Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwandlung einer Privatschuld in eine Betriebsschuld
Leitsatz (NV)
Wird ein mit Kredit erworbenes EFH zugunsten des Betriebs des Steuerpflichtigen dinglich belastet und muß der Steuerpflichtige bei Verkauf des EFH den Veräußerungserlös zur Tilgung der dinglich gesicherten Betriebsschuld verwenden, so bestehen ernstliche Zweifel, ob den fortzuzahlenden Zinsen der Charakter als Betriebsausgabe abgesprochen werden kann.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, 12 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) betreiben eine Rechtsanwaltssozietät in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
Der Gesellschafter X erwarb zusammen mit seiner Ehefrau 1979 ein Einfamilienhaus. Der Kaufpreis wurde von den Eheleuten X durch einen bei der Stadtsparkasse aufgenommenen und auf dem Grundstück dinglich gesicherten Kredit und durch ein Darlehen ihrer (Schwieger-)Eltern A finanziert. Ein von den Antragstellern in den Folgejahren bei der Stadtsparkasse für betriebliche Zwecke aufgenommenes Darlehen wurde ebenfalls auf dem privaten Einfamilienhausgrundstück der Eheleute X dinglich abgesichert.
Das Grundstück wurde von den Eheleuten X 1987 verkauft. Die Stadtsparkasse machte ihre Zustimmung zur Löschung der Grundschuld u.a. von einer Sondertilgung des betrieblichen Darlehens abhängig. Aus diesem Grund diente der ganze Verkaufserlös der Tilgung der grundbuchrechtlich gesicherten Kredite, so daß für die Rückzahlung des Darlehens an die Eheleute A kein Verkaufserlös verblieb.
Nach Ablösung des oben genannten betrieblichen Darlehens erfaßte der Steuerberater der Antragsteller das Darlehen der Schwiegereltern A, das zum 1. Januar 1988 noch 130454 DM betrug, als Sonderbetriebsvermögen des Antragstellers X. Die Sozietät zog die Zinsen auf dieses Darlehen als Sonderbetriebsausgaben des Antragstellers X ab. Bei Erlaß der geänderten Feststellungsbescheide für die Streitjahre 1987 bis 1989 ließ der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) die Zinsen nicht mehr zum Abzug zu, da das Darlehen der Eheleute A ursprünglich für den Kauf eines Einfamilienhauses verwendet worden sei. Eine Umwidmung der Schuld durch bloße subjektive Willensentscheidung des Steuerpflichtigen könne nicht anerkannt werden.
Die Antragsteller legten gegen die geänderten Feststellungsbescheide Einsprüche ein, die keinen Erfolg hatten. Dem beim Finanzgericht (FG) gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gab das FG statt. Es ließ die Beschwerde zu.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des FA ist unbegründet, weil an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide für 1987 bis 1989 ernstliche Zweifel bestehen.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts sind gegeben, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung einer Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung einer Tatfrage bewirken (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - seit Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182). Gegen die Auffassung des FA, daß ein Darlehen, das zur Finanzierung von Privatvermögen diente, ohne förmliche Umschuldung stets Privatschuld bleibe, bestehen ernstliche Bedenken.
1. Darlehenszinsen sind Betriebsausgaben, wenn sie gemäß § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch den Betrieb veranlaßt sind. Das ist der Fall, wenn das Darlehen zu betrieblichen Zwecken aufgenommen wird (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 unter C II. 2. a). Ein zu betrieblichen Zwecken verwendetes Darlehen bleibt in der Regel bis zu seinem Erlöschen Betriebsschuld (Großer Senat, a.a.O., unter C II. 3.).
