Entscheidungsstichwort (Thema)
Erinnerung; unrichtige Sachbehandlung
Leitsatz (NV)
- Im Erinnerungsverfahren nach § 5 Abs. 1 GKG kann der Kostenschuldner nicht mit Einwendungen gegen die Richtigkeit der Gerichtsentscheidung, die dem Kostenansatz zugrunde liegt, gehört werden.
- Allerdings kann nach Ergehen der Kostenrechnung mit der Erinnerung eine unrichtige Sachbehandlung i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG geltend gemacht werden.
- Eine unrichtige Sachbehandlung ist gegeben, wenn das Gericht gegen eine gesetzliche Norm verstoßen hat und dies offen zutage tritt oder wenn dem Gericht ein offensichtliches Versehen unterlaufen ist.
Normenkette
GKG § 8 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 1
Tatbestand
I. Der Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Erinnerungsführer) hatte vor dem Finanzgericht (FG) Klagen gegen Umsatzsteuerbescheide und gegen Umsatzsteuerhaftungsbescheide erhoben, die ―ebenso wie ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung― teilweise erfolglos geblieben sind. Der erkennende Senat hat durch Beschlüsse vom 28. Juli 1997 verschiedene Rechtsmittel des Erinnerungsführers als unzulässig verworfen und ihm die Kosten des jeweiligen Verfahrens auferlegt. Es handelte sich um
die Beschwerde des Erinnerungsführers gegen die Ablehnung seines Antrages auf Verlängerung einer ihm vom FG im Verfahren wegen Umsatzsteuerhaftung 1978 bis 1984 gesetzten Ausschlußfrist,
die Beschwerde des Erinnerungsführers gegen die Ablehnung seines Antrages auf Verlängerung einer ihm vom FG im Verfahren wegen Umsatzsteuer 1978 bis 1984 gesetzten Ausschlußfrist,
die Beschwerde des Erinnerungsführers gegen die Ablehnung seines Antrages auf Verlängerung einer ihm vom FG im Verfahren wegen Umsatzsteuerhaftung 1978 bis 1984 (Aussetzung der Vollziehung) gesetzten Ausschlußfrist,
die Revision des Erinnerungsführers gegen das im Verfahren wegen Umsatzsteuerhaftung 1978 bis 1982 ergangene Urteil des FG,
die Beschwerde des Erinnerungsführers wegen Nichtzulassung der Revision in dem im Verfahren wegen Umsatzsteuerhaftung 1978 bis 1982 ergangenen Urteil des FG,
die Beschwerde des Erinnerungsführers wegen Nichtzulassung der Beschwerde in dem im Verfahren wegen Umsatzsteuerhaftung 1978 bis 1984 (Aussetzung der Vollziehung) ergangenen Beschluß des FG und
die Beschwerde des Erinnerungsführers gegen den im Verfahren wegen Umsatzsteuerhaftung 1978 bis 1982 (Urteilsberichtigung) ergangenen Beschluß des FG.
Die Kostenstelle des Bundesfinanzhofs setzte durch Kostenrechnungen vom 2. Oktober 1997 gemäß § 4 des Gerichtskostengesetzes (GKG) die vom Erinnerungsführer in den einzelnen Verfahren zu zahlenden Gerichtskosten an.
Dagegen wendet sich der Erinnerungsführer mit der Erinnerung nach § 5 Abs. 1 GKG und beantragt den "Erlaß aller entstandenen Kosten aus Rechts- und aus Billigkeitsgründen". Dazu trägt er im wesentlichen vor: In den Hauptsacheverfahren sei unberücksichtigt geblieben, daß vom Finanzamt vorgenommene Umsatz- und Gewinnerhöhungen auf eine doppelte Erfassung von Einnahmen durch den Steuerfahndungsprüfer zurückzuführen seien. Er sei nicht in der Lage, die Kostenschuld zu tilgen. Er beantrage, die Hauptsacheverfahren dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vorzulegen. Die Doppelerfassung von Einnahmen sei nach der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG rechtswidrig. Die Entscheidung über seine Nichtzulassungsbeschwerde hätte bis zur Entscheidung des EuGH in den anderen Verfahren ausgesetzt werden müssen. Im übrigen sei in den Haftungsbescheiden von jedem der beiden Haftenden die volle Umsatzsteuerschuld gefordert worden; auch die Streitwerte in allen Umsatzsteuersachen seien somit zu unrecht verdoppelt worden. Schließlich sei nicht berücksichtigt worden, daß für die Veranlagungszeiträume 1978 bis 1980 Festsetzungsverjährung vorliege.
