich unterlassenen Beweiserhebung bestanden haben. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 15. März 2001 haben sie die fehlende Beweiserhebung nicht gerügt. Insbesondere beantragten sie nicht die in der Beschwerdeschrift angesprochene Vernehmung des Leiters und der Bediensteten der Poststelle des FG.
Die Beschwerdebegründung lässt auch nicht erkennen, weshalb sich dem FG eine weitere Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, zumal der Berichterstatter schon im Vorfeld der mündlichen Verhandlung eine schriftliche Stellungnahme vom Leiter der Poststelle und den für die Frühleerung des Nachtbriefkastens am 30. April 1999 zuständigen Bediensteten eingeholt hat und sich das Postausgangsbuch der ehemaligen Prozessbevollmächtigten vorlegen hat lassen. In der mündlichen Verhandlung wurden zudem der ehemalige Steuerberater und dessen Ehefrau als Zeugen vernommen.
b) Soweit die Kläger außerdem geltend machen, ein Prozessurteil hätte nicht ergehen dürfen, ist ein Verfahrensmangel ebenfalls nicht hinreichend dargelegt worden. Nach Ansicht der Kläger hätte das FG bei richtiger Auslegung des § 418 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) erkennen müssen, dass die Klagefrist eingehalten worden sei und daher sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen vorgelegen hätten. Die Kläger machen damit zwar einen (weiteren) Verfahrensfehler geltend (vgl. BFH-Urteil vom 24. September 1985 IX R 47/83, BFHE 145, 299, BStBl II 1986, 268; BFH-Beschlüsse vom 28. Oktober 1988 III B 184/86, BFHE 155, 12, BStBl II 1989, 107 und vom 3. Januar 1996 VIII B 33/95, BFH/NV 1996, 559, s. auch Senatsbeschluss vom 10. Januar 2002 IV B 32/01, juris; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 5. Aufl., § 115 Rz. 78, m.w.N.). Insoweit hätten die Kläger aber konkreter vortragen müssen, welche Maßnahmen genau das FG noch hätte treffen müssen, um die Beweiskraft des Eingangsstempels und des von zwei Bediensteten unterschriebenen Vermerks zu widerlegen. Sie bürden so dem FG Ermittlungen "ins Blaue hinein" auf. Die Beschwerde wirft keine neuen konkreten Punkte auf, denen das FG hätte nachgehen müssen.
2. Von einer weiteren Begründung, insbesondere der Wiedergabe des Tatbestandes sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen
Haufe-Index 762530 |
BFH/NV 2002, 1042 |