Entsprechendes muß für einen ursprünglich zu privaten Zwecken aufgenommenen Kredit gelten. Besteht der Zweck eines Darlehens in der Finanzierung eines Einfamilienhauses, so ist das Darlehen grundsätzlich eine Privatschuld. Dies gilt unabhängig davon, ob die Darlehenszinsen im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung steuerlich berücksichtigt werden können. Bei Beachtung dieser Grundsätze war das Darlehen der (Schwieger-)Eltern A an die Eheleute X Privatschuld. Dieser Zurechnungszusammenhang kann durch eine hiervon abweichende Willensentscheidung des Steuerpflichtigen nicht gelöst werden (vgl. Großer Senat in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 unter C II. 3. a; vgl. z.B. auch BFH-Urteil vom 26. Juni 1991 XI R 22/88, BFH/NV 1992, 25).
2. Diese Grundsätze schließen allerdings nicht aus, daß der ursprüngliche Zurechnungszusammenhang aus tatsächlichen Gründen später wegfällt (vgl. Großer Senat in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 unter C II. 3. b; vgl. auch z.B. BFH-Urteil vom 14. Juli 1992 VIII R 49/90, BFH/NV 1993, 16 m.w.N.). Dies ist insbesondere der Fall, wenn das mit dem Darlehen finanzierte Wirtschaftsgut veräußert wird (vgl. BFH-Urteil vom 7. August 1990 VIII R 67/86, BFHE 162, 48, BStBl II 1991, 14). In diesem Fall geht die Rechtsprechung des BFH davon aus, daß der Veräußerungserlös typischerweise - sei es freiwillig oder aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung im Darlehensvertrag - zur Tilgung des Darlehens verwendet wird. Unterläßt der Steuerpflichtige die aufgrund der Veräußerung ermöglichte Rückzahlung eines betrieblichen Darlehens, so verwandelt sich die betriebliche Verbindlichkeit in eine private, wenn der Fortbestand der Darlehensverbindlichkeit durch außerbetriebliche Gründe veranlaßt ist (vgl. BFH-Urteil vom 21. November 1989 IX R 10/84, BFHE 159, 68, BStBl II 1990, 213). Ob in einem solchen Fall die künftige Zuordnung der Darlehenszinsen zu einer anderen Einkunftsart ausgeschlossen ist (so BFH in BFHE 159, 68, BStBl II 1990, 213), kann im Streitfall dahingestellt bleiben (vgl. BFH-Urteil vom 23. Januar 1991 X R 37/86, BFHE 163, 376, BStBl II 1991, 398; Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 9 EStG Rdnr. 380; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 9 Anm. 4a). Wird eine ursprünglich betriebliche Schuld durch die aus privaten Gründen unterlassene Tilgung aber zur Privatschuld, so ist bei summarischer Beurteilung nicht auszuschließen, daß Entsprechendes gilt, wenn ein ursprünglich zur Anschaffung eines Wirtschaftsguts des Privatvermögens aufgenommenes Darlehen deswegen nicht mit dem aus der Veräußerung des fremdfinanzierten Wirtschaftsguts erzielten Erlös getilgt wird, weil dem ausschließlich betriebliche Gründe entgegenstehen. Da nach den Feststellungen des FG die Rückzahlung des Darlehens der Eheleute A allein deswegen unmöglich wurde, weil die Stadtsparkasse eine Sonderrückzahlung ihres an die Antragsteller ausgereichten und an dem Einfamiliengrundstück der Eheleute X dinglich gesicherten Darlehens aus dem Verkaufserlös verlangte, kann nicht mit der notwendigen Gewißheit die betriebliche Veranlassung des Darlehensfortbestandes ausgeschlossen werden. Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen die steuerliche Anerkennung des Darlehens zwischen den Eheleuten X und A sprechen, da dieses verzinst und getilgt wurde (wegen der fehlenden dinglichen Sicherung siehe BFH-Urteil vom 4. Juni 1991 IX R 150/85, BFHE 165, 53, BStBl II 1991, 838).