Der Vertreter der Staatskasse beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Erinnerungen sind unbegründet.
1. Mit der Erinnerung nach § 5 Abs. 1 GKG "gegen den Kostenansatz" können nur Einwendungen erhoben werden, die sich gegen die Kostenrechnung selbst richten, also gegen den Ansatz einzelner Kosten oder deren Höhe, ggf. auch gegen den zugrundeliegenden Streitwert. Dagegen kann der Kostenschuldner im Erinnerungsverfahren nicht mit dem Vorbringen gehört werden, die dem Kostenansatz zugrundeliegende Gerichtsentscheidung sei unrichtig (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. Februar 1989 X E 2/89, BFH/NV 1989, 800; vom 29. Januar 1991 VII E 8/90, BFH/NV 1991, 701, und vom 2. April 1996 VII E 2/96, BFH/NV 1996, 703; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., Vor § 135 Rz. 17a). Andernfalls könnte im Erinnerungsverfahren der ―rechtskräftig abgeschlossene― Streit in der Hauptsache fortgesetzt werden.
Der Erinnerungsführer wendet sich mit seinem Vorbringen im wesentlichen gegen die Richtigkeit der Entscheidungen, die den Kostenrechnungen vorangegangen sind. Diese Einwendungen sind ―wie ausgeführt― im Erinnerungsverfahren unbeachtlich. Substantiierte Einwendungen gegen den jeweiligen Kostenansatz als solchen hat er nicht vorgebracht. Der Bitte der Kostenstelle des BFH vom 7. April 1998, konkret die Fehler in den Kostenrechnungen vom 2. Oktober 1997 zu bezeichnen, ist der Erinnerungsführer nicht nachgekommen. Solche Fehler sind auch nicht ersichtlich. Der Streitwert in den Haftungsverfahren ist zutreffend angesetzt worden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. Februar 1994 VII E 3/93, BFH/NV 1994, 819, und vom 24. November 1994 VII E 7/94, BFH/NV 1995, 720).
2. Der von dem Erinnerungsführer begehrte "Erlaß aller entstandenen Kosten aus Rechts- und aus Billigkeitsgründen" ist nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der unrichtigen Sachbehandlung (§ 8 Abs. 1 Satz 1 GKG), der nach Ergehen der Kostenrechnung ebenfalls mit der Erinnerung geltend gemacht werden kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. September 1988 VI E 2/88, BFH/NV 1989, 250, und vom 15. Oktober 1995 XI E 1/95, BFH/NV 1996, 575), auszusprechen. Eine unrichtige Sachbehandlung i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG ist gegeben, wenn das Gericht gegen eine eindeutige gesetzliche Norm verstoßen hat und dies offen zutage tritt oder wenn dem Gericht ein offensichtliches Versehen unterlaufen ist (vgl. BFH-Beschluß vom 12. Juni 1995 I S 24/94, BFH/NV 1996, 61). Dafür ist hier nichts ersichtlich.
3. Soweit der Erinnerungsführer vorgetragen hat, er sei nicht in der Lage, die Kostenschuld zu tilgen, bleibt es ihm ―entsprechend dem Hinweis der Kostenstelle vom 27. Januar 1998― unbenommen, einen Billigkeitsantrag an den Präsidenten des BFH unter eingehender Darstellung der derzeitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu richten.
Fundstellen
Haufe-Index 422425 |
BFH/NV 1999, 652 |