3. Unabhängig hiervon kann bei summarischer Betrachtung eine Änderung des Zurechnungszusammenhangs des Darlehens auch nicht darauf gestützt werden, daß möglicherweise - wie das FA behauptet - eine Zustimmung der Eheleute A zur Umschuldung fehlt. Zwar verlangt der VIII.Senat des BFH zur Anerkennung einer Umschuldung die Zustimmung des Darlehensgebers (vgl. BFH-Urteil vom 7. August 1990 VIII R 67/86, BFHE 162, 48, BStBl II 1991, 14; BFH-Urteil vom 18. Dezember 1990 VIII R 101/87, BFH/NV 1991, 734). Diese Rechtsprechung ist in der Literatur auf beachtliche Einwendungen gestoßen (vgl. Weber-Grellet, Deutsche Steuer-Zeitung 1991, 321; Kempermann, Der Betrieb 1991, 669/671; v.Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Anm. C 96). Es bestehen jedenfalls insoweit ernstliche Zweifel an der Notwendigkeit der Zustimmung des Darlehensgebers, als für die hier entscheidende Frage, ob Betriebsausgaben vorliegen, allein darauf abzustellen ist, ob die Darlehenszinsen objektiv im Zusammenhang mit dem Betrieb stehen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind (vgl. Beschluß des Großen Senats in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 unter C II.2.). Die Veranlassung der steuerlich abziehbaren Aufwendungen bestimmt sich nach den Zweckvorstellungen des Steuerpflichtigen. Auch eine vertragswidrige Darlehensverwendung kann steuerlich zu Betriebsausgaben führen. Aus dieser Sicht bestehen Zweifel, ob eine steuerliche Anerkennung der Umschuldung stets die Zustimmung des Darlehensgebers voraussetzt. Da andererseits bloße Willensentscheidungen des Steuerpflichtigen nicht zu einer steuerlich beachtlichen Umschuldung führen, besteht das Bedürfnis nach objektiven Kriterien, die eine Abgrenzung zwischen unbeachtlichem Willensakt des Steuerpflichtigen und einer betrieblich veranlaßten Umwandlung ermöglichen. Eine abschließende Klärung dieser Problematik muß dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Dies gilt um so mehr, als im Streitfall ursprünglich die Eheleute X Darlehensnehmer waren und ein Darlehen an die Antragsteller nur durch (teilweise) Schuldnerauswechslung möglich ist. Für diese ist zwingend die Genehmigung des Gläubigers vorgesehen (§ 415 des Bürgerlichen Gesetzbuches).
4. Eine ungeklärte Rechtslage besteht im Streitfall auch dann, wenn nach wie vor die Eheleute X Schuldner des Darlehens sein sollten. In diesem Fall könnte der nach Vorlagebeschluß des IV.Senats vom 9. Juli 1992 IV R 115/90 (BFHE 169, 56, BStBl II 1992, 948, jetziges Az. I R 166/90) der Ehefrau X zuzurechnende Darlehensaufwand als Drittaufwand im Rahmen der Gewinnermittlung der Sozietät zu beurteilen sein. Bis zur Entscheidung des Großen Senats über die steuerliche Anerkennung des Drittaufwandes muß diese Grundsatzfrage als ungeklärt beurteilt werden.
5. Da das FA im gesamten Verfahren die betriebliche Veranlassung des von den Antragstellern bei der Stadtsparkasse aufgenommenen Darlehens nicht bestritten hat, ist bei summarischer Betrachtung eine Aussetzung der Vollziehung geboten. Vorsorglich wird aber darauf hingewiesen, daß die Antragsteller die betriebliche Veranlassung dieses Darlehens nachzuweisen haben. Da die Antragsteller - jedenfalls nach Aktenlage - stets Überschüsse erzielt haben und daher die laufenden betrieblichen Ausgaben aus den Betriebseinnahmen gedeckt werden konnten und auch keine die Höhe des Darlehens begründenden betrieblichen Investitionen durchgeführt wurden und ferner die Darlehenszinsen offenbar ausschließlich vom Gesellschafter X bezahlt werden, besteht insoweit noch Aufklärungsbedarf. Auf die Grundsätze des Großen Senats in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 wird hingewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 419225 |
BFH/NV 1994, 227